23 Schon früher, 1902, hatten sich ehemalige Kuehl-Schüler mit ehemaligen Sezessionisten des »Goppelner Kreises« zu den »Elbiern« zusammengeschlossen. Maler wie Fritz Beckert, Arthur Bendrat, August Wilckens, Johannes Ufer, Otto Altenkirch, Walter Friederici oder Walter Besig, »verschieden nach Fierkunft und künstlerischem Charakter, fanden sich unter Ferdinand Dorschs Führung in dem offenen Bekenntnis zu der Malerei des freien Lichtes, der Luft, zur Abkehr vom braunen Ton und aller Galerie- und Atelierproblema tik«. 13 ’ Die Bildhauer Walter Sintenis und Otto Pilz schlossen sich an, als Gäste nahmen z. B. Hans Unger und Selmar Werner an den Ausstellungen teil. Am Anfang, wie 1902 in »Schuhes Berliner Salon«, errangen die »Eibier« erhebliche Aufmerksamkeit. Später trat in der auf heimatliche Sujets orientierten Kunst eine Ermattung ein. Das Kunstleben und ebenfalls die Ausstellungspraxis in Dresden durchlief Höhen und Tiefen. So kam es beispielsweise 1912, zur Großen Dresdner Kunstausstellung, zu einem Eklat - ökonomisch, künstlerisch, konzeptionell. Jedoch der Kritiker Sebaldt vertraute auf den kraftvollen, lebensfähigen Nachwuchs und konstatierte: »Es gärt und wogt noch im Kunstleben unserer Stadt.« 14 ' Trotz aller Einschränkungen, was die künstlerische »Modernität« angeht, spiegelt die Dres dener bildende Kunst um 1910 den grundsätzlichen Geist der zeitparallelen Reformbewe gungen wider. In den zahlreichen Stilleben, Blumenstücken, Interieurs, Architekturbildern und Landschaften spricht sich ein feines Einfühlungsvermögen aus, eine gelassen feierliche Freude an elementaren Phänomenen wie Licht, Luft, Bewegung. Dabei werden impulsiv überwältigende sinnliche Eindrücke gedämpft und zu leichten, flutenden, ästhetisch gedie genen Bildschöpfungen transformiert. Auch Porträts gibt es viele. Bemerkenswert an den »Damenbildnissen« ist, daß die Frau symbolhaft als das Bezaubernde, Schöne, Grazile ge sehen wird und nicht mehr, wie im fin de siecle, als dämonisches Wesen. Sicherlich, immer wieder sind auch Parklandschaften, zwanglose Gesellschaften, glanzvolle Stadtansichten oder festliche Räume malerisches Thema. Präzises Erfassen von Stimmun gen bedeutet mehr als wesenhafte Charakteristika, Empfindung ist wichtiger als die zeitbe zogene, gar kopflastige Reflexion. Konzilianz findet sich statt Biß, Harmonie statt analyti scher Schärfe. Bilder - wie die von Dorsch -, deren berechtigte thematische Grundlage Lebensfreude ist, sind von Natur aus wenig reibungsvoll und gelten deshalb rasch als über lebt. Schnell wird das aus ihnen sprechende Ethos vernachlässigt und eine geringe künstle rische Innovationskraft attestiert. Aber eben das Entzücken an schwungvoller, heiterer Form, an Eleganz auch, das Aufgeschlossensein für die Schönheit von Körpern, Farbklängen und Lichtwirkungen im Sinn einer »Farbenmusikalität«, ist Ausdruck für die Sehnsucht nach Ausgewogenheit und Lebensfreude. Sicher beeinflußte diese Haltung in Dresden eine »gewisse Selbstzufriedenheit, entstanden aus dem Bewußtsein der großen Tradition«. 15 ’ Dieses Einverständnis war aber auch das Ergebnis einer spezifischen Realitätswahrneh mung. Insgesamt korrespondiert der breite Kunststrom in Dresden auffällig mit dem Ideal der Avantgarde und der Reformbewegung, einen rhythmisch-harmonischen F,inklang mit der Natur zu erreichen. Nur, man näherte sich dem Ziel, Kunst und Leben zusammmen- zuführen, von anderen Positionen her und auf anderen Wegen.