Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 21.10.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-10-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190310210
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19031021
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19031021
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungHohenstein-Ernstthaler Tageblatt
- Jahr1903
- Monat1903-10
- Tag1903-10-21
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- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 21.10.1903
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Erscheint jeden Wochentag abends für den folgenden Tag und kostet durch die Au-träger pro Quartal Ml. 1.K durch die Poft Mk 1.82 frei in'S HauS. Knsernre nehmen außer der Expedition auch die Au-trLger aus dem Lande entgegen, auch befördern die Annoncen- Expeditionen solche zu Originalpreifeu Anzeiger für Hostenstetn-Grusttstat, Overlungwitz, Gersdorf, Lugau, Hermsdorf, Kernsdorf, ZMgeaberg, Falken, Langenchnrsdorf, Meinsdorf, Mßdvrs, Wüstenbrand, Grüna, Mittelbach, Ursprung, Erlbach Kirchberg, Pleißa, Reichenbach, Callenberg, Tirschheim, Kuhschnappel, Grumbach, St. Egydien, Hüttengrund u.s.N 24 für das Königliche Amtsgericht «ad de« Stadtrat za Hohenstein - Ernstthal. Organ aller: <8eiireinöe-Verwaltrrngen öev urnliegenöen Grtschcrfterr. Nr. 245. Mittwoch, den 21. Oktober 1903. 53. Jahrgang. Rede des Kaisers an die konfirmierten Prinzen. Der Kaiser hat bei der Tafel, die auf die Ein segnung der kaiserlichen Prinzen folgte, eine feierliche Ansprache an diese gerichtet, in der er seinen Söhnen die Bedeutung des TageS schilderte. Der Wortlaut dieser weihevollen Rede war folgender: Meine lieben Söhne! In dem Augenblick, wo wir im Begriff sind, die Gläser aus Euer Wohl zu leeren und unsere Glückwünsche euch auszusprechen, raß ihr unter uns eingetreten seid als tatensrohe Menschen in die Gemeinde des Herrn, um darin zu arbeiten, möchte ich als euer Vater auch ein Wort euch mit aus den Weg geben. Der heutige Tag ist für euch in geistiger Beziehung gleichzustellen dem Tage, an dem der Offizier, der Soldat seinen Hahnen- eid ableistet. Ihr habt als Prinzen des königlichen Hauses schon im 10. Jahre das Rech», Uniform zu trugen. Damit möchte ich eure Tause vergleichen. Ihr seid vorgemerkt als Streiter Christi. Mit dem heutigen Tage seid ihr, sozusagen im Glauben mündig geworden. Die Wehr und Waffen und das Rüstzeug, deren ihr Euch bedienen sollt, sind euch von kundiger Hand gelehrt und bereit gelegt worden. Ihre An wendung in allen Lebenslage»: wird nun an euch liegen. Auch darin werdet ihr noch zum Teil unter wiesen werden können. Aber schließlich muß ein jeder lernen, die Waffen, auch die geistigen, selbst zu führen, die ihm anvertraut sind. Ich spreche mit Absicht im militärischen Sinne, weil ich annehme, daß auch ihr das schöne Gleichnis kennt, worin der Christ mit dem Krieger verglichen wird, und in welchem die Waffen ausgesührt werden, die ihm der. Herr zur Verfügung gestellt. Ihr werdet gewiß die Gelegenheit haben in späterer Zeit, diese oder jene von den Waffen anzu wenden, und ihr werdet gewiß das, was ihr heute so schön in eurem Gelübde versprochen habt, auch be- tätigen. In sehr richtiger Weise hat in der herrlichen Ansprache, die euer geistlicher Lehrer heute an euch gerichtet hat, derselbe einen Begriff hervorgeboden für das, was von euch verlangt wird, nämlich daß ihr „Persönlichkeiten* werden sollt. Es ist das derjenige Punkt, auf den nach meiner Ansicht es für den Christen im Leben am meisten ankommt. Denn darüber kann wohl kein Zweifel sein, daß wir von der Person des Herrn getrost sagen können: Er ist die „persön- lichste