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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 01.02.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-02-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190602010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19060201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19060201
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungHohenstein-Ernstthaler Tageblatt
- Jahr1906
- Monat1906-02
- Tag1906-02-01
- Monat1906-02
- Jahr1906
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 01.02.1906
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Dienste mit der Verdienst-Medaille dekorierten An gestellten der königlichen Schiffswerft« richtete er huldvolle Worte und machte keineswegs einen leidenden Eindruck. Um 1 Uhr nahm er in bester Stimmung daS Frühstück in Gesellschaft der Kaiserin- Witwe von Rußland ein. Prinz HanS, der sonst immer bei dem König speist, war diesmal am Erscheinen verhindert. Der König trank wie ge wöhnlich ein Gläschen Portwein, klagte aber dann, daß es ihm in der Brust brenne. ES wurde zu dem im Schlöffe wohnenden Leibarzt Le Maire gesandt, der den auf dem Sofa liegenden König untersuchte, aber den Eindruck eines vorübergehenden Unwohl- seins erhielt. Der Arzt blieb jedoch beim König, da der Puls nicht befriedigend war und der greise Herrscher über brennende Schmerzen in der Brust klagte. Da diese nicht aufhörten, äußerte der König den Wunsch, ins Bett zu gehen; unter Ablehnung jeder Unterstützung begab er sich darauf, vom Leib arzt gefolgt, in sein Schlafzimmer, wo er sich selbst auSkleidete. Während die unruhig gewordene Kaiserin-Witwe im Nebenzimmer verblieb, dessen Tür zum Schlafgemach offenstand, telephonierte Le Maire den beiden anderen Leibärzten, daß dem König nicht wohl sei. Bis 3 Uhr lag der Monarch ruhig in seinem Bett; da hörte die Kaiserin-Witwe, wie er schwer Atem holte; sie eilte in das Gemach und rief sofort den Leibarzt. Bei dessen Eintritt lag der König im Sterben; er hatte dar Bewußtsein verloren und vermochte nicht zu sprechen. Im Ver lauf weniger Sekunden war der Puls ganz unmerk lich geworden, der T o d trat 10 Minuten nach 3 Uhr ohne jeden Kampf ein. Kein Zug des Gesichts veränderte sich. Zuerst erschien am Sterbelager Prinz Hans, darauf Prinz Waldemar und dann das Kronprinzenpaar. Kopenhagen, 30. Jan. KönigFrederick gibt seine Thronbesteigung mit folgendem Aufruf bekannt: „Wir Frederick VIII., König von Dänemark, von Gottes Gnaden usw., tun kund und zu wissen, daß Unser hochgeliebter Vater, König Christian !X. gestern durch einen schnellen, aber sanften und ruhigen Tod zu seinen Vätern Heimberufen worden ist. Wir haben darauf in Übereinstiinmung mit dem Gesetz den Thron bestiegen. Indem Wir somit Unseren hohen und verantwortungsvollen Beruf übernehmen, zu dem der Allmächtige UnS auSersehen hat, ist eS Unser Entschluß, unerschütterlich an der Verfassung Unseres Landes festzuhalten und Unserem gesamten Volke Gerechtigkeit zu gewähren. Wenn das Volk dasselbe Vertrauen zum König haben wird, wie Wir zu Unserem Volke, so wird Gott uns allen Gnade und Segen schenken." Kopenhagen, 30. Januar. Im Folke- thing hielt der Präsident einen Nachruf auf den König Christian, in dem er betonte, daß der König durch Verwandtschaft in einem herzlichen Verhältnis zu vielen Fürstenhäusern gestanden und daß man überall mit Hochachtung zu ihm aufgeblickt habe. — Im Landsthina führte der Präsident aus, die Regierung König