41 Heidrun Laudel o Dresdner Architektur vor dem Ersten Weltkrieg unter dem Vorzeichen der Reformbewegung Die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ist von den Zeitgenossen als hoffnungsvoller Aufbruch empfunden worden. Stefan Zweig beschreibt in seiner »Welt von gestern«, welch ungeheuerliches Ereignis das kulturelle Leben Wiens um 1900 bestimmt hat. In einer Stadt, in der bislang nur Bestand hatte, was von Würde und lange Jahre gereifter Erfahrung zeugte, bricht mit einem Male ein ganz junger Mann in das so festgefügte Kul turleben ein: Hugo von Hofmannsthal, ein begnadeter Dichter, der noch Gymnasiast ist, aber dessen Sprache und gedanklicher Reichtum alles und alle übertrifft." Und was hier in Wien vorgeht, das ist auch anderenorts zu beobachten. In München betitelten die jun gen Künstler, die sich von der Akademie gelöst hatten, die von ihnen herausgegebene Zeitschrift mit »Jugend«. Das Wort hatte damals einen besonderen Klang. Es stand für eine Generation, die willens war, die eingefahrenen Gleise zu verlassen und schwungvoll unbekümmert einen neuen Anfang zu wagen. Zeitweilige kulturpessimistische Strömun gen, wie sie in Kreisen der jungen Intelligenz angesichts der unbewältigten Probleme des modernen Industriekapitalismus zutage traten, schienen zumindestens auf einem Gebiet wie weggewischt zu sein: auf dem der Architektur und des Kunsthandwerks. Hier tat sich ein Feld auf, das nach tatkräftiger Veränderung verlangte. Der Impuls, der von Eng land ausgegangen war, griff auf den Kontinent über. Es sollte aufgeräumt werden mit den unseligen Surrogaten, die als maschinelle Nachahmung von Handarbeit massenweise auf den Markt geworfen wurden. Wirklich neue Formen sollten den gedankenlos über nommenen historisierenden Stilelementen weichen. Und über das Kunsthandwerk ge dachte man, zugleich auch das bauliche Ganze, die Architektur - sozusagen von innen heraus - zu erneuern. Das ist das Grundanliegen der Reformbewegung, die nun in brei tem Maße Platz griff. Dresden ist eines der Zentren der Bewegung gewesen. Die Stadt hat vor allem durch die hier ausgerichteten zahlreichen Ausstellungen einen besonderen Ruf erlangt. Mit ihnen ist Künstlern aus ganz Deutschland und darüber hinaus die Möglichkeit gegeben worden,