4 Gerald Heres Heinrich Graf von Brühl als Kunstsammler Im augusteischen Dresden wurde jede private Sammeltätigkeit vom Glanz der königlichen Samm lungen überstrahlt. Sowohl Standesherren wie die Grafen Wackerbarth, Flemming und Bünau als auch Gelehrte und Schriftsteller wie Heinecken und Hagedorn sammelten Bücher und Kunstwerke. Ihre Interessen und Aktivitäten hingen mehr oder weniger mit denen des Monar chen zusammen. Geblieben ist von diesen Sammlungen kaum etwas; schon zu Lebzeiten oder nach dem Tod der Besitzer wurden die Bestände zerstreut, im günstigsten Fall, wie die Bünau- sche Bibliothek, den königlichen bzw. kurfürstlichen Sammlungen einverleibt. Die Königlichen Sammlungen, unter der Förderung Augusts des Starken auf- und ausgebaut, standen bis zum Ausbruch des Siebenjährigen Krieges in hoher Blüte. Wenn auch August III. seine Interessen auf Malerei und Zeichenkunst konzentrierte, so wurden doch die anderen Berei che nicht vernachlässigt. Das ist zunächst dem als »Direktor« amtierenden Oberkammerherrn, seit 1738 dem als »Kämmerer« eingesetzten Grafen Heinrich von Brühl, und den tüchtigen Inspek toren zu danken, dann aber auch Carl Heinrich von Heinecken, der seit 1746 als Vertrauter Brühls allen Sammlungen »vorgesetzet« oder »beygesetzet« war. Namentlich das Kupferstich kabinett und die Gemäldegalerie verdanken ihm zahlreiche Erwerbungen. Neben seinen Staats ämtern verwaltete Heinecken seit 1741 zugleich Brühls gesamten Besitz, die Güter und Schlösser samt ihrem Inventar. Es versteht sich, daß seine Kennerschaft und seine Geschäftsbeziehungen auch Brühls Kunstbesitz zugute kamen. Viel ist über den Grafen Brühl, seinen Charakter und seine Politik, seine Karriere und seinen Sturz geforscht und geschrieben worden. Seine Verdienste um die Dresdner Sammlungen und seine eigenen Aktivitäten als Kunstsammler wurden meist nur am Rande berührt. Dabei ist die Quellenlage nicht einmal schlecht, vor allem dank der Nachlaßinventare. Daß eine gründliche Auswertung bis heute unterblieb, hat mehrere Gründe. Zum einen bestand lange Zeit kein Inter esse daran, an dem verhaßten Premierminister positive Züge zu entdecken. Sodann sind die interessantesten Bestände, die Gemälde, Zeichnungen und Stiche, seit zwei Jahrhunderten nicht mehr in Dresden, ja nicht mehr in Deutschland präsent; es fehlte der unmittelbare Anlaß, sich mit ihnen und ihrer Geschichte auseinanderzusetzen. Schließlich war Brühl kein Sammler im üblichen Sinn; nicht Kennerschaft und Kunstliebe trieben ihn zum Aufbau seiner Sammlungen, sondern Ehrgeiz und Repräsentationsbedürfnis. Heinecken sagte über Brühls Direktion der Kunst sammlungen: »Weil aber dieser Premierminister ... solchen Dienst in seinem ganzen Umfange ... wegen ermangelnder sattsamer Kenntnis in Kunstsachen ... nicht verwalten konnte, so ward mir, unter Direktion gedachten Oberkämmerers ..., die Besorgung übertragen.« So war auch der