16 Walter May Dresdner Repräsentativbauten 1871-1918 0 Aus der Vielzahl von Bauten mit Repräsentationsanspruch werden hier diejenigen als Repräsentativbauten herausgegriffen, durch die nicht nur ein Einzelner oder eine Gruppe, sondern das gesellschaftliche Ganze, sei es als Stadt oder als Staat, vertreten werden soll. Re präsentativbauten in diesem Sinne sind staatliche und städtische Gebäude von besonderer Be deutung, bei denen es sich zumeist um eine für die Stadt oder den Staat unikale Einrichtung handelt. In dieser Hinsicht spielt für die Residenz- und Hauptstadt des Königreiches Sach sen die Repräsentation des Staates, der konstitutionellen Monarchie, die durch den Hof, die Legislative und die Exekutive verkörpert wird, die herausragende Rolle. Glanzvoller Auftakt der seit 1871 entstehenden Repräsentativbauten war Gottfried Sempers zweites Hoftheater (1871 — 1878), ein Bauwerk der Neorenaissance und als solches nicht un gewöhnlich für die Dresdner Architektur, die seit Sempers Wirken in der Stadt und dann vor allem unter dem Einfluß Hermann Nicolais, Sempers Nachfolger an der Akademie, un beschadet der unterschiedlichen Handschrift beider Architekten durchgehend an der Renais sance orientiert war. Nicolais Formensprache war zarter und flächenhafter als die Sempers, aber Nicolai war auch kaum Gelegenheit zur Gestaltung von Monumental- oder Repräsenta tivbauten gegeben worden. 11 So war die Dresdner Repräsentativarchitektur der drei letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts dadurch gekennzeichnet, daß die in starkem Maße durch Ni colai und seine Schule geprägte ausgewogene und zurückhaltende Gestaltungsweise zu einer monumentaleren Erscheinung strebte. Der zeitgleich mit dem Neubau des Hoftheaters von dem Oberlandbaumeister Karl Moritz Haenel vorgenommene Umbau des ehemaligen Stall- und Galeriegebäudes zum Museum Jo- hanneum (1872-1876) war davon noch nicht berührt. Haenel, 1809 geboren und noch un ter Sempers Vorgängern Siegel und Thürmer Schüler der Dresdner Akademie, blieb bei die sem Bau, der, anders als das Theater, offensichtlich ein Teil des Schloßkomplexes und damit dem höfischen Bereich enger zugeordnet war, der flächigen, zurückhaltenden Renaissancere zeption treu, wie sie, als Putzfassade ausgeführt, für die Dresdner Architektur zwischen 1840 und 1870 charakteristisch war. Demgegenüber zeigte zur selben Zeit das 1872-1875 nach dem Entwurf von Rudolf Heyn am Bismarckplatz erbaute Polytechnikum die Richtung der sich nach 1870 in Dresden vollziehenden Entwicklung an. Heyn gehörte zu der Architekten generation, deren akademischer Ausbildung Sempers Tätigkeit in Dresden unmittelbar vor ausgegangen war. Sein Bau reflektiert deutlich das Vorbild Sempers, doch verglichen mit des sen Züricher Polytechnikum (1858-1864) überwiegt auch bei Heyn das Gefällige immer noch das Monumentale. Diese Abschwächung des Monumentalen bleibt bezeichnend für die