63 Albrecht Scholz Jüdische Ärzte in Dresden im 20. Jahrhundert Die Emanzipation der Juden war in Deutschland im 19. Jahrhundert ein schleppender Prozeß. Im Gefolge der Französischen Revolution war es mit dem Dekret vom 27. September 1791 zum ersten Mal in der Geschichte zur bürgerlichen Gleichstellung aller Juden gekommen. Mit Frankreichs Revolutionsheeren hatte sich dieser Prozeß ebenfalls in den Niederlanden, in Bel gien, in Italien und in der französisch besetzten deutschen Region ausgeweitet. Wenn auch mit dem »Edikt betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in dem Preußischen Staate« vom 11. März 1812 eine formale Gleichberechtigung verkündet worden war, der sich Sachsen damals noch nicht anschloß, so waren die folgenden Jahrzehnte von ständigen Rückschlägen begleitet, die die Rechte der Juden erneut einschränkten. Im Gefolge der Reichsgründung kam es 1871 zur endgültigen Gleichstellung der jüdischen Bürger, womit ihnen nunmehr gleichberechtigt Studienmöglichkeiten an den Universitäten offenstanden. Da es bei der universitären Karriere weiterhin Beschränkungen im realen Alltag gab, suchten Juden die sogenannten freien Berufe mit Niederlassungsmöglichkeiten. Medizin und Jura standen hier im Vordergrund. Es gibt eine Vielzahl von Aufstellungen, aus denen ablesbar ist, daß die Juden eine weit höhere Anzahl von Ärzten stellten, als es ihrem Bevölkerungsanteil entsprochen hätte. Eine Analyse aus dem Jahre 1933 belegt, daß der Anteil jüdischer Ärzte mit 16 Prozent innerhalb aller Ärzte wesentlich höher lag als der Prozentsatz der Juden in der Gesamtbevölkerung, der 0,8 Prozent betrug. In Großstädten war die Situation noch ausgeprägter. So gab es in Berlin und Breslau cirka 50 Pro zent jüdische Ärzte. 0 Die Situation in Dresden soll an Hand von Persönlichkeiten gekennzeichnet werden, deren Wirken wichtig für Dresden war und deren Aktivitäten darüber hinaus auf Deutschland aus gestrahlt haben. Um 1900 sind hier der Kinderarzt Arthur Schloßmann (1867-1932) und der Hautarzt Eugen Galewsky (1864-1935) hervorzuheben. Der aus einer wohlhabenden Breslauer Kaufmannsfamilie stammende Arthur Schloßmann ver lebte seine Kindheit und Schulzeit in Dresden, studierte in Freiburg, Leipzig, Breslau und Mün chen Medizin und kehrte nach einer kinderärztlichen Ausbildungsphase nach Dresden zurück, wo er 1893 in Dresden-Johannstadt, im ersten Stock des Hauses Pfotenhauerstraße 26 eine eigene Praxis eröfifnete. 2> Sein besonderes Interesse richtete sich von Anfang an auf das Säug lingsalter. Das Erlebnis der hohen Säuglingssterblichkeit - Sachsen hatte mit etwa 28 Prozent damals die höchste Säuglingssterblichkeit in Europa 31 - und die Beobachtung der sozialen und hygienischen Auslösefaktoren motivierten ihn, daß er seit l.März 1894 aus eigenen Mitteln