96 Ellen Herrmann Der 17. Juni 1953 in Dresden und die SED i Ebensowenig wie die Geschichte der DDR aus ihrer engen Verknüpfung mit der sowjetischen Deutschlandpolitik herausgelöst werden kann, läßt sich die Krise 1953 und der daraus hervor gegangene Aufstand am 17. Juni ohne diesen historischen Hintergrund verstehen. Die Sowjet union, auf ihren wirtschaftlichen und politischen Machtausbau ausgerichtet, begnügte sich nicht mit hohen Reparationsforderungen, der Errichtung Sowjetischer Aktiengesellschaften und der Demontage der Betriebe im besetzten Land. Der Stalinismus drang in alle Bereiche des gesell schaftlichen Lebens, prägte wirtschaftliche und politische Strukturen nachhaltig. Die II. Parteikonferenz der SED im Sommer 1952 war ein Höhepunkt in diesem Prozeß. Mit dem von der Sowjetunion »gebilligten« Beschluß über den Aufbau der Grundlagen des Sozialis mus in der DDR schlug die SED einen Weg ein, der zwangsläufig in die Krise fuhren mußte. Denn der beschlossene Aufbau der Schwerindustrie entzog nicht nur die für den Wiederaufbau anderer Wirtschaftsbereiche notwendigen Kräfte, er degradierte die DDR zu einem Vasallen sowjetischer Wirtschaffsinteressen. Im Gefolge dieser Umwandlungen gingen historisch gewach sene Industriezweige zugrunde; auch zahlreiche mittelständische Unternehmen fielen der neuen Politik zum Opfer. Die Zwangskollektivierung der Bauern brachte schmerzhafte Veränderun gen auch in der Landwirtschaft mit sich, so daß die Belastungen für die ohnehin angespannte Situation - zu den Reparationszahlungen kamen die Integrationspflichten für mehr als vier Millionen Heimatvertriebene - immer mehr anwuchsen. Besonders schwer wog die sowjetische Forderung nach »nationalen Streitkräften« im Zusam menhang mit der Auflösung der Sowjetischen Kontrollkommission im Mai 1953. Die Gelder dazu waren im Fünf-Jahr-Plan nicht vorgesehen und sollten auf »Empfehlung« der UdSSR aus den Sozialfonds abgezweigt werden. Im Frühjahr 1953 sank der Lebensstandard der Be völkerung auf Nachkriegsniveau, die Zahl der Republikflüchtlinge erreichte Rekordhöhe (ca. 250 000 im ersten Halbjahr 1953), die Geburtenzahlen sanken. Die Akten der SED-Bezirks- und Kreisleitung Dresden, die für die vorliegende Arbeit aus gewertet wurden, sind in sich verworren und trotz ihres Umfangs wenig informativ. Sie er schöpfen sich in einem bis zur Absurdität gesteigerten Leerlauf politischer Diskussionen und Berichte zu vorgegebenen, an sowjetischen Maßgaben orientierten Themen. Die Art, wie aktuelle Probleme ausgeklammert wurden, legte einen tiefen Wesenszug des neuen politischen Systems bloß: die in zentral gesteuerten Machtstrukturen begründete Spaltung zwischen