20 Artur Dänhardt DER SUPRAPORTENSTREIT IN DER AUSEINANDERSETZUNG UM DEN SOZIALISTISCHEN REALISMUS DER 50ER JAHRE IN DRESDEN Wir achten noch heute den Mut, den eine Gruppe von acht Malern, die sich Der Ruf nannte, auf brachte, indem sie schon 194-5 in der Trümmerstadt Dresden eine Kunstausstellung zeigte. Ihr Kritiker 1 hatte Verständnis dafür, daß die Maler nur bringen konnten, "was ihnen erhalten geblieben" war und damit auch "nur tastend den Weg andeuten, den sie zu gehen gedachten." Doch er fügte die Hoffnung hinzu, daß die Künstler künftig "den Kontakt zu den Gefühlen und dem Erleben des Volkes besser finden würden. Mit diesem Satz war ein Signal gestellt, das der Kunst auf ihrem weiteren Weg dienen konnte. Auch der Dresdner Supraporten-Streit - zehn Jahre danach - liegt auf diesem Wege. Als Teil der Auseinandersetzung um die sozialistisch- realistische Kunst spiegelt er das Ringen um ein neues Kunstverständnis und Kunstverhältnis wider und ging daher nicht nur die Künstler, sondern auch die Ganzheit unserer sich neu ordnenden Gesellschaft an. Das Verständnis dieser Auseinandersetzung verlangt die Beachtung der 1945 entstandenen hi storischen Situation. Die Zerschlagung des Faschismus war nicht nur das Ende irgend einer schlech ten Regierung, sondern das Ende eines gesellschaftlichen Systems. Dadurch wurde der Aufbau einer grundsätzlich neuen Ordnung notwendig und möglich, was folgerichtig den gesamten Kulturbereich, also auch die Kunst, einbezog, - wobei Kunst nicht nur als Äußerung menschlicher Schöpferkraft, sondern auch als Mittel zur gesellschaftlichen Entwicklung zu verstehen war. Wurde damals die Ausmerzung alles faschistischen Ideengutes aus der Kunst durchweg begriffen, so weit weniger, daß sich zugleich Folgen für den Auf bauprozeß ergaben. Viele Künstler meinten thematisch wie formal, dort an knüpfen zu können, wo sie 1933 aufgehört hatten. Die Kunst auch als "Mit tel" zu begreifen, verlangte ein Uralernen der Künstler und letztlich auch des Publikums. Dabei war unter "Publikum" künftig nicht mehr die frühere bürgerliche Bildungsschicht, sondern das Volk in seiner Ganzheit zu ver stehen. Insbesondere die Arbeiterklasse mußte lernen, sich - mit allen Rechten und allen Pflichten - als Partner der Künstler zu begreifen. Die erste Orientierung auf diesem Wege gab die 1. Zentrale Kulturtagung der KPD (Februar 1946) durch Wilhelm Pieck und Anton Ackermann: "Die Kunst dem Volke! Das soll kein bloßes Schlagwort mehr sein!"^ und sie muß "ihrem Inhalt nach sozialistisch, ihrer Form nach realistisch sein."^ Doch wäre damit keine bestimmte Kunstrichtung vorgeschrieben, und die Entwicklung der neuen Kunst würde lange Zeit brauchen. Dieser Zusatz schloß künftige Kom mentierungen und Auseinandersetzungen als selbstverständlich ein. Doch