macht. Doch hatte ich von dem Mann durchaus den Eindruck eines politisch Unbeteiligten, der wirklich nur, um seinen Beruf weiter ausüben zu können, kaum viel anders als etwa Johannes Köhler in die Partei eintrat. (Aber die Millionen Dr. König und Studienrat Köhler - sind sie nicht doch die Schuldigen?) Mittwoch, 20. Juni 45 Wir waren erschöpft und ausgehungert: Kalau sagte sofort, wir seien jetzt seine Gäste, und nahm uns zu sich nach Haus. Eine kleine, tadellos saubere und gar nicht ärmlich eingerich tete Wohnung. Die Frau mit ihrem Doppelexamen als Schwester und Hebamme nicht ohne eine gewisse Bildung und mit einem tadellosen Benehmen, übrigens durchaus nicht eine dicke Frau Wehmut, sondern schlank und jugendlich, nette Kinder. Wir bekamen ein Abend essen, wir mußten, mußten wirklich, im Ehezimmer der Leute schlafen. Am nächsten Mor gen begann das Märchen, das nun noch immer, allmählich in einer bedrücklicheren Weise - der unvermeidlich neu erwachende Antisemitismus! - anhält und gerade in diesem Moment einen sehr peinlichen Höhepunkt erreicht hat: zur Beseitigung des Bunkers im Garten hat uns Kalau vier Männer geschickt, darunter einen ehemaligen Oberbürgermeister Darre, die nun natürlich schändende Fronarbeit für den rachsüchtigen Juden tun. Wir kamen zum Bürgermeister Scholz, der nun, seit vorgestern, schon wieder aus seinem Amt ist - Dölzschen ist einem größeren Dresdener Bezirk angeschlossen und wird von Dr.-Plauen her verwaltet, wo Scholz jetzt als Beamter der Wohnungsstelle arbeitet. Aber meine erste Woche hier war er der Machthaber. Er begrüßte uns mit feierlicher Ansprache: das uns ange tane Unrecht müsse sofort und gänzlich gutgemacht werden, das Haus sei nun wieder unser freies Eigentum, wir allein hätten darüber zu bestimmen. Berger sei vor den Russen geflohen, wir sollten in seinen beschlagnahmten Möbeln hausen, bis sich für uns andere beschaffen ließen, wir sollten mit dem Mann, der ein Schieber gewesen und schlecht an uns gehandelt habe, nun unsererseits kein Mitleid haben. Zur Zeit säße eine Familie Wolff im Hause, Halb juden, denen bereits eine andere Wohnung zugewiesen sei, und mit denen wir uns vielleicht wenige Tage vertragen könnten - aber wenn wir auf sofortiger Räumung bestünden, so müsse eben sofort geräumt werden. Ebenso läge ganz bei uns die Entscheidung über das künftige Schicksal des von Berger in unser Musikzimmer eingebauten Ladens. Die Gemeinde wolle hier einen Consumverein einrichten. Aber natürlich: wenn ich darauf bestünde, würde das Haus sofort gänzlich geräumt, und der Laden bleibe unbenutzt. Ich habe natürlicherweise den Laden sofort zu unentgeldlicher Benutzung dem gemeinnützigen Consumverein freige geben - es war mir zum Heil, denn so bekommt mein Haus Telephon, das nur den »lebens wichtigen Betrieben« freigegeben wird, von den übrigen Vorteilen und nun gar dem guten Behördenwetter ganz zu schweigen. Ich habe mich mit Wolffs vertragen, die erst im Laufe dieser Woche ausziehen - es war und ist mir erst recht zum Heil, denn wir sind bei W.’s in kostenloser Pension, sie kochen für uns, halten die Wohnung in Ordnung und versehen uns mit vielen guten Dingen, so daß wir fast ein bißchen Angst vor ihrem Fortzug haben. Wir wurden dann in die Begerburg geführt, den ehemaligen Hochsitz der Partei, um dort mit beschlagnahmten Sachen ausstaffiert zu werden. An Kleidung für mich fand sich nur das