Karlheinz Blaschke Hof und Hofgesellschaft im Königreich Sachsen während des 19. Jahrhunderts Der sächsische Hof war im 19. Jahrhundert eine festgefügte, von einer langen Tradition geprägte Institution ebenso wie der staatliche Behördenbau, die Armee und die Landeskir che 1 . Er bestand unabhängig von den persönlichen Vorstellungen der Herrscher, er war jedem von ihnen vorgegeben und erwies sich im Wandel der monarchischen Persönlichkeiten als ein unwandelbares Element. Von diesem oder jenem Kurfürsten oder König läßt sich wohl den ken, daß für ihn das Hofleben keine reine Freude war und er gern darauf verzichtet hätte, aber der Zwang der Institution stand als Pflicht vor ihm und forderte das Eintreten in eine Tradi tion, die unabweisbar war. Vielleicht ist es nicht ganz abwegig die Frage zu stellen, ob nicht die deutschen Fürsten im 19. Jahrhundert, was ihre Einbindung in das höfische Leben angeht, Opfer ihres eigenen Systems waren, eines Systems nämlich, das in seinem hierarchischen Auf bau zu seiner Verkörperung eine personale Spitze ebenso wie ein ausgeprägtes Zeremoniell brauchte. Damit die höchste Person immer wieder repräsentiert und das Zeremoniell immer wieder zelebriert werden konnte, bedurfte es der Institution des Hofstaates. Der sächsische Hofstaat des 19. Jahrhunderts war das Ergebnis einer jahrhundertelangen Ent wicklung. Er war ein in gewohnten Bahnen eingefahrenes Getriebe, das einen erheblichen Aufwand erforderte, der zu einem guten Teil in der Erhaltung des eigenen Betriebes aufge braucht wurde. Es wäre unzutreffend, den Hofstaat als Selbstzweck zu bezeichnen, denn im Grunde genommen war er doch das Mittel zum Zweck, der Person des Fürsten eine standesge mäße, seiner Würde entsprechende Lebensführung zu ermöglichen. Im Jahre 1819 stand an der Spitze des Hofstaates der Erste Hofmarschall anstelle des sonst amtierenden Oberhofmarschalls 2 . Er war die erste der Oberchargen, zu denen noch der Ober kammerherr, der Oberstallmeister, der Oberhofjägermeister, der Ofierküchenmeister, der Kämmerer, der Hausmarschall und der Hofmarschall gehörten. Alle diese'Chargen waren mit Männern aus dem Adel besetzt. Mit den acht Oberchargen deckte sich nicht ganz die funktio nale Gliederung des Hofstaates, die sich nach dessen praktischen Aufgaben richtete: 1) Das Oberhofmarschallamt, dem auch der Oberküchenmeister, der Hofmarschall und 84 Kammerjunker zugeordnet waren. Es umfaßte eine Amtsexpedition und schloß die Hofärzte, die Hoftrompeter und Hofpauker und eine Anzahl von Lakaien und Dienern ein; 2) Die Oberkämmerei mit einer Amtsexpedition, dem Zeremonienmeister und 111 Kammer herren, bei denen es sich allerdings größtenteils um Titularchargen handelte, die als Geheime Räte, Minister, Gesandte, Offiziere und hohe Beamte ihren Dienst taten. Die königlichen Samm lungen und die öffentliche Bibliothek gehörten ebenfalls in diesen Zuständigkeitsbereich; 3) Das Oberstallamt mit einer sehr umfangreichen Amtsexpedition, dem Reilstall, dem Zug stall, zwei Tierärzten und vielen Handwerkern, insgesamt mehr als 100 Personen umfassend;