11 Das »monistische System«, das Schuch in der Oper errichtet hatte, erregte Anfang der neunziger Jahre in der Öffentlichkeit ziemlichen Widerspruch. Sogar die Regie rungszeitung glaubte es rügen zu müssen. Merkwürdigerweise scheint es innerhalb des Ensembles und der Kapelle keinen Widerstand gegeben zu haben. Gewiß, Schuch war, nach allem was wir wissen, ein Diktator, der keine Götter neben sich duldete, aber er war offenbar ein Diktator mit immenser Überzeugungskraft, einer, dem man glaubte, daß es ihm immer um die Kunst und nie um persönliche Eitel keiten ging. »Es hieße, nur Bekanntes wiederholen, wenn ich von dem großen Schwung und der außergewöhnlichen Tat kraft berichten wollte, die Herrn von Schuch bei der Aufführung beseelt. Nur wenige aber mögen das gewaltige Maß der Kleinarbeit kennen, die Herr von Schuch den Proben und der Vorbereitung des Werkes widmet. Hier nahm er keine Rück sicht, weder auf die Mitwirkenden noch auf sich, und mit eisernem Willen steuerte er auf das Ziel der vollkommenen Aufführung hin. So darf er von seinen Künstlern das Höchste verlangen, weil er für sich keine Schonung kennt und nur das Eine im Auge hat, jede Aufführung zu einem großen künstlerischen Ereignis zu gestalten.« (Kammersängerin Marie Wittich.) Vielleicht hat man im Hause ja gespürt, daß die Machtkonzentration in den Händen Schuchs wesentliche Voraussetzung für die künstlerischen Höhenflüge dieser Ära war. Sicher pflegte Schuch den Stil eines »lebendigen Konservatismus«, wie er für die Hofoper charakteristisch war. Die Betonung muß dabei wohl auf »lebendig« gelegt werden. Wenn auch allzu Avantgardistisches ausgespart blieb, der Einsatz für Neues bleibt imponierend. Die Reihe der von Ernst von Schuch »künstlerisch verantworteten Dresdner Ur- und Erst aufführungen ... zählt 123 Bühnentitel auf... Das fasziniert natürlich!« (Horst Seeger) Es bedeutete wesentliche Erweiterung des Dresdner Spielplans. Daß Schuch bei seiner Novi- täten-Politik Irrtümern erlag, seine ganze Kompetenz für periphere, längst vergessene Werke einsetzte, ist ihm nicht zum Vorwurf zu machen. Wann hätten je Zeitgenossen in Zeitgenossen immer das ganz Große erkannt. Schuch hat häufig genug mit seinen Ein schätzungen richtig gelegen (nicht nur bei Strauss) und so Dresden zu dem Ruf verholfen, ein »Dorado für Uraufführungen« zu sein. Georg Erler, Karrikatur des Dirigenten 1910