11 Walter Fellmann Friedrich II. und Heinrich Graf Brühl Eine kleine Episode charakterisiert treffend das Verhältnis zwischen dem umstrittenen sächsi schen Premierminister Heinrich Graf Brühl (1700-1763) und Preußens König Friedrich II. (1712-1786): Der seit Ausbruch des Siebenjährigen Krieges mit dem sächsischen Hof in War schau lebende Brühl will am 7. April 1761 an einem Essen beim polnischen Generalpostmei ster Marschall von Bieberstein teilnehmen. Als er in die Diele tritt, explodiert im Ofen des Speisesaals eine Bombe; Bieberstein wird verletzt, seine Gäste kommen mit dem Schrecken davon. Die Vermutung liegt nahe, daß das Attentat auf Brühl zielte, die Bombe nur zu früh zündete. Doch wer steckt hinter dem Anschlag? Der preußische Legationssekretär Benoit erkundigt sich aufgeschreckt am 18. April 1761 bei seinem König, wie er sich verhalten solle, wenn man ihm, der schon in die Spionageaffäre Menzel verstrickt gewesen, die Tat anlaste? 11 Friedrich II. beruhigt ihn, das Attentat könne nur »von einem elenden polnischen Subjekt ausgehen, davon sei jeder anständige Mensch überzeugt«. Es kommt ganz anders: Benoit wird nicht verdächtigt, auch kein »polnisches Subjekt«, sondern er, der Preußenkönig. Man weiß in Warschau um die Feindschaft zwischen ihm und Brühl, und sofort kommt die Meinung auf, der Anschlag gehe von Friedrich II. aus. Ihm traut man das ohne weiteres zu! Er reagiert ent rüstet, bestreitet jedwede Beteiligung, wohl zu Recht, nur bleibt der Verdacht, den Bomben leger bestellt zu haben, an ihm haften, und dagegen ist der mächtige König machtlos. Friedrich II. und Brühl haben wenig miteinander gemein. Sie sind beide schlechte Reiter, und sie haben beide nichts für die Jagd übrig, den Lieblingssport der Fürsten. Damit erschöpft sich die Übereinstimmung. Brühl hat kein Verständnis für einen asketischen Arbeiter und rücksichtslosen Militär wie Friedrich II., er ist ein Salonmensch, Genuß und Prunk zugetan. Gefechte liebt er durchaus, doch geistige, nicht militärische. Er zeigt für die Mehrung der Kunstsammlungen grö ßeres Verständnis denn für die Mehrung der Rüstung. Bei einem Gegenspieler wie Friedrich II., der mit eisernem Besen regiert und den Krieg im Blut hat, sind seine Chancen gering. Mangelnde Harmonie erklärt jedoch nur bestimmte Verhaltensweisen: Die Feindschaft zwi schen beiden ist personifizierter sächsisch-preußischer Gegensatz. Brühl ist der Minister eines Landesherrn, der die Kunst liebt und die Jagd, den anstrengenden Regierungsgeschäften aber aus dem Wege geht. Brühl sieht sich berufen, das Erbe Augusts des Starken zu hüten, den Glanz des Dresdner Hofes, die Union mit Polen. Dabei überschätzt er seine Möglichkeiten als Minister, und vor allem unterschätzt er die von den erstarkenden Nachbarstaaten für Sachsen ausgehenden Gefahren. Den »Umsturz der Bündnisse« sieht er kommen, früher als andere,