Persönlichkeit* gewesen, die je auf der Erde unter den Menschenkindern gewandelt ist. Ihr habt in eurem Unterricht — und werdet es noch in Zukunft — von vielen großen Menschen gelesen und gehört, von Weisen, Staatsmännern, Königen und Fürsten, auch von Dichtern. Ihr habt von manchen Worte und Aussprüche gelesen, und sie haben euch erhoben, ja so gar begeistert. Gewiß! Welcher deutsche Jüngling sollte sich nicht erhoben fühlen und fortgerissen werden von begeisterten Liedern, z. B. von unserem Körner. Aber trotz allem, es sind Menschenworte. ES kommen keine Menschenworte irgend einem einzigen Worte unseres Herrn gleich. Und das sei euch gesagt, damit ihr auch in der Lage seid, es zu vertreten, wenn ihr einst im Strudel des Lebens steht und Meinungsaus tausch hört und selber Meinungen ausiauscht über Re ligion, vor allem über die Person unseres Heilandes. Es hat niemals eines Menschenwort fertig gebracht, Leute aller Rassen und Leute aller Völker gleichmäßig zu denselben Zielen zu begeistern, danach zu trachten, ihm gleich zu sein, ja sogar ihr Leben für ihn zu lassen. Und das Wunder ist nur dadurch zu erklären, daß die Worte, die er gesprochen hat, Worte des lebendigen GotteS sind, welche Leben erwecken und lebendig bleiben noch nach Tausenden Jahren, wenn der Weisen Worte längst vergessen sein werden. Wenn ich nun auf meine persönlichen Erfahrungen zurückblicke, so kann ich euch nur versichern, und ihr werdet dieselbe Erfahrung machen: der Angel- und Drehpunkt unseres menschlichen Lebens, zumal aber einer verantwortungsvollen und arbeitsreichen Lebens — da- ist mir klarer geworden von Jahr zu Jahr — liegt nur einzig und allein in der Stellung, die man zu seinem Herrn und Heilande einnimmt. Ich nannte ihn die persönlichste der P-rsönlichkeiten, und das mit Recht. Wie eS nicht ander- sein kann im menschlichen Leben, und wie es uns allen begegnet, so ist es auch mit ihm gewesen. CS ist der Streit der Meinungen um ihn entbrannt: manche waren für ihn, manche haben im Zweifel gestanden, viele waren gegen ihn. Aber darüber kar n kein Zweifel stin, und der schärfste Feind und Leugner deS Herrn ist nur der B-weis da für : ter H.rr lebt noch heute als ganze Persönlichkeit, die nicht ignoriert werden kann! Noch heute schreitet seine Lichtgestalt, unserm geistigen Auge nur sichtbar und der Seele sühlbar, unter uns einher, tröstend, helfend, stärkend, auch Widerspruch und Verfolgung erweckend. Und weil er nicht ignoriert werden kann, so wird jeder Mensch gezwungen, bewußt oder unbe- mußt, das Leben, daS er lebt, daS Amt, das er sührt, das Werk, das er treibt, immer daraus zu basieren, unter welchem Gesichtswinkel er unserm Heilande gegen übersteht und ob seine Arbeit im Sinne des Herrn getan, ihm wohlgefällig ist, oder ob es das Gegenteil fft. Sein Gewissen, wenn cs noch lebt, wird ihm stets darüber Auskunft geben. Gewiß, ich glaube gern, daß viele Menschen heute der Ansicht sind, im heutigen „modernen" Leben mit seinen vielfachen Ausgaben und verantworiungsvollen Stellungen ist es undenkbar, daß man sich mit der Persönlichkeit des Heilands so ein gehend beschäftigen und auf ihn Rücksicht nehmen kann, wie es früher geschah. Und die Menschheit hat sich neben dem Herrn den Himmel ausgeschmückt mit vielen herrlichen Gestalten, frommen Christen, die Heilige genannt werden, und an die sie sich hilfesuchend wenden. Aber Vas ist alles Nebensache',ind eitel. Der einzige Helfer und Retter ist und bleibt der Heiland! Ich kann euch nur eins von ganzem Herzen raten für euer zukünftiges Leben: schafft und arbeitet ohne Unter laß — das ist der Kern des Christenlebens, wie er s unS vorgelebt hat! Werfet einen Blick in die Schritt und leset die