Christians habe mit einem großen Unglück für Dänemark begonnen. Auch später seien ernste Jahre gefolgt, die aber dem Lande auch Fort schritt und Entwicklung gebracht hätten. Kön g Christian sei von seinem ganzen Volke geliebt wor- den und habe hohes Ansehen unter den Monarchen der ganzen Welt genoffen. Der Präsident schloß mit den Worten: Indem wir die Erinnerung an den König bewahren, wollen wir die Hoffnung hegen, daß sein Sohn in seine Fußstapfen tret«. Kopenhagen, 30. Januar. Trotz des Regen- wetterS war der Nmalienborgplatz in seiner ganzen Ausdehnung von dichten Menschenmassen besetzt, als sich um 12 Uhr die Flügeltüren des mit rotem Tuch verkleideten alten Portale am Residenzschloß Friedrichs VII. auftaten. Dort erschien Minister- Präsident Christensen, der dar A bleben Christians IX. und die Thronbesteigung Fried richs VUl. proklamierte. Nun trat der neue König in Generalsuniform mit dem Band des ElefantenordenS auf den Altar und hielt eine kurze Ansprache an daS Volk, das in begeisterte Hochrufe auSbrach, während am Residenzpalais die KönigS- standarte emporstieg und von der Marmorkirche und den übrigen Kirchen der Stadt Glockengeläut« mit dumpfen Klängen einfiel. Berlin, 30. Januar. Das „Armeeverord- nungSblatt" veröffentlicht einen Armeebefehl deS Kaisers, wodurch zum Andenken an den König von Dänemark „Meinem sehr geliebten Freunde und Nachbarn zu Ehren" bestimmt wird, daß sämtliche Offiziere der Armee 5 Tage, die der 6. Ulanenregiments, dessen Chef der König war, 3 Wochen Trauer anlegen. Eine Deputation des letzteren Regiments hat an der Beisetzungsfeier teil- zunehmen. Kiel, 30. Januar. Wie hier verlautet, wird der Kaiser sich von hier aus auf einem KriegS- schiffe nach Kopenhagen zu den Beisetzungsfeierlich keiten begeben. London, 30. Januar. Die Königin wird sich wahrscheinlich nach Kopenhagen zur Beisetzung ihres Vaters begeben. Ob König Eduard sich ebenfalls nach Kopenhagen begeben wird, hängt voni Datum der Beisetzung ab, da er zu der auf den 19. Februar angesetzten Eröffnung des Parlaments in London sein muß Die Loge in Rußland. Trotz des energischen Vorgehens der admini strativen Gewalt ist die Kraft der Revolu tionäre in Riga, wohin zahlreiche Führer der Bewegung vom Lande her geflohen sind, noch immer nicht gebrochen. Nachdem kürzlich fünf Mit glieder der Kampforganisation verhaftet worden waren und im Verhör ausgesagt hatten, daß in der letzten Woche zu wiederholten Malen Altentate auf die höchsten Spitzen der Administration geplant und nur zufällig vereitelt wurden, sind diese fünf wich tigen politischen Gefangenen gestern morgen aus dem im Zentrum der Stadt befindlichen Polizeigebäude gewaltsam befreit worden, trotzdem dort eine halbe Kompagnie stand. Auf feiten der Polizei hat eS hierbei mehrere Opfer gegeben. Die Revo lutionäre entkamen unversehrt. „Wolffs Bur." meldet den gleichen Vorfall wie folgt: Dienstag vormittag 8 Uhr drangen in das Lokal der Sicherheitspolizei, in dem schwere po litische Verbrecher gefangen gehalten wur den, eine Anzahl Leute, die anscheinend ein Anliegm Vorbringen wollten. Sie verwundeten den diensthabenden Polizeisergeanten und einen Wacht posten, töteten einen anderen Wachtposten und drangen in die Zellen ein, wo sie fünf wichti gen politischen Gefangenen die Freiheit gaben. Der Angriff, an dem sich auch Frauen beteiligten, ging so unerwartet und schnell vor sich, daß eine Jnfanterieabteilung, die in dem Polizeilokal auf Wache zog, keine Zeit hatte, Hilfe zu bringen. Aus dem