89 Hans-Günther Hartmann 0 Festliches Pillnitz Johann Alexander Thiele gibt mit seiner Radierung von 1726 das beste zeitgenössische Ab bild vom Lustschloß Pillnitz: Hier vereinen sich der arkadische Charakter der Landschaft und die venezianische Atmosphäre des Elbstromes zu jener festlichen Heiterkeit, die das Schloß nach dem Willen seines Bauherrn Augusts des Starken ausstrahlen sollte. Dieser Freude des Kurfürst-Königs am festlichen Ereignis lag eine jahrhundertealte Tradition sei ner Vorfahren zugrunde. Standen an ihrem Anfang vor allem Turniere und die rohen Ver gnügungen der Bärenhatzen und Tierkämpfe, so richtete sich das Bestreben bald auf eine höfische Festkunst nach italienischem Vorbilde, weckend den Geist der «Inventionen«. Prägten ihre immer pompöser werdenden Formen das Antlitz der Dresdener Kultur bis in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges hinein, so verlangten die danach aufkommenden An fänge der Dresdener Operntradition zunehmend den umbauten Raum. Denn Oper und Ballett rücken jetzt in den Mittelpunkt der Hoffeste; ihre in Mythologie und Allegorie eingekleidete Pathetik verkündet zumeist den Ruhm des Herrschers oder symbolisiert mit der Naivität des Zeitalters den Lauf der Gestirne. Und als man 1667 das erste feste »Comedien-Hauss« Dresdens mit der Oper »II Teseo« einweiht, zieht damit zugleich der Barock über die flexible Welt des Theaters in die Residenz ein. All dies, phantasievoll von Anbeginn und energisch nach Vollendung drängend, prägte das Festwesen am sächsischen Hofe, als 1694 Kurfürst Friedrich August I., nachmals August der Starke, den Kurhut übernimmt. Bleibt er dem Überlieferten auch verbunden, so zielt doch sein Bemühen auf eigenschöpferisches Interpretieren der Tradition. Dieses tätige Mitwirken, das den Anteil seiner Vorfahren weit übertrifft, führt nun zur völligen Umgestaltung der Hoffeste. Ihre weitgesteckten Programme räumen jetzt nicht nur der Frau eine bisher unbekannte Stellung ein; sie nehmen auch Leistungen des Volkes, so weit diese zum Wohlstand des Landes beitrugen, in ihren Darstellungsbereich auf, wäh rend die neuartigen »Jahrmärkte« ihrem Wesen nach Mustermessen zur Demonstration des Leistungsstandes der sächsischen Handwerker bildeten. Dies aber entsprach den mer kantilen Grundsätzen der Zeit, nach denen die heimischen Künste und Manufakturen so zu fördern waren, daß der Export den Import überstieg. Sie zielten damit auf eine ge festigte Wirtschaft als Voraussetzung für das Zurschaustellen fürstlich-absolutistischer Macht, dem sich August der Starke besonders durch seine Wahl zum König von Polen 1697 verbunden fühlte. Die neuen Formen der Feste verlangten auch ihren eigenen baulichen Rahmen. Hatten sich frühere Zeiten mit dem Stallhof, dem Lusthaus auf der Jungfernbastei oder dem