Gleichnisse unseres Heilandes: am schwersten wird der bestrast, der nichts tut, der itzen bleibt, mit dem Strom mitgeht und die andern aroeiten läßt, wie im Gleichnisse vom P unde. Was auch eure Passionen, was auch eure Gaben sein mögen, cS möge jeder danach trachten, auf seinem Gebiete daS Beste zu leisten und eine Persönlichkeit zu werden, in seine Aufgaben hineinzuwachsen, in ihnen zu schaffen und sie zu fördern nach dem Beispiele des Heilandes. Trachtet vor allem darnach, daß, was ihr vornehmt, möglichst stets zu einer Freude sür euere Mitmenschen werden kann — denn das ist das schönste, mit anderen sich gemeinsam freuen zu können — und wo das nicht möglich ist, daß euer Werk den Mitmenschen wenigstens zu Nutz und Frommen sein möge, wie unseres Herrn arbeitsreiches und tatevfrohes Leben es stets gewesen. Dan»» habt ihr das ersüllt, was von euch erwartet wird. Dann werdet ihr brave, deutsche Männer, tüchtige Prinzen meines Hauses werden und teilnehmen können an der großen Arbeit, die uns allen beschieden ist. Daß ihr solche Arbeit mit Segen zu ihrem Ziele sichren möge», daß euch Gottes und dcS Heilandes Hülfe nicht fehlen möge, darauf leeren wir am heutigen Tage unsere Gläser. l-rsiiSe ctisme M grMe miMion? Auf dem Welttheater sieht es zur Zeit ganz so aus wie bei de: §raa6e cbame im Contretanz, bei rec sich zur Herstellung einer lebenden Kette alles in sriedlich-freundlicher Einigkeit die Hände reicht. Aber die praktische Erfahrung des TanzsaalS lehrt uns, daß diese ^raacke cliaine sür gewöhnlich mit der Pro klamierung der granäe contusion endet. Wie auf dem Tanzball, so »st es auch ost genug auf dem Erd ball, wo die hohe Politik sich abspielt. Auch dort endet die §r?.n6e cksine, die sich hier in der Form der Fürstenbesuche ober Schiedsverträge absp elt, oft genug mit einer Fiaucke corttu8ion, und man muß zuweilen noch froh sein, wenn dieser politische Contre nicht mit einem Rencontre endet. Diese Betrachtung drängt sich uns gleichsam von selbst auf, wenn wir die derzeitigen Vorgänge auf dem Welttheater, die sich in der Tat ganz bühnenmäßig machen, ins Auge fassen. Auf dem Welttheater ist zur Zeit „rechter Hand, linker Hand alles vertauscht*, gleichem als ob daS Kommando des EomretanzeS „ekLUFer les placeg!" ergangen wäre und alles sich beeilte, seine Plätze zu wechseln. Oesterreich-Ungarn und Rußland, die beiden Balkan-Rivalen, Haden ihre einstige Eifersucht und mit ihr die Streitaxt begraben, um sich über die Dinge aus dem Balkan schiedlich- sriedlich zu verständigen. Frankreich und England, die beiden alten Gegner und geschworenen Feinde, die vom Krimkrieg bis zu Faschoda sich mißtrauisch oder gar ausgeprägt feindselig gegenüberstanden, haben einen Schiedsgerichtsvertrag abgeschlossen, der zwar praktisch völlig belanglos ist, aber doch von beiden Seiten für den Beginn einer Aera der Verständigung ausgegeben wird. Und noch auffallender ist die Wandlung in den Beziehungen zwischen Frankreich und Italien. Der alte Haß, sür den Tunis und Bizerta die Denksteine bilden, ist tot oder — lebendig begraben, in welch letzterem Falle freilich mit der Möglichkeit einer Auf erstehung gerechnet werden muß. Indessen bei der Begeisterung, mit der der Besuch de- Königs von Italien in Paris gefeiert worden ist, denkt man an solche DiSakkorde der Zukunftsmusik nicht. Zur Zeit schwelgen die „lateinischen Schwesternnationen* in Wonne, und wenn der russische Zar nicht in der Furcht vor den Anarchisten lebte, dann wäre der französisch- talienischey Verbrüderung in Paris die russisch, talienische in Rom gefolgt. Vielleicht, vielleicht auch nicht! Vielleicht ist der russischen Politik die französisch- talienische Verbrüderung unwillkommen und