Auslaude. Stusstfches Lob Deutschlands. Einen ungewöhnlich sympathischen Artikel über unseren Kaiser und da? deutsche Volk bringt dar bekannte einflußreiche Blatt „NowojeWremja". Sie führt aus: Wenn diesmal scheinbar ohne besonderen Anlaß das Geburlsfest des deutschen Kaisers durch einen be- önderen Aufschwung der deutschen Begeisterung aus gezeichnet gewesen sei, so liege der Grund hierfür darin, daß schärfer zum Bewußtsein gekommen sei, daß auch das Leben der Völker nicht dornenlos sei. Obgleich nichts eine unvermeidliche Gefahr angekün digt habe, klinge doch aus den deutschen Festartikeln hervor, daß jeder auf seinem Platze sei. Alle seien bereit, ihre Pflicht zu erfüllen, alle seien unbedingt durchdrungen von der Selbstaufopferung und Er gebenheit für daS Vaterland, von der Weisheit, der Fürsorge, der Vorsorglichkeit, dem festen Willen und den bewußten Entschließungen der Staatsoberhauptes Deutschlands. Schwerlich sei bei irgend einer anderen Nation ein so fester, ausgeglichener patriotisches Ge fühl vorhanden. Wenn seit den Niederlagen Ruß- landS im fernen Osten Befürchtungen bezüglich der Festigkeit deS europäischen Friedens entstanden, so überraschten sie Deutschland nicht. Die deutsche Armee und Flotte stehen jeden Augenblick bereit, dem Feinde entgegen zu treten. Deutschlands inter nationale Lage ist nicht erschüttert, die Gefahr, zu einer Macht zweiten Ranges herabzusinken, droht Deutschland in keiner Weise. Herrscht nicht in Deutschland, so fragt das russische Blatt, sowie in jedem seiner Vertreter das feste Bewußtsein nicht nur seiner Rechte, sondern auch seiner Pflichten und der strengen Verantwortlichkeit für eine etwaige Ver letzung dieser Rechte und Pflichten? Und ist nicht gleichsam die Krone deS Reichsgebäudes die Gestalt des tätigen, energischen, Willensstärken, sich seiner Entschließungen bewußten Kaisers, der unermüdlich arbeitet, erfüllt von unbegrenzter Liebe und Ergeben heit für die Heimat, ihre Ehre und ihren Ruhm? Wem liegen persönliche eitle Motive ferner? Bei seinen weitgehenden Plänen ist er einzig und allein eingedenk deS StaatSwohls und des Wohles der Untertanen. Kaiser Wilhelm, so schließt der Artikel, kann in der Tat über daS von ganz Deutschland ihm zum Geburtsfeste dargebrachte Vertrauen glück lich sein. Er kann sich in gleichem Grad auf sein Volk verlassen wie dieses sich auf seinen Kaiser. In dieser Einigkeit birgt sich eine unüberwindliche Kraft 3. iMlliche StMXtmSiitteMW am 30. Januar 190«. Anwesend: 21 Mitglieder des Kollegiums und am Ratstische Herr Stadtrat Börner. Vorsitzender: Herr Fabrikbesitzer E. Redslob. Nachdem sich das Kollegium in beschlußfähiger Anzahl eingefunden, eröffnete der Herr Vorsitzende pünktlich um 8 Uhr die Sitzung. Nach der Proto kollverlesung der letzten Sitzung berichtete Herr Vor steher Redslob über den 1. Punkt der Tages- ordnung Keuntnisnahmen. Seitens der Herren Lehrer der obligatorischen Fortbildungsschule gelangte ein Dankschreiben für gewährte Gehaltserhöhung zur Verlesung: Ferner nahm das Kollegium Kenntnis s) von der Besetzung der neuen Schutzmanns stelle, die Herrn Friedrich Paul Lenke aus Rödlitz übertragen morden sei; b) von der Genehmigung des EnUassungs- gesuchs des zum Gemeindevorstand in Neustadt ge wählten 1. Kassenbeamten, Herrn Buchhalter Geißler, und von der Wahl deS Steuerbuchhalteis Herrn Mendt zum Hauptkassenbuchhalter, während die Besetzung der Steuerbuchhalterstelle zur Ausschreibung ge langen soll. c) von deni Beschluß deS Rates und