4 war die Landesversicherungsanstalt Sachsen, die auf der Grundlage der Pflichtversiche rungsgesetze aus den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts arbeitete. Sie wurden 1911 als all gemeine Pflicht-Krankenversicherung für alle Arbeitnehmer in Deutschland verbindlich. In diesen Jahren vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges sind auch die großstädtischen Krankenhauskomplexe von St. Georg in Leipzig und Johannstadt in Dresden erbaut wor den, entsprechend kleinere in den Mittel- und Kreisstädten. Das Königreich Sachsen hatte somit dieses Grundproblem der Epoche vorbildlich bewältigt. Seit Markgraf Otto der Reiche im 12. Jahrhundert die Entwicklung des Bergbaus zur Sache der Landesherrschaft gemacht hatte, war innovative Wirtschaftsförderung in Sach sen Regierungsangelegenheit. Diese traditionelle Haltung hat die rasche Ausbildung des Systems der Gesundheitsfürsorge ermöglicht, aber ein wesentliches Moment kam auch der politischen Opposition zu, der sächsischen Sozialdemokratie. Die Übereinstimmung der Interessen belegt die Tatsache, daß schon 1883 in der sächsischen Ständeversammlung ein »Gesundheitsmuseum zur Förderung der allgemeinen Gesundheitspflege im Interesse der vaterländischen Industrie« vorgeschlagen wurde. Diese Idee wurde in der Folgezeit sowohl von dem konservativen Abgeordneten Graf von Hohenthal-Bergen unterstützt mit Hin weis auf den »großen realen Nutzen für die Bevölkerung und namentlich für die ärmere Bevölkerung«, wie auch von dem sozialdemokratischen Abgeordneten Pinkau. 1893 hatte in Sachsen die SPD einen Stimmenanteil von 45,7 Prozent erzielt, bei einem Reichsdurch schnitt von 23,3 Prozent. Von Leipzig aus leiteten August Bebel und Wilhelm Liebknecht die Partei, und diese starke, intellektuell hervorragend gerüstete politische Kraft war von wesentlichem Einfluß auf die Reformkräfte im Land. In Leipzig hatte dies selbstverständlich andere Auswirkungen als in der konservativen Resi denzstadt. Betrachtet man nur den sozialkritischen Anteil im Werk des bedeutendsten Leip ziger Künstlers der Epoche, Max Klinger, so sucht man vergeblich nach einer Dresdner Entsprechung. In der Hauptstadt gab Gotthardt Kuehl den Ton an mit seinem weitläufigen, pariserisch geschulten Impressionismus - kulinarisch und nicht kritisch. Diesem Charakter zuzuord nen sind die Opern von Richard Strauß, die unter Ernst v. Schuch in Dresden glanzvoll uraufgeführt wurden. Aber in Leipzig war schon in den späten 80er Jahren Gustav Mahler erschienen. Er und Klinger waren erste Moderne und übten großen Einfluß aus auf die Entwicklung ihrer Künste im 20. Jahrhundert. Dennoch war auch der noble Kuehl ein Reformer von enormer Wirkung. Als Akademiedirektor führte er den entscheidenden Schlag gegen den überständigen Nazarenismus, den Ludwig Richter und Julius Schnorr v. Carolsfeld hinterlassen hatten, wie auch gegen die nicht minder abgelebten Düsseldorfer Einflüsse. Statt der alljährlichen Akademieausstellungen veranstaltete er seit 1897 interna tionale Kunstausstellungen. Die gesamte europäische Moderne erschien, und dies wurde die eigentliche Akademie für die Architekturstudenten Fritz Bleyl, Carl Schmidt-Rottluff, Ernst Ludwig Kirchner und Ernst Heckei, die 1905 die Künstlergemeinschaft »Die Brücke« bildeten. Dieser Umschlag in antihöfische und antibürgerliche Radikalität war beispiellos in der deutschen Malerei. Parallelen von exakter chronologischer Entsprechung finden sich