sie hat >urch die Absage deS Zarenbesuches einen WermutS- ropsen in den vollen Becher überschäumender Freund- schäft träuseln wollen. Es ist in der Tat nicht alles Gold, was glänzt, und die kaltblütige Verurteilung dieser international- wlitischsn Vorgänge ist dringend geboten. Wenu hie und da bereits aus Anlaß der erwähnten Vorgänge von einer neuen Gestaltung der Weltpolitik gesprochen wird, deren Basis ein Zusammengehen Frankreichs, Italiens und Englands, womöglich noch gar mit Ein schluß Rußlands bilden soll, so ist dies in daS Gebiet der politischen Phantasterei zu verweisen. Die An näherung zwischen Italien und Frankreich, die ja keineswegs neuen Datums ist, sondern schon mit den Touloner Flottenfesten des vorigen Jahres begann, kann unS in keiner Weise beunruhigen. Damals war der Dreibund noch nicht erneuert und die Kombinationen über eine Neugruppie»ung der Mächte hatten somit noch ein- breitere Grundlage. Unterdeß ist die Er neuerung des Dreibundes erfolgt und zwar seitens Italiens nicht aus irgendwelchen persönlichen Sym pathien, sondern auS der praktischen Erwägung heraus, oaß Italien beim Zusammengehen mit Deutschland und Oesterreich-Ungarn besser aus seine Rechnung kommt, als bei einem Zusammenschluß mit Frankreich. Der Dreibund hat gegen die Extratour Italiens und Frankreichs um so weniger einzuwenden, als dadurch nur noch stärker die sriedliche Tendenz des Dreibundes charakterisiert wird. So wenig wie die französisch-italicnische Ber- brüderung wird der französisch-englische Schiedsvertrag eine Umwälzung der Welipolitik herbeisühreo. Beide Teile verfolgen sogenannte „reelle Absichten*. Frank- reich sucht die Freundschaft Englands, um seine Zu stimmung für das erstrebte Pcolekwrat über Marokko zu gewinnen. Und England verfolgt den Plan, Frankreich vom Zweibund abzudrängen, um sich iemem alten Rivalen Rußland gegenüber eine stärkere Position zu schaff.'». Frankreich ist vor eine schwere Wahl gestellt, denn die Freundschaft Englands schließt Vie Freundschaft Rußlands aus. Die letztere bringt zwar alles in allem geringe Dividenden, aber die englische Freundschaft gilt als „unzuverlässiges Papier* und hat deshalb nur geringeu Kurswert. Wir glauben nicht an die englisch-sranzösisch- italienische Entente. Wenn sie aber wirklich in ab- sehbarer Zeit in die Reihe der politischen Möglichkeiten rücken sollte, so läge eS in der Natur der Sache, daß einer solchen Gruppierung eine deutsch-österreichisch- russische korrespondierend gegenübertreten würde. Aber daS ist, wenn eS überhaupt Programmmusik ist, ferne Zukunftsmusik. Die derzeitigen Vorgänge auf dem Gebiete der internationalen Politik sind nur einzelne Touren deS großen politischen ContretanzeS, und wenn das Schlußkommando votre place I" ertönt, dann wird sich alles wieder dort einfinden, wo es gestanden hat — ohne Francke consusionl Der „Kaiser-Insel"-Prozeß. Zu dem Kaiserinsel-Prozeß liegen eine ganze Reihe Preßäußerungen vor. Allgemein wird der gründliche Hereinfall des „Vorwärts* festgestellt. Die „Berl. Reuest. Nachr." schreiben: „Kaum jemals war die gesamte bürgerliche Presse bis zu den der Sozial- demokratie nächststehenden Blättern so einig wie in der Ueberzeugung, daß die „Enthüllung* deS Kaiser insel*-Projekts eine ganz törichte Erfindung und der „Vorwärts* „reingefallen* sei. Die Prozeßverhand- lung hat bestätigt, daß daS sozialdemokratische Haupt- örgan allem Anschein nach düpiert worden fei. ES freut sich sonst der Indiskretionen, Pflichtverletz ungen und Diebstähle, welche ihm geheime Aktenstücke auf seinen Tisch flattern lassen, die eS dann veröffrnt- licht und schamlos auSbeutet. Diese- Mal ist eS, in blindem Hatz gegen Kaiser und Hof, geradezu un glaublich dumm auf den Leim gegangen. Wenn die beiden „Vorwärts* - Redakteure jetzt durch Gerichts urteil mit 9 bezw. 4 Monaten Gefängnis für eine überaus boshafte Dummheit hart büßen müssen, so können sie und ihre Hintermänner sich nur sagen, daß solche Ergebnisse ganz naturnotwendig durch den gehässigen, fanatischen und nach der Ueberzeugung der bisher noch vorherrschenden bürgerlichen Kreise über aus gefährlichen Klassenkampf der Sozialdemokratie gezeitigt werden müssen.