28 Hans-Ulrich Lehmann August Kotzsch <5 Chronist von Loschwitz Mit den Aufnahmen der feierlichen Weihe der neuen Glocken der Loschwitzer Kirche aus dem Jahre 1861 sind die frühesten sicher datierbaren Photographien von August Kotzsch überliefert. 1905 photographierte er den sächsischen König Friedrich August III. hoch zu Roß anläßlich eines Besuchs in Loschwitz, als er vom Gemeindevorstand und den Ehren jungfrauen feierlich begrüßt wurde. Bei dieser Aufnahme dürfte es sich um die letzte sicher datierbare Photographie des Loschwitzer Photographen handeln. 11 Dazwischen liegen über 40 Jahre intensiver photographischer Tätigkeit, in denen sich August Kotzsch dem Leben in seinem Heimatdorf Loschwitz mit ungewöhnlicher Intensität widmete. Mehr als 800 Photographien sind bekannt, wovon sich im Nachlaß, bis 1992 im Besitz des Urenkels, etwa 400 seiner als »Studienblätter« bezeichneten Aufnahmen erhalten haben, die Kotzsch aus eigenem Auftrag schuf. Im engeren Sinn können diese Aufnahmen als sein künstlerisches Vermächtnis angesehen werden. Einen Teil der Studien von Blättern, Pflanzen, Stilleben mit Obst und Gemüse, ausgewählte Landschaften, Aufnahmen des bäu erlichen Lebens, Baumgruppen u.a. hat Kotzsch sogar exportiert. Sie waren in den 1870er und 1880er Jahren beliebte Vorlagen für bildende Künstler. Besonders erfolgreich dürfte der Export in die USA gewesen sein, wie sich den wenigen erhaltenen Bestellungen und Lieferscheinen entnehmen läßt. 2 ’ Der amerikanische Händler verlangte jedoch, er solle seine Photographien ohne jeden Namen, Signatur oder Stempel liefern, da man Studienblätter und nicht Photographien eines bestimmten Autoren verkaufen wolle. 3 ’ Eine Auswahl der bedeutendsten Stilleben und Pflanzenaufnahmen war 1992 im Albertinum zu sehen. 4 ’ In ihrer Unmittelbarkeit der Aufnahme und dem bedingungslosen Realismus der Darstellung ging Kotzsch weit über das in der Photographie seiner Zeit Übliche hinaus. Wie kaum ein anderer deutscher Photograph hat er das Eigenleben der Gegenstände, ihre Eigenge setzlichkeit in photographische Bilder umgesetzt. Dabei ging es ihm nicht um die Fortfüh rung einer bildnerischen Auffassung, die durch die »Erdlebenbilder« 5 ’ von Carus bestimmt war, sondern um die harte Sprache des Tatsächlichen. Diesem unabdingbaren Realismus kann man in der bildenden Kunst nur den Realismus Menzels entgegensetzen. Diese um fangreiche Gruppe erhaltener Photographien beleuchtet jedoch nur eine Seite eines viel umfassenderen Wirkens. Kotzsch entwickelte sich zu einem geschäftstüchtigen Unternehmer, der seine Photogra phien erfolgreich in Loschwitz und Blasewitz hcrausgab. Zuerst durch einen Blasewitzer