Finanz ausschusses, die Küsten für die Einhebung der im Rückstand verbliebenen Steuerbeträge herabzusetzen. Es sollen sonach erhoben werden: bis zu einem Betrage von 10 Mark-25 Pfg., 50 Mark-50 Pfg., 150 Mark-1 Mk., SOO Mark-2 Mk., 1000 Mark-3 Mk. und über 1000 Mark-4 Mk.; 6) von der Stellungnahme des Rates in den auf eine Anfrage hin gelegentlich der Regulie rung des Poetenweges angeregten Ankaufs- Unterhandlangen des Spangenberger'schen Hinter hauses. Mit Herrn Spangenberg ist verhandelt worden und das Ergebnis war, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen, da der geforderte Preis pro sH Mir. als viel zu hoch befunden worden sei. DaS Kollegium war einstimmig mit dem vom Rate vertretenen Standpunkt einverstanden. Hierauf berichtete der Herr Vorsitzende in ein gehender Weise über den gegenwärtigen Stand derelektrischenBahnLugau-Gersdorf- Hohenstein-Er. Lugau ist vvn der Ueber- nahm« einer Zinsgarantie zurückgetreten und dem zufolge ausgetreten, auch in GerSdorf ist diese An ¬ gelegenheit in ein anderes Fahrwasser gekommen, da die Amtshauptmannschaft und der Bezirksausschuß den auf Gersdorf entfallenden Garantie-Betrag von 8000 M. zu hoch befunden haben. DaS Kollegium kann keinesfalls dieser Ansicht bei- pflichten, vielmehr ist eS einmütig mit den Ausfüh rungen deS Herrn Vorsitzenden einverstnnden, der der Meinung ist, daß GerSdorf unstreitig den größten Nutzen von der Bahn habe, da diese den ganzen Ort berühre, während in Hohenstein-Er. die Bahn nur bis zum Bahnhof führe. Herr Vorsteher Redslob führte u. A. auch weiter aus, daß, wenn der Nutzen für die Stadt ein so großer sein solle, dieser sich doch auch schon in dem jetzigen OmnibuS- Verkehr äußern müsse. Die Gemeinde GerSdorf habe außerdem sofortige große Ersparnisse zu ver zeichnen durch die entstehende Verminderung der StraßenunterhaltungSkosten. DaS Kollegium war einmütig der Meinung, daß man mit dem bisher in dieser Angelegenheit Uebernommenen genug getan habe. Hierauf ging man zu Punkt 2 Bewilligung einer Entschädigung in einer «»fallfache über. Herr Bäckermeister Wilhelm Schreiber hat für einen ihn am 20. November v. I. aus der hiesigen Logenstraße betroffenen Unfall, der durch daS Versehen des städtischen Straßenwärters Beyer herbeigeführt worden ist, Schadenersatz-Ansprüche ge stellt. Seitens deS Rates ist mit Herrn Schreiber über die Höhe der Entschädigung mehrfach verhandelt worden und als Resultat eine Summe von 150 Mark aus städtischen Mitteln und 26 Mark Lohn kürzung deS Schuldigen B. erzielt worden. Rat und Finanzausschuß haben dem Vorschläge zuge stimmt und auch das Kollegium schloß sich ein stimmig dem Vorschläge an. Zu Punkt 3 Einbezirkung einiger Gemeinden in den Verband, betr.die Ausschließung säumiger, böswilliger Abgabenpflichtiger von öffent lichen Vergnügungsorten berichtet der Herr Vorsitzende, daß auf eine An regung der Amtshauptmannschaft Glauchau die Ge meinden Reichenbach und LangenchurSdorf an den Hohenstein-Ernstthaler Verband sich anzuschließen wünschten. Zu diesen beiden Gemeinden habe sich späterhin auf Wunsch der Amtshauptmannschaft auch die Gemeinde GerSdorf hinzngesellt. Der Rat und der Finanzausschuß haben in bejahendem Sinne über diese Angelegenheit Beschluß gefaßt. Das Kolle gium stimmte alsdann gegen die Stimme des Herrn Stv. Grießbach dem Vorschläge deS Finanzausschusses zu, wonach die 3 Gemeinden kostenlos, bis auf die Erstattung der Porto-AuSlagen, in den b.tr. Ver band ausgenommen werden. An der kurzen Debatte hatten