81 »Die Kunst war neben der Medizin ein so wichtiger Teil meines Lebens, daß ich die bei den Existenzen auch namentlich voneinander abzusetzen suchte, weil ich nicht malender Arzt, sondern Arzt und Maler sein wollte.« Von Jugend an war Kunst für ihn existentielles Bedürfnis für die Bewältigung des Lebens. Dottore gehört für mich zu den Menschen, die die Schönheit mit dem Schmerz dieser Welt bis in ihre Tiefen hinein erleben. Diese Sehn sucht nach der totalen Erfahrung hat über Jahrzehnte ein Kunstwerk entstehen lassen, das in Farbklängen und seismographischen Aufzeichnungen Glanz und Zerbrechlichkeit unserer Welt darzustellen versucht. Manche Themen begleiten ihn seit Anbeginn seines künstlerischen Werkes: Landschaften, Köpfe, Musik, im letzten Jahrzehnt Kathedralen und die Welt des Zirkus als Allegorie. W. Lehmann hat nach einer für ihn unge- Hans Egon Kleine-Natrop, heuer wichtigen Phase als Landarzt von 1970 Gemälde von Hans Jüchser, 1961 bis 1981 als leitender Pädiater am Bezirks krankenhaus Dresden-Friedrichstadt gearbei tet und ist 1984 nach einer DDR-gemäßen »Wartephase« nach Hamburg übergesiedelt, wo er seitdem als Kinderarzt in eigener Praxis lebt. Ähnlich radikal wie W. Müller hat Dottore einen Entschluß gefaßt. Ab 1997 gibt er seine gut floriende Praxis auf und wird — besser kann — aus schließlich als Künstler arbeiten. Aus Künstlerfreundschaften und aus der ärztlich-menschlichen Betreuung von Künstlern entstand eine qualitätsvolle Sammlung, die seiner Sensibilität ent sprach, mit Arbeiten von Gerhard Altenbourg, Joachim Heuer, Hermann Glöckner, Albert Wigand. In seiner Wohnung im Ärztehaus auf der Friedrichstraße bin ich erstmals einem streng vertikal gegliederten, monochromen Ölgemälde von Eberhard Göschei begegnet. Sammler er kennen Qualität, bevor die Künstler berühmt werden. Die Kreise von Medizin und Kunst überschneiden sich auf verschiedenen Ebenen. Begegne- ten wir bisher malenden und sammelnden Ärzten, so erleben wir bei Professor Dr. Dr. Heinz Egon Kleine-Natrop (1917 bis 1985) eine universelle Ausstrahlung als Arzt, Schriftsteller, Dich ter und Sammler. Kleine-Natrop war ein Mann von Faszination und Begeisterungsfähigkeit. Hinter einer repräsentativen, sein Umfeld meist beherrschenden Erscheinung lebte Sensibilität, Empfindsamkeit und Zweifel. Er leitete 26 Jahre lang die von ihm gegründete und zu internatio naler Bekanntheit aufgestiegene Hautklinik der Medizinischen Akademie. Er war für diese Aka demie für eine lange Zeitspanne von prägender Kraft. Kleine-Natrop vertrat mit ganzem Einsatz eine ganzheitliche Medizin. Hierher gehörte sein Engagement für Philosophie, Geschichte und