76 Neuerscheinungen zur Dresden-Literatur Klaus-Peter Arnold Vom Sofakissen zum Städtebau Die Geschichte der Deutschen Werkstätten und der Gartenstadt Hellerau Verlag der Kunst, Dresden - Basel 1993 ».Bücher haben ihre Schicksale« - dieses geflügelte Wort bedient nicht das Klischee berech nender Schmeichelei. Denn der voluminöse Band hat es wahrhaft nicht leicht gehabt, nun endlich zu erscheinen, nach den Verlagsirritationen der letzten Jahre, in denen der Autor gar seinen wissenschaftlichen Arbeitsbereich gewechselt hat. Aber das lange Zeit vergebliche Warten hat sich gelohnt! Dr. Klaus-Peter Arnold beschreibt in dieser Monographie minu tiös das, was die Errichtung der berühmten ersten deutschen Gartenstadt Hellerau ausgelöst hat: die Deutschen Werkstätten des sensiblen, ideenreichen und sozial orientierten Hand werkers Karl Schmidt (1873-1948) in der mustergültigen Fabrikanlage des Architekten Richard Riemerschmid. Dies zu betonen scheint wichtig, denn die derzeitigen Wiederbele bungsszenarien der kulturellen Prägekraft orientieren sich vornehmlich auf das Festspielhaus, auf dessen ruinösem Gelände die Performance-Kunst Einzug gehalten hat und die einstige’ rhythmische Methode des genialen Erziehers Emile Jaques-Dalcroze in eine eher sekundäre Position abzudriften scheint. Aber die ehrgeizige Aufgipfelung zu einer europäischen Metro pole der Lebensreform durch Tessenows baurevolutionäre Tat war nur auf den Fundamen ten möglich, die zuvor vorbildhaft gesetzt werden konnten. Und diese Fundamente dominieren in Arnolds peniblen Forschungen, es dauert schon bis zur Seite 93, ehe Schmidt das sandige Terrain im Weichbild Dresdens entdeckt und an eine luftig-menschliche Siedlung für seine Arbeiter denken kann. Bis dahin leistet der Ver fasser eine verdienstvolle Kleinarbeit, der Leser wird Zeuge des kreativen Werdens von Karl Schmidt in einem Dresdner Vorort, das zu einem ranghohen Lebenswerk, einer Menta litätsgeschichte des Umganges mit geformtem Holz gedeiht. Der Unternehmer ließ seine Arbeiter so gründlich ausbilden, daß sie sich in die Tätigkeit selbst bildhauerisch-plastisch einbringen und keine Formen-Fremdheit sie überwältigen konnte. Die Achtung der Per sönlichkeit galt als unverzichtbar auf dem Wege zu einem experimentierfreudigen Wollen gegen nivellierendes Beharren. Die Glanzzeit der Werkstätten wird von einer opulenten Fotodokumentation getragen, und vielleicht hat der Dichter-Seismograph unseres Jahrhun derts, Franz Kafka, der Hellerauer Möbelkunst das höchste Lob gespendet, indem er sie als »menschlich anständig« bezeichnete; in der Betrachtung kann man es nachvollziehen. Im zweiten Teil breitet der Verfasser ebenso kenntnisreich das Werden der Gartentadt aus, interpretiert die unterschiedlichen Architekten-Handschriften, die zur gestalterischen Harmonie finden, »Hellerau als Ort geistiger und kultureller Sammlung«, die Bildungs-