Das zweite Dresdner Hoftheater, Zuschauerraum vor 1945 per in seinen Innenräumen die farbige Pracht im Aufstieg zu den oberen Vestibülen, läßt sie im oberen Rundfoyer festlich verströmen, um sie im Zuschauerraum wieder zurückzu nehmen, denn hier soll die sublimierte Zartheit von Formen und Farben das eigentliche Augenmerk auf das Geschehen auf der Bühne richten. Diesem Ziel eines poetischen Gan zen werden auch die bildenden Künste untergeordnet. Die Strukturen dieser Ganzheit sind analog zu Strukturen eines Theaterstücks, eines Dramas, einer Symphonie des 19. Jahrhun derts nicht zu beschreiben, denn die angewandten „Codes” sind nicht dramatischer oder musikalischer, sondern eben architektonischer Art. 121 Analog aber bleibt die Absolutheit der ästhetischen Humanisierung als Ziel des Kunstwerkes, ähnlich die Überzeugung, daß Kunst menschliche Konflikte darzustellen und zur ästhetischen Lösung zu führen habe, vergleich bar die dissonante Leitmotivik einzelner Strukturelemente, die nur noch unter Aufbietung lautstark vorgetragener historisierender Kräfte zusammengehalten werden. Die immer wie der versuchte soziologische Interpretation dieser Architektur als bloßes Einschwenken auf re aktionäre Zeittendenzen erscheint unzureichend. 131 Wer die neuen und tieferen, uns näher stehenden Erfahrungen über Menschsein im Spätwerk Sempers gegenüber Schinkel über sieht, hat die modernistische Brille, mit der auch die Kunsthistoriker seit 1900 das vergan gene Säkulum betrachtet haben, noch immer nicht abgelegt. Wie alle Werke Sempers beschränkte sich sein zweites Hoftheater aber nicht auf sich selbst, es bezieht sich auf städtebaulich Vorhandenes und will Städtebau formieren. Indem Semper