83 Werner Schmidt Dresdner Privatsammlungen in der DDR In der DDR herrschten vier besondere Umstände, die Kunstsammeln behinderten. Erstens: Kunstsammeln setzt einen gewissen Wohlstand voraus. Dieser war in privaten Händen nur in äußerst begrenztem Maße vorhanden. Zweitens kommt hinzu, daß privates Sammeln auf Privat eigentum basiert, das nach kommunistischer Doktrin bei bedeutenden Werken mindestens als verdächtig, wenn nicht verwerflich galt. Uber jedem, der ein paar wertvolle Blätter und Bilder hatte, schwebte das Damoklesschwert der Enteignung durch nachträgliche Besteuerung, die jederzeit angewendet werden konnte. Ab 50 000 Mark des gesamten Wertes eines Haushaltes konnte Vermögenssteuer erhoben werden. Und wo die Staatsmacht wollte, hat sie mit diesem Schwert Sammlungen geköpft. Gottlob wollte - oder konnte - sie das nicht immer. Drittens: Sammeln bedeutet, daß Kunst als Ware erworben werden kann, daß für künstlerische Produkte Geld aufgewendet wird. Kunst aber galt nach vulgär-marxistischer Ideologie gerade nicht als Ware, sondern als Waffe im Klassenkampf. Damit war eine schwere Behinderung der Aneignung von Kunst durch privates Sammeln aufgerichtet. Schließlich kam noch ein vierter Aspekt hinzu, die Isolierung auf das eigene Land, sogar gegenüber den sozialistischen »Bruderländern«, aus denen man normalerweise weder ftir Geld noch auf sonst einem legalem Wege Kunstwerke er werben konnte. Unter diesen Umständen hätte es eigentlich überhaupt keine Privatsammlungen in der DDR und in den anderen kommunistisch regierten Ländern geben dürfen und können. Aber zum Glück gehen Realität und Leben doch eigene Wege. Es gab auch Gegenkräfte, bis in die hohe Politik hinein. Ich will nur den Namen von Lothar Bolz nennen, dem langjährigen Außen minister der DDR und Stellvertretenden Ministerpräsidenten, der eine so starke Position bei sei nen sowjetischen Freunden hatte, daß er allzu eifrige ideologische Anfeindungen in der DDR nicht nur für sich wegwischen konnte, sondern mit eigenem Beispiel dafür eintrat, daß privates Sammeln nicht verketzert werden konnte. 1956 wurde die Pirckheimer-Gesellschaft gegründet, die das Sammeln von Büchern auf ihre Fahne geschrieben hatte, das heißt, privates Eigentum wenigstens an Büchern war ideologisch abgesegnet. Aus der Pirckheimer-Gesellschaft erwuchs dann über das Ex libris, über das grafische Blatt und die Zeichnung schließlich die moralische Nobilitierung des privaten Sammelns von Kunst in der DDR. In diesen Rahmen sind historische Umstände einzufügen, die zur Auflösung und Vertreibung von Sammlungen führten. Ich beschränke mich auf sächsische Beispiele. Es begann bereits vor der Zerstörung durch die Bomben. Ich nenne zusätzlich zu den hier in den Vorträgen behan delten nur wenige Sammlungen, die Dresden vor 1945 verlor, meist jüdische. Die Sammlung