51 Joachim Menzhausen Die Dresdner Kunst unter Christian I. Trotz seiner kurzen Regierungszeit hat Christian I. auf die Richtung und die Entwicklung der bildenden Künste in Dresden stark eingewirkt. Offensichtlich hätte er bei längerer Regierungszeit der bedeutendste wettinische Sammler und Mäzen zwischen Friedrich dem Weisen und August dem Starken werden können. Sein künstlerisches Engagement war, wie jenes in religiösen und politischen Fragen, außerordentlich. Seine eigene künstlerische Entwicklung begann schon lange bevor er seinem Vater als Kurfürst nachfolgte. Das Kup ferstichkabinett bewahrt von seiner Hand eine Reihe von Zeichnungen und ein schmales geheftetes Bändchen, ebenfalls mit Zeichnungen, sowie architektonischen und geometri schen Entwürfen. Letztere werden wohl im Zusammenhang stehen mit der Tätigkeit Elias Lenckers, des berühmten Nürnberger Meisters in der perspektivischen Zeichenkunst, den Kurfürst August zur Erziehung seines Sohnes nach Dresden holte. Wirken die geometri schen und architektonischen Entwürfe des Kurprinzen schon durchaus professionell, so läßt sich dies von den Zeichnungen überhaupt nicht sagen. Ich stimme mit dem bedeu tendsten Fachmann Dresdens auf diesem Gebiet, Herrn Dr. Dittrich vom Kupferstichka binett, dann überein, daß es sich offensichtlich um Nachzeichnungen von Vorlagen han delt. Vermutlich waren dies aber keine Kupferstiche, sondern Vorzeichnungen eines noch unbekannten Zeichenlehrers. Dieser könnte recht wohl Gabriel Kaltemarck gewesen sein, ein Dresdner Zeichner am Ende des 16. Jahrhunderts, von dem nur wenige Blätter erhalten sind. Es handelt sich dabei fast ausschließlich um sehr exakte Nachbildungen italienischer Vorlagen, und in der Tat ist Kaltemarck studienhalber in Italien gewesen. Dies belegt sein Traktat »Gabriel Kal- temarcks Bedenken, wie eine Kunst-Kammer aufzurichten seyn möchte«, den er 1587 Christian I. als seinem »gnädigsten Herrn« widmete. Auf eine persönliche Beziehung zwi schen dem Zeichner und dem Kurprinzen deutet auch die Inschrift eines im Kupferstich kabinett erhaltenen Blattes von Kaltemarck, das er dem Kurprinzen Christian schenkte, und daß dieser für Wert befand, aufgehoben und später in der Kunstkammer aufbewahrt zu werden. In seinem Traktat empfiehlt Kaltemarck dem jungen Kurfürsten nichts ande res als die Errichtung eines modernen Kunstmuseums. Er lieferte ihm dazu eine Liste aller bedeutenden Künstler Europas, von der Antike bis zur Gegenwart, von bewundernswerter Vollständigkeit und hoher Kennerschaft, und er gibt zugleich eine religiös-ideologische Begründung dafür, warum ein lutherischer Herrscher sozusagen von Gott ausersehen sei, ein solches Museum zu gründen. Die Baptisten, schreibt er, würden wie die Heiden die’ Bilder religiös verehren, und dies sei ebenso falsch wie die totale Ablehnung der Bilder