61 Erhard Frommhold Kunsthandel in Dresden - Eine Tradition der Moderne »Blühe, Deutsches Florenz, mit Deinen Schätzen der Kunstwelt! Stille gesichert sei Dresden Olympia uns.« Nicht dauernd hat sich jener Wunsch Johann Gottfried Herders in den vergangenen drei Jahr hunderten erfüllt. 1802 allerdings war mit ihm noch eine Art Bann über die Stadt und über die Kunst in ihr geschlagen: Friedrich August I. und Friedrich August III. waren ftir Herder eine fürst liche »Schule der Artigkeit« am Anfang und am Ende des 18. Jahrhunderts. Carl Justi ironisierte dann 70 Jahre später Herders Lobrede durch das Paradoxon: »Das Augusteische Dresden«. Eine Anspielung auf das römische Kaiserreich des Augustus und auf die barocke Provinz der sächsischen Auguste. Die zauberhaft wirkende geistige Gewalt des Klassizismus, die Herder mit Johann Joa chim Winckelmann und Anton Raphael Mengs heraufbeschwor, war bereits in der Besuchszeit Herders gebrochen, denn Caspar David Friedrich und Philipp Otto Runge waren in Dresden schon am Werke. Ihren späterhin legendären Ruhm zu bewahren und ihn zugleich auf eine höhere Ebene zu bringen, das wurde zum Schicksal der modernen Kunst. Dazu benötigte sie Helfer. 1917 erinnerte sich Ludwig Meidner an das Frühjahr 1914, als er in »einem rustikalen, kubi schen Kasten am Anfang der Bautzner Straße« hauste: »Dresden! — deine barocken Sehnsüchte, ja - dein ergrauendes Haar ...« Dabei ist es allzuoft geblieben. Deshalb auch immer wieder: »Die Stadt der Vergangenheit«. So überschrieb der Kunsthistoriker Erich Haenel wehmütig genug eine Sammlung von Bildern und Dokumenten aus zwei Jahrhunderten, die unter dem Titel »Das alte Dresden« 1925 erschien. Vielleicht war Nostalgie in diesem Jahr wiederum ein moralisches Prinzip. Wenn auch ein ungerechtes, denn der Mitherausgeber jener Anthologie, Eugen Kalk schmidt, schrieb dann am Ende des Buches, daß nun der »künftige Chronist« die »junge Groß stadt ... in das richtige Altersregister einreihen« möge. Er hütete sich wohlweislich, die Schwelle des Jahrhunderts zu überschreiten und überließ den Rest, also die folgenden drei Dezennien, dem künftigen Chronisten. Beide Autoren waren sich aus konservativen Überlegungen im klaren, daß es dem Chronisten des zwanzigsten Jahrhunderts nicht leichtfallen würde, dieses »Alte Dresden« mit gleicher Würde in ein modernes Dresden umzuwandeln. Am Schluß der Anthologie weist allerdings eine aus gewählte Betrachtung Alfred Lichtwarks dennoch auf das Kommende hin — eine Reisebeschrei bung, die Lichtwark 1896 in der Nummer 2 der berühmten Zeitschrift »Pan« unter dem Titel »Aus Dresden (und Notizen)« veröffentlichte und die er verkürzt in seinem Buch »Deutsche Königsstädte« 1898 und 1912 nochmals abdrucken ließ. Es war eines der ersten kritischen Doku-