Blick vom Schloßturm Richtung Friedrichstadt-Ostragehege. Aquarell um 1800. Yenidze und einen verfallenden Großspeicher hinter sich gelassen und wähnt sich immer noch in der Peripherie der Stadt, sieht man sich der Rückfront des Hoftheaters gegenüber, und nach wenigen Metern Fahrt steht man vor der Hofkirche, dem Schloß, der Gemäldegalerie und dem Zwinger. Eine gewisse Irritation kann bei dem Besucher aufkommen und in etliche Fragen münden: wie es zu einer derart desolaten Umgebung für die architektonischen Kostbarkeiten gekommen ist, wie lange noch die Kunststadt derartige Mißstände hinnimmt. Der 51 Jahre zurückliegende Bombenangriff kann schwerlich alleinige Erklärung dafür sein. Dabei haben einige Neubauten, wie der Plenarsaal des Sächsischen Landtages, das neue Verwaltungsgebäude in der Devrientstraße/Am Zwingerteich, das Art’otel oder Sanierungen in der Friedrichstadt, viel zum Besseren gewendet. Sie sind jedoch kaum mehr als der Tropfen auf den heißen Stein, denn das vernachlässigte Gebiet ist viel zu ausgedehnt, als daß eine Handvoll anspruchsvoller Neubauten, ein vorzüglich restauriertes Palais und viele ordentliche Sanierungen (vgl. Abb. S. 16 und 28) dem unharmonischen Gesamtbild hätten abhelfen können: Der Besucher regi striert, daß die berühmte Elbfront quasi in Müllhalden, Schrottbergen und Schuppen verendet und der baukünstlerisch beeindruckende Schlachthof ebenso wie der Städtische Speicher größ tenteils verfällt. Es ist normal, daß in einer Stadt Gebiete von unterschiedlicher Schönheit und mehr oder weniger angenehmer Ausstrahlung existieren. Doch der urbane Rhythmus Dresdens ist hier empfindlich gestört. Der Wechsel von naturräumlicher Weite und kultureller Dichte ist für dieses Gebiet besonders bezeichnend: Schloß Übigau - Elbe - Wiesen - Industrie - Wiesen - Gärten - Schrottplätze - Marcolinipalais - Verfall - Wiesen - Schrebergärten - Schlachthof. Ästhetische Gegensätze und heterogene Elemente der Stadtstruktur bringen einen eigenartigen Rhythmus hervor.