sich außer Herrn Grießb ach Herr Stadt- rat Börne r und der Herr Vorsitzende be teiligt. Eine längere Debatte entspann sich bei dem 4. Punkte Bewilligung der Vertretungskosteu für die Stadtkassiererstelle und Beschlußfassung über die Beschäftigung des Herrn Stadt- kassterersStephanbeifeinemWiederantritt. Herr Vorsteher RedSlob teilte mit, daß infolge schwerer Erkrankung deS Herrn StadtkasstererS Stephan, der auf längere Zeit beurlaubt wor den sei, der Rat vorschlage, einen auswärtigen Herrn mit der provisorischen Vertretung der Stadt kassiererstelle zu betrauen. Für die Vertretung ist ein Herr Götz, früherer Bürgermeister in Zöblitz, etzt in Zschopau wohnhaft, in Aussicht genommen. Dieser Herr soll gegen eine monatliche Entschädigung von 150 Mk. die Stellvertretung auf zwei bis drei Monate übernehmen. Der Finanzausschuß schlägt dem Kollegium hingegen vor, die Stadtkassiererstelle zur sofortigen Ausschreibung gelangen zu lassen und »war mit einem AnfangSgehalt von 1800 und einem Höchstgehalte von 2700 Mark. Herrn Götz soll die einstweilige Vertretung übertragen werden. DaS Kollegium stimmte, nachdem noch die Herren Schubert, Grießbach, Ebersbach und Reinhold I sich hierzu geäußert hatten, dem Vorschläge des Finanzausschusses einstimmig zu. Zum 5. Punkte Bewilligung eines Beitrages zur ve» fchleufung des offenen Grabens am Johannesgarte« Verkauft. Roman von Ar. Levanti. 89. Ions. »Nachdruck »erboten.) Doktor Wendt trat unangemeldet mit großer Hast ins Zimmer. Bei dem aufgeregten Ton seiner Stimme sprang der Graf von seinem Sitze auf; sein Gesicht wurde bleich, und angstvoll rief er diesem entgegen: „Frau von Heiberg ist doch nicht schlimmer?" „Nein, es geht ihr sogar besser. Ich suche Sie auch nicht deswegen auf, Herr Graf. Die Sache ist die. Als ich von hier fortging, wurde ich zu einem Mann geholt, welcher früher als Verwalter in Ihrer., Dienst stand — ein gewisser Düring." „Düring?" wiederholte der Graf gleichgültig „Ist er krank?" Es interessierte ihn nicht sehr, und er fand eS sogar höchst unbedeutend inmitten der aufregenden Ereignisse in seinem eigmen Hause. „Nein, nicht krank im gewöhnlichen Sinne des Wortes", antwortete der Arzt. „Er liegt im Sterben fürchte ich." „Im Sterben und doch nicht krank! Sie sprechen in Rätseln, Doktor." „Mir ist Alles ein Rätsel", sagte der Arzt; „vielleicht können Sie eS lösen. Er hat sich deS Selbstmordes schuldig gemacht — daS heißt, er hat Hand an sein Leben gelegt, es ihm aber nicht gan- gelungen." „DaS war sehr töricht von ihm", bemerkte der Graf. Selbst die Tatsache, daß der vertraute Ver walter seiner Güter versucht hatte, seinem Leben ein Ende zu machen, schien ihm von viel weniger Wichtigkeit zu sein, als diejenige, daß ihn seine Frau liebte. Doktor Wendt blickte unbehaglich in daS unbe fangene Gesicht und sagte: „Darf ich von Privat- angelegenheiten reden?" „Gewiß", lautete die rasche Antwort. „Ich habe vor meinem Vetter, Oberst von Bork kein Ge heimnis." „Mir ist die Sache nicht ganz klar", fuhr der Doktor fort. „Man schickte nach mir, und als ich hinkam, fand ich, daß Düring versucht hatte, sich das Leben zu nehmen. Ich will Ihnen nicht be schreiben, auf welche Weise, eS wäre unnütz, die SchreckenSliste noch zu verlängern. Sein einziger Wunsch war, Sie zu sehen, Herr Graf. Es ließ mir keine Ruhe, bis ich ihm versprach, Sie zu bitten, zu ihm zu kommen. DaS Merkwürdigste kam aber iwch. Nicht ein Wilddieb, sondern Düring war eS, der den Schuß abfeuerte — er selbst. Diesmal haben