Deutsche Werkstätten Hellerau, 1909/10 von Richard Rienierschmid erbaut, Foto um 1912 der Lebensreform — hier findet er sie, und er ruht nicht, bis im Sommer 1910 Dalcroze für Hellerau gewonnen ist. Mit ihm kommt der Schweizer Theaterreformer Adolphe Appia, dem der neue Tanz langgesuchtes Bindeglied zum angestrebten Festspieltheater wird. Damit haben sich die wichtigsten Köpfe für das Reformprojekt gefunden. Hellerau ist eine Vision von Europa. Mit Dalcroze habe eine Ära der Güte, mit 1 essenow eine Ära der Nützlichkeit begonnen, urteilt Le Corbusier, seit 1910 mehrfach Gast in Hellerau und kurzzeitig Mitbewerber um den Bau des Dalcroze-Instituts. Die Pläne dafür liefert dann Tessenow bis Jahresanfang 1911. Im April ist Grundsteinlegung, im Herbst wird ein Seitenflügel, im Frühjahr darauf schon das fertige Gebäude bezogen, das in seinen kla ren geometrischen Formen die Fachwelt sofort fasziniert. Das Dalcroze-Institut für künst lerische Gymnastik wird zum Zentrum der Gartenstadt und Appias und Tessenows büh nenloser Saal mit seinen beweglichen Podesten zum Experimentierfeld des modernen Theaters. Konsequent wird in Hellerau der menschliche Körper als ursprüngliches Aus drucksmittel wiederentdeckt, werden Alexander Salzmanns gestaltetes Licht zur Raumstei gerung und das Festspiel zum neuen Miteinander von Akteur und Zuschauer genutzt. Tanz und Rhythmus traut man erstaunliche Veränderungen am verdorbenen Menschen zu. »Die Harmonisierung gegensätzlicher Muskelbewegung gibt dem Geiste Ruhe«, sagt Dalcroze. Innerhalb von zwei Jahren hat sein junges Institut 500 Schüler aus 14 europä ischen Ländern und unterhält Zweigstellen u. a. in Moskau, London, Paris, Amsterdam. Eine Leistung, die weltweit überzeugt. Glanzpunkt dieser sinnlichen Arbeit sind die Fest spiele der Schule von 1912 und 1913. Glucks »Orpheus« und Paul Claudels »Verkündi-