* DaS „Berl. Tagebl.* zweifelt nicht an dem guten Glauben der „Vorwärts* - Redakteure, muß aber ihre Leichtfertigkeit um so schärfer tadeln, indem eS aus- führt: „An dem guten Glauben der Redaktion zweifeln wir nicht. Aber welch' eine Leichtgläubigkeit gehört dazu, um einen Teil eines in Kauzleischrift geschriebenen Briefes sogleich für bare Münze zu nehmen, nur weil auf dem Kopfe des Briefbogens zu lesen steht „Militärischer Begleiter Seiner Kaiserlichen Hoheit des Kronprinzen". Und abermals, welch' eine Leichtfertigkeit, weil die Redaktion eine Stadtpostkarte mit der Mitteilung erhält, sie könne Näheres von Herrn v. Trotha und Herrn Ebhardt erfahren, nun ofort die unbequemen Frager'an die Adressen dieser beiden Herren zu verweisen. Hier zeigt sich der un- gewollte Respekt vor Titel und Kanzleipapier in einer zeradezu klassischen Reinkultur. Offenbar ist der „Vorwärts* von einem bösartigen Spaßvogel ganz gründlich hineingelegt worden. Man kannte daS Sensationsbedürfnis deS sozialdemokratischen Blatte-, seine unentwegte Bereitwilligkeit, jeden Hostlatsch zu einer Haupt- und Staatsaktion aufzubauschen, und so warf man ihm die Angel hin. Und die Redaktion des „Vorwärts* biß aus den Köder an wie ein nim- mersatter Hai.* Der „Boss. Ztg.* gibt daS Gerichtsurteil im Kaiserinsel-Prozeß Gelegenheit zu einer scharfen Stell ungnahme gegen die MajestätSbeleidigungSprozesse. Sie meint, der Kaiser stehe so hoch über den Hof kreisen, daß er von den Angriffen, die auf diese ge- richtet werden, nicht berührt werden könne, und selbst wenn er unmittelbar angegriffen wäre, so erschiene darum ein hochnotpeinliches Verfahren doch nicht immer nötig und nützlich. Ls komme nur zu oft vor, daß der öffentliche Unwille, der sich gegen den Beleidiger wendet, gegen die Behörden umjchlägt, wenn er eine Strafe erhält, die dem Volke zu hart erscheint. Auch im Falle des „Vorwärts*, so fügt die „Boss. Ztg." hinzu, gibt es heute nicht wenige, die das Schloßmärchen vergessen und über die 9 Monate Gefängnis den Kops schütteln. Und war e- wirklich unumgänglich, dem Angeklagten Leid wegen seiner Torheit auch das Stadlverordnetenmandat ab zusprechen, als hätte er nicht nur eine lächerliche, sondern auch eine ehrlose Handlung begangen? Wenn er die 9 Monate gesessen hat, wird er mit größerer Mehrheit wiedergewählt werden. Das Kapitel von den MajestätSbeleidigungSprozrssen ist so peinlich, ist neuerdings auch von Männern unzweifelhaft monarch ischer Gesinnung so oft erörtert worden, eine Aender- ung deS herrschenden Rechts wird so allgemein als dringendes BedürsviS empfunden, daß eS hinreicht, nur noch auf die politischen Wirkungen dieser Pro zesse Hinzuweisell. Sie schmälern regelmäßig den Eindruck, den die Feststellung von Ausschreitungen, Geschmacklosigkeiten und Unwahrheiten allenthalben zu Ungunsten der Täter machen müßten, und sie wirken daher zum B.'sten der Partei, gegen die sie gerichtet werden. Noch weit schärfer schreibt die demokratische „Frkf. Ztg.*: „Die Angeklagten, zwei verantwortliche Redakteure deS „Vorwärts*, wurden verurteilt, d§r eine wegen MajrstätSbeleidigung zu neun Moualen GffängniS, der andere wegen Beleidigung des Hof
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