29 Helen Watanabe-O’Kelly Joseph und seine Brüder: Johann Georg II. und seine Feste zwischen 1660 und 1679 Wenn man ein Jahrzehnt zu benennen hätte, in dem die europäische Festkultur der Barock zeit ihren Höhepunkt erreichte; so wäre es das der sechziger Jahre des siebzehnten Jahrhun derts. Ludwig XIV. feiert die Geburt eines Thronfolgers in Paris im Jahre 1662 mit einem großen Turnier und unterhält seinen Hof 1664 mit dem berühmten dreiteiligen Fest, Les Plaisirs de l’isle enchantee. Cosimo III de’Medici führt 1662 anläßlich seiner Hochzeit ein glanzvolles Roßballet in Florenz auf. Ferdinand Mariä von Bayern feiert die Geburt eines Erben im gleichen Jahr in München mit einem Gesamtkunstwerk, das aus Oper, Turnier und Feuerwerkdrama besteht. Der Herzog von Modena veranstaltet ein brillantes Turnier und Roßballet 1660 bei der Geburt seines Erben und Leopold I. feiert seine Hochzeit mit der spanischen Braut 1667 in Wien mit der meistbeschriebenen Festlichkeit des Jahrhun derts überhaupt. Auch Sachsen erlebt in diesen Jahren eine ähnliche Glanzzeit, die erst im frühen achtzehnten Jahrhundert unter August dem Starken übertroffen wird. Inaugurator ist Johann Georg II. (1613-1680). 1656 wird nach dem Tode seines Vaters Kurfürst und regierender Herzog von Sachsen. Während der sechziger und siebziger Jahre baut er sein Herzogtum und seine Residenz Dresden wieder auf, eine Aufgabe, die nicht nur der fürstlichen Repräsentation diente, son dern nach dem großen europäischen Krieg bitter nötig war und die natürlich auch die Wirt schaft der Nachkriegszeit ankurbelte. 1 Wie bei den übrigen europäischen Herrschern seiner Zeit ist er bei dem sächsischen Herzog die höfische Festkultur ein wichtiges Element bei der Sicherung seiner Macht und der Expansion seines Hofes. Bei ihm tritt jedoch die kompli zierte Familienpolitik der Albertiner noch hinzu, denn Johann Georg benutzt die Feste am Hof, um seine Position gegenüber seinen Brüdern herauszustreichen und seine dynastische Stellung zu untermauern. In der Auswahl der verwendeten Motive spielt, wie wir sehen werden, die Familienpolitik eine wichtige Rolle. Johann Georg knüpft zugleich an die bereits hoch entwickelte sächsische Festtradition an, fügt ihr aber wichtige Neuerungen, die aus Italien stammen, hinzu. Dadurch stellt er die Festkultur Sachsens auf eine Stufe mit. den anderen, obengenannten Höfen und legt das Fundament für die Feste seines Enkels, Augusts des Starken, des späteren Königs von Polen. 1656 tritt, wie bereits erwähnt, Johann Georg II. die Regierung an und herrscht bis zum Jahre 1680. Um seinen Hof auf ein internationales Niveau zu heben, errichtet er mehrere Gebäude, die der Festkultur dienen: 1667 das Opernhaus, 1673 das Schießhaus, 1677 das Reithaus mit angrenzender Rennbahn. Im Jahre 1660 veranstaltet er das erste in einer Reihe von großen Festen, die in regelmäßigen Abständen bis zu seinem Tode stattfinden, und in denen bestimmte Themen und Motive immer wieder erscheinen, so daß sie ein zusammen hängendes Ganzes bilden.