17 Gärtner Leonhardis, der sächsische Sängervater Leiberg stirbt, bringen Sonderzüge Tausen de sächsische Sänger nach Loschwitz zur Beerdigung, so daß der Friedhof die Herbeigerei sten nicht fassen kann und im Dorf das Bier ausgeht. Solche Geschichten ließen sich von der Landschaft am Elbhang, vom tätigen originellen Miteinander verschiedenster Bevölkerungsschichten, welche letztlich einen harmonischen Bewohnerkreis bilden, in Menge anführen. Und nicht nur durch vergangene Zeiten, nein bis zur Gegenwart. Und bis zur Gegenwart haben sich auch die Bewohner ihre bo denständige Originalität inmitten ihrer Landschaft erhalten. In ihrer Landschaft, aus der sie gekommen sind, die sie kultivierten und bis in unsere Zeit glücklich bewahrten. Wie viele Geschichten wären von ihnen aufzuschreiben, um auch diese zu bewahren für alle Zeiten. Vom sagen wir mal ersten Öko-Bauern Lieberwirth in Oberloschwitz, der mit seinen Er trägnissen nach 1945 manchen ausgebombten Neuloschwitzern das Überleben ermög lichte und trotz harter Feldarbeit stets heiteren Sinnes war. Bis ins hohe Alter ritt er sein Pferd Peter und tauchte manches Mal plötzlich und wie aus anderen Zeiten mit seinem riesigen Cowboyhut aus dem Rochwitzer Busch auf. In seinen letzten Lebensjahren setzte er sich noch über leeres Papier und schrieb seinem längst erwachsenen Sohn ein Buch »Deines Vaters Pferde«. Von Maria Schwauß, Schriftstellerin, Übersetzerin und Philologin, die zehn Jahre im Ur wald Guatemalas lebte und in Loschwitz ihr Wörterbuch »Lateinamerikanisches Sprach- gut« vollendete. Weit über 90 Jahre alt, mochte sie nicht sterben, bevor das Werk vollen det sei. Sie vollendete es — und starb. Von Schwester Elfriede - kaum einer weiß den Familiennamen -, welche Jahrzehnte ihres Lebens der Pflege Kranker widmete und nun ihre Pflicht im Diakonissenhaus fort setzt. Die bei Wind und Wetter, Tag und Nacht mit dem Moped zu den Bedürftigen eilte, die großen Zellstoffrollen aufgeschnallt und nimmermüde und stets frohen Mutes. Auch Bilder und Erlebnisse solcherart gehören zum emotionalen Kapital der Loschwitzer. Und sie sind nur Beispiel für alle Orte am Elbhang im Dresdner Osten. Mit ihnen läßt sich gut leben in unserer Landschaft, sie formen auch uns und zeitigen in uns die morali sche Verpflichtung zum tätigen und verträglichen Miteinander. Und haben die Menschen zu einem eigenwilligen Völkchen gemacht, das seine Landschaft liebt, bewahren und be haupten wird. Sie ist sein Lebensnerv. Wird er zertrennt, wird die Elbhanggemeinschaft eingehen, die Landschaft pompös veröden; wird sie keine Menschen mehr anziehen und zur herausgeputzten Staffage verkümmern. Die Gegenwart bringt neue Gegebenheiten auch an den Elbhang. Und Gefahren. Wie opferreich hat Mancher manches herrenlose Anwesen vor dem Verfall bewahrt, Jahre sei nes Lebens hineingebaut, es gerettet. Nun soll er gehen - Besitzanspruch von irgendwem und irgendwoher. Die Landschaft zieht die Menschen an. Doch noch existiert sie, die intakte Gemeinschaft dieser wundersamen Landschaft. Nun gut, auch sie wird sich verändern. So wie sie sich veränderte, als die Dorfkerne von Bla sewitz und Loschwitz dem Bau des indessen geliebten Blauen Wunders weichen mußten.