71 historischer Literatur. Diese grobe Aufzählung läßt die weitgefächerte Struktur der Sammlung Wolfgang Balzers erkennen. Balzer baute seine Sammlung systematisch auf mit dem Ziel, die ihm nur allzugut be kannten Lücken des Kupferstich-Kabinetts zu schließen. In den 1960er Jahren gab es häufig Anrufe mit der Anfrage: »Ich habe hier ein Angebot, einen Holzschnitt von Schmidt- Rottluff. Haben Sie den? Nein, gut dann kaufe ich ihn.« Er wußte sehr genau von den Proble men der Ankaufspolitik unter dem damaligen Generaldirektor Max Seydewitz. Balzer tätigte nur finanziell günstige Erwer bungen. Er war nicht bereit, überhöhte Preise zu zahlen. Als nach 1960 die Preise ftir Werke der Expressionisten deutlich anstiegen, wandte er sich anderen Sammelbereichen zu. Mit dem Vermächtnis war außerdem eine finanzielle Zuwendung für das Kupferstich- Kabinett in Höhe von 47 000 Mark verbun den, die er zur Erwerbung von Werken jünge rer, inoffizieller Künstler bestimmte. Damit sicherte er dem Kupferstich-Kabinett eine gewisse Selbständigkeit in der Erwerbungstätigkeit. Das ermöglichte, weitere Werke von Gerhard Alten- bourg, Carlfriedrich Claus, Dieter Tucholke, Max Uhlig, Roger Loewig oder Ralf Winkler (d. i. Penck) zu gewinnen. Mitunter zeigte sich aber auch seine Eigensinnigkeit, die wohl auch eine Generationsfrage war. Als Werner Schmidt, Direktor des Kupferstich-Kabinettes, um 250 oder 300 Mark für eine Zeichnung von Gerhard Altenbourg bzw. Carlfriedrich Claus bat, lehnte er ab. Seine Neigung galt inzwischen Ernst Lewinger oder Elisabeth Ahnert. Sammler wollen aber auch gepflegt sein. Die 250 Zeichnungen Balzers waren ursprünglich nicht für das Kupferstich- Kabinett bestimmt. Die Überzeugungskraft und regelmäßigen Besuche des Direktors trugen schließlich den Sieg davon. Balzer fügte die Zeichnungen in das Vermächtnis ein. Akribisch hatte Wolfgang Balzer alle Angebote und Rechnungen aufgehoben. Darin zeigte sich der Wissenschaftler. Ein umfangreicher Zettelkatalog, in gebrauchten Briefumschlägen geordnet, gibt für nahezu jedes Blatt die Herkunft an. Quellen waren die Kunstausstellung Kühl, das Antiquariat Franz Meyer, die Kunsthandlungen Hede Schönert und Hermann Axt in Dresden, Becker vom Rath in Weimar, Kurt Engewald und das Zentralantiquariat in Leipzig, in Halle Eduard Henning, ebenso Antiquariate und der Staatliche Kunsthandel in Berlin. Kritisch begleitete Balzer die Kunst der Gegenwart in Vorträgen, wie aus einem Manuskript im Kupferstich-Kabinett hervorgeht. Er beklagt darin die »Verlotterung des Kunstgefühls; des Bildbewußtseins«. Das Bild ist für ihn »Bildschöpfung, keine Bildreportage« — das ging eindeu- Otto Mueller, Paar, Steindruck, 1922