73 Ulrich von Brück Erinnerungen eines Dresdner evangelischen Kirchenmannes | I Es lohnt sich sehr, in geschehene Geschichte einzutauchen, um neue und möglichst bessere I Geschichte zu machen. Insofern hat es nach meinem Verständnis fundamentale Bedeu- \ | tun g’ gerade zum Zeitpunkt der sich gestaltenden Wiedervereinigung unseres Landes nach I I der für die meisten unter uns sehr schmerzhaften 45jährigen Zerteilung sich mit Rückblik- | I ken zu befassen, die im Grunde der Zukunft dienen wollen. Ich möchte deshalb die Be- J I trachtung im Rahmen der »Fünfziger Jahre« nachgedacht, nicht zu eng fassen, sondern \ I meine Erinnerung befragen auf einen Zeitraum, der mit dem Herbst 1949 beginnt und 1 lim Spätsommer 1961 seinen Abschluß fand. | IWenn man denn schon für diese reichliche Dekade ein zusammenfassendes Charakteristi- j Ikum formulieren möchte, dann waren diese »Fünfziger Jahre« eine Dekade der sich deut- j I lieh entwickelnden Trennung zwischen den beiden Teilen Deutschlands nach dem Zwei- I ten Weltkrieg: der Entstehung der Bundesrepublik Deutschland sowie der damaligen I I Deutschen Demokratischen Republik einerseits und des Baues der Mauer zwischen diesen I beiden Teilen Deutschlands andererseits. Den innerpolitischen Konsequenzen und deren | I Einwirkung auf das Verhältnis zwischen Kirche und Staat in der ehemaligen DDR, der I Position des Christen und der innerkirchlichen Entwicklung insgesamt gilt nun unser Inter- | esse. Eigentlich überflüssig zu sagen, daß es in diesem Beitrag nur um einige charakterisie rende Beispiele gehen kann, die einer subjektiven und auch einer persönlichen Färbung unterliegen. Ein gesamtkirchliches und damals noch »gesamtdeutsch« funktionierendes Geschehen stel- J le ich bewußt an den Anfang. Es war im April 1950. Die Synode der Evangelischen Kir- | I che in Deutschland (die EKiD wurde als Zusammenschluß der deutschen evangelischen I I Landeskirchen 1945 in Treysa vorläufig und 1948 in Eisenach endgültig konstituiert) wur- | jde zu ihrer Tagung nach Berlin-Weißensee/Stephanusstift (Ost-Berlin) eingeladen. Präses j I der Synode war zu jener Zeit Gustav Heinemann. Die vier Vertreter der Siegermächte, die für Berlin zuständigen Stadtkommandanten, waren zur Tagung eingeladen und erschie nen alle. Sie saßen an einem Tisch zusammen mit dem Evangelischen Bischof von Berlin, [Otto Dibelius, und dem Präses der Synode. Zum Eröffnungsgottesdienst in der Berliner j Marienkirche (Berlin-Ost) mit der Predigt von Bischof Dibelius war sogar der Staatspräsi dent Wilhelm Pieck erschienen; so etwas wiederholte sich danach nicht noch einmal. I Die Synode ist durch ihr Hauptthema als „Friedens-Synode« in die Kirchengeschichte ein- I B e 8 an g en und hat auch darüberhinaus Wirkung gehabt. Drohende Wolken einer neuen