„Das ist Robert Gawthy“, sagte Herbert Holm zu seiner Kusine und deutete auf einen netten jungen Mann, der sich lächelnd verbeugte. „Und du hast die Ehre, den strahlendsten Stern am Himmel Wiesbadens kennenzulernen, Bob, nämlich Elli van Ruehl. Das einzige, was Bob kann, ist Tango tanzen, Elli“, sagte Herbert lachend zu seiner Kusine und reichte seiner Tanzpartnerin den Arm. Denn in diesem Augenblick begannen die Ten Ohio Men einen milden, schmeichelnden Tango zu spielen. Durch die großen, weit geöffneten Fenster des Saales strichen weiche, duftende Sommernachtswinde, und wenn die Ten Ohio Men pianissimo spielten, konnte man das mystische Rauschen hoher, dunkler Wälder hören, die das kleine, elegante Berghotel dicht umschlossen. Bob hielt die schlanke, biegsame Gestalt Elli van Ruehls fest an sich ge preßt und atmete tief den Duft der seidenweichen Locken des blonden Bubenkopfes ein, der sich dicht an seine Schulter schmiegte. „Komisch, daß man sich ausgerechnet in Wiesbaden wiedersieht“, murmelte Bob und seufzte tief auf. „Ja, und niemand weiß, daß wir uns s o gut kennen, daß wir du zuein ander sagen und daß du mir schon einmal einen Kuß geben wolltest“, sagte Elli lächelnd und drückte sich fest an Bob. „Ja, wollt e“, seufzte Bob noch tiefer. Da war der Tango zu Ende, und die Ten Ohio Men legten die Saxophone und Banjos hin. „Wollen wir nicht während der Pause etwas in den Park gehen?“ flüsterte Bob. „Es ist schon fünf Uhr“, gab Elli zu bedenken. „Draußen wird’s schon so hell sein, daß du nicht mal dazu kommen wirst, mir ungesehen einen Kuß zu geben." „Du spottest wieder“, klagte Bob und schüttelte verzweifelt seinen Kopf. „Sag’ mal“, flüsterte er plötzlich, „hast du eigentlich damals diesen ekligen Baron Grund geheiratet?" „Und wenn ich es hätte?“ lächelte Elli und preßte den Arm Bobs fester gegen ihre Brust. „Dann würdest du doch nicht mehr van Ruehl heißen“, klagte Robert Gawthy. „Herbert weiß nichts davon, niemand weiß bis jetzt davon. Du bist der erste.“ Bob ließ den Arm Ellis los und schluckte einige Male heftig. Inzwischen waren sie draußen auf der Terrasse und dann in dem noch dunkel dämmrigen Park angelangt und ein kühler, frischer Morgenwind zauste in den Locken Ellis. Niemand war zu sehen. Leise erklangen die peitschenden Rhythmen eines Foxtrotts, den die