wir den Wilddieben Unrecht getan!" Auf eine solche Wirkung seiner Worte war der Doktor nicht gefaßt. Der Graf schnellte von seinem Stuhle auf, stürzte durch daS Zimmer und ergriff ihn am Arme. „Sagen Sie daS noch einmal!" rief er dabei. „Düring feuerte den Schuß ab?" „So sagte er', entgegnet« der D»ktor. „Er keuchte mir in gebrochenen Worten die ganze Ge schichte vor. „Ich habe sie stets gehaßt", sagte er, „und gestern Abend schoß ich auf sie am Ufer deS See». Ich schoß sie durch daS Herz und sah sie allen und —" „Unmöglich!" rief der Graf. „Der Mann muß im Fieber gesprochen haben! Er hat ja Frau von Heiberg sein Lebtag nicht gesehen — wie konnte er sie hassen?" „DaS ist ja daS Merkwürdige an der Geschichte", sagte der Doktor. „Er behauptet bestimmt, er hätte auf die Frau Gräfin geschossen. Ich verstehe die ganze Sache nicht." „Aber", fiel der Oberst ruhig ein, „Düring wurde auf den Wunsch der Gräfin entlassen, und schwor, sich an ihr zu rächen. DaS mar seine Rache — in dem Glanben, er habe die Gräfin vor sich, schoß er auf Frau von Heiberg." „Unmöglich!" wiederholte der Graf. „Sie sind a gänzlich verschieden. Frau »on Heiberg ist blond, nrine Frau brünett — er konnte sie nicht ver wechseln." Plötzlich erinnerte er sich, daß sich das Unglück im Halbdunkel ereignet hatte und Frau von Heiberg in einen Silberschleier gehüllt war. Konnte er sie wirklich verwechselt haben? Der Doktor schüttelte den Kopf. „Ich verstehe eS nicht — mir ist eS, wie gesagt, ein Rätsel. Jedenfalls, Herr Graf, würde ich Ihnen raten, zu dem Mann zu gehen; das ist der einzige Weg, Licht in dies Geheimnis zn bringen." „Ich werde zu ihm gehen," erwiderte der Graf „mit Ihnen, wenn Sie dazu bereit sind. ES ist aber besser, r or der Hand nichts davon zu erwähnen, Reinhold." „Verlaß Dich auf mich," sagte der Oberst. Darauf verließ der Graf mit dem Arzte daS Zimmer. Bald hatten sie da» Hau« erreicht, in dem Düring lag, und der Graf stand am Sterbelager seines ehemaligen Verwalters. DeS Mannes bleiche« Gesicht wandte sich ihm zu, die brechenden Augen leuchteten noch einmal auf, als er ihn erkannte. „Gnädiger Herr," begann er, „Sie waren stets gütig gegen mich. Ihre Frau aber stürzte mich — jagte mich fort — und ich haßte sie. Ihnen würde ich kein Haar gekrümmt haben; sie aber habe ich getötet, es tut mir aber auch nicht leid." „Wen haben Sie getötet?" fragte der Graf ruhig. Die brechenden Augen starrten ihn an. „Wen? Die Gräfin von Frankenstein, die schöne, stolze herrschsüchtige Frau, die mich mit einem Wink ihrer Hand in den Abgrund stürzte — sie habe ich getötet." „Auf welche Weise haben Sie sie getötet?" fragte der Graf weiter. Ein wildes Lachen kam von des ManneS Lippen. „Auf welche Weise? Ich habe manchen langen Tag gewacht und gewartet, habe an der Landstraße gestanden, wenn sie vorüberging, bis gestern Abend aber bot sich keine Gelegenheit. Hundert Mal schon hätte ich sie erschießen können, doch ich wollte nicht, damit ich nicht, indem ich ihr daS Leben nahm, eS auch Einem raubte, der mir nie etwa» zu Leide getan hat. Ich haßte sie, weil sie mich ruiniert hatte. Sie vertrieb mich aus meiner Stellung, ließ mich wie gebrandmarkt zwischen meinen Mitmenschen, entließ mich ohne Zeugnis, ohne Empfehlung; sie wurde mir zum Fluche, und so schoß ich sie nieder." „Sagen Eie," fiel der Graf ruhig ein, „woher wußten Sie, daß «S meine Frau war?" Ein listiger Zug trat in daS Gesicht de» Sterbenden. Fortsetzung folgt.
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