69 Hans-Ulrich Lehmann Die Schenkungen Balzer, Reiher und Löffler an das Dresdner Kupferstich-Kabinett Den drei Sammlern Wolfgang Balzer, Louise und Johannes Reiher, Fritz und Slava Löffler ist ge meinsam, daß sie alle ihre Erziehung und Ausbildung in der bürgerlichen Gesellschaft der Wei marer Zeit erhielten und in dieser ihre Sammlungen anlegten. Sie hielten an ihrem Bildungs ideal fest, obwohl es in den Jahren der DDR immer mehr zurückgedrängt wurde. Sammeln wurde für die DDR suspekt, weil Eigentum und Besitz nicht viel galten. Sammeln aus Neigung und Interesse führt zu geistigem Gewinn, vergangene und gegenwärtige Kultur wird bewahrt und einer jüngeren Generation weitergereicht. Alle drei Sammler bauten auf bescheidenem Wohlstand auf. Ihre Sammlungen waren keine Kapitalanlagen. Stets ging es ihnen um die künstlerische Meisterschaft oder um den Inhalt des jeweiligen Blattes. Sie zeigten ausgeprägte soziale Verantwortung, indem sie ihr Wissen durch Publikationen, Leihgaben für Ausstellungen und schließlich durch die Übereignung der Sammlung in das Museum in breitem Maße der Öffentlichkeit zugänglich machten. Die Anerkennung und Ent deckung bislang öffentlich nicht geschätzter oder wenig beachteter Künstler zeugt darüber hin aus von kultureller Verantwortung. Dogmatische, politisch indoktrinierte Maßstäbe werden durch den Einsatz der Sammler vielfach gebrochen. Das Vermächtnis Wolfgang Balzer Wolfgang Balzer wurde am 3. Juni 1884 in Dresden-Neustadt geboren. Nach dem Abitur an der Dreikönigsschule in Dresden studierte er bis 1908 in Tübingen, München und Leipzig Kunst geschichte, Neuere Sprachen und Philosophie. Seine Dissertation schrieb er über den französi schen Kunstkritiker Gustave Planche. Die französische Kunst des 19. Jahrhunderts blieb eines seiner bevorzugten Themen, das er bis zu seinem Tode pflegte. 1910 bis 1914 arbeitete er als Kunstreferent bei der Leipziger Volkszeitung, danach war er bis 1918 Soldat. Nach dem Welt krieg trat er 1919 in die »Freie Presse« Leipzig, eine SPD-Zeitung, ein und war bis 1923 Feuille ton-Redakteur. Vom 1. Oktober 1923 bis 1. Dezember 1933 leitete er als Direktor das Staatliche Kunstgewerbemuseum in Dresden. Im März 1933 wurde er für mehrere Tage verhaftet. Die zwangsweise Entlassung vom Dienst folgte zum 1. Dezember 1933. Mit seinem Eintreten für die Kunst der Moderne war er für die neuen Machthaber suspekt geworden. Bis 1939 setzte er seine Studien über Daumier und Gavarni auf der Basis seiner eigenen, umlangreichen Sammlung graphischer Blätter fort, fundiert durch mehrere Reisen nach Frank reich. Mit gleichem Engagement verfolgte er das Geschehen der Gegenwartskunst und baute seit