21 dabei kunstvolle Gebäude, ausgewogen gegliedert und proportioniert, mit Traditionsbe zügen. Keinesfalls in einem eklektisch-historisierenden Sinn klingen z. B. Ausdruckswerte des 18. Jahrhunderts gleichsam spielerisch an und beweisen die Möglichkeit behutsamer Barockrezeption. Die Idee des Gesamtkunstwerks verkörperte der Neubau des »Italieni schen Dörfchens«, für dessen Außenplastik Georg Wrba und Innengestaltung u. a. Otto Gußmann, Paul Perks, Paul Rößler und Paul Groß sorgten. Für Fritz Löffler war dies »die vollendetste Gemeinschaftsarbeit der Dresdner Schule um 19IO«. 1 ’ 1 Interessant sind die Parallelen zwischen Baukunst und Bildkunst. Sinn für Atmosphäre, Ausgewogenheit sowie architektonische Klarheit zeigen nicht nur die bekannten Veduten Gotthard Kuehls, sondern ebenso, wenngleich an anderem Sujet, die Malereien von Ferdi nand Dorsch, Max Feldbauer, Otto Gußmann, Carl Bantzer oder Robert Sterl. Analog zu den angesprochenen Reformbestrebungen wird einer Kultivierung der Sinne und des Emp- findens nachgegangen. Häufiges stilistisches Mittel dieser sensualistischen Haltung war dabei ein von der Farbfeier des Impressionismus ausgehender, Rigoroses allerdings ausklam mernder, auf Ausgleich bedachter, feinnerviger Kolorismus. Der Lebensraum des Städters wurde visualisiert: im Bildnis, im Landschaftsstück, in opulenten Stilleben und Interieurs, in einfachen städtischen Szenen. Anregung boten die Stadt selbst, ihre Umgebung, sowie das Musik- und Theaterleben. Es ist hervorzuheben, daß Heroisches und geschichtlicher Pomp, die sogenannten großen Themen, in diesen Malereien keinen Platz haben. Viel mehr wurden eher »anspruchslose« Motive, die durch Sezession und Pleinairisten zu Anse hen gebracht waren, bevorzugt und vor allem malerisch bewältigt. So entstand eine Kunst, die in ihrem Grundton weder entschieden sentimental noch von sozialkritischer Schärfe war. Man kann diese unaufgeregte »Kunst der Mitte« bedauerlich finden oder ob ihres affirmativen Gepräges ablehnen. Ihre zum Programm erhobene ästhetische Qualität hebt sich jedoch massiv von den eklektizistischen, bieder-befangenen wie auch anmaßend protzigen Bildangeboten der vorigen Generation ab. Besonders durch das Wirken Kuehls, Bantzers und der Sezessionisten wurde die Grundlage einer koloristisch motivierten, kulti vierten Malauffassung geschaffen. »Nach dieser Zeit entwickelte die Dresdner Malerei sich immer fortschrittlicher im Sinne des jeweiligen Zeitgeschmacks« l0> , meinte Woermann, wobei man sich nicht sicher sein kann, ob diese Einschätzung nur uneingeschränkte Aner kennung enthält. Jedenfalls ermöglichte eine breite, solide Basis auch avantgardistische Aus brüche oder radikalere, formal zugespitzte Bildprogramme (»Brücke«-Kunst, Zweite expres sionistische Welle, Verismus, konstruktive Strömungen). Die künstlerische Physiognomie der Stadt wurde geprägt durch die Kunstschaffenden selbst, aber auch durch Ausstellungsunternehmungen und Galerien sowie durch liberale Kunstbe richterstatter (z. B. Paul Fechter, Paul Schumann, Otto Sebaldt, Alfred Günther, Herr mann Hieber). Sie besprachen regelmäßig das Dresdner Kunstleben und deren Ereignisse, begleiteten es auch kommentierend. Je nach Art und Adressatenkreis des Publikationsor gans waren Aufgeschlossenheit und Kritikfähigkeit graduell verschieden. Die bildenden Künstler hatten sich in unterschiedlichen Zusammenschlüssen organisiert. Die Künstlervereinigung Dresden gründete sich 1910 unter dem Vorsitz von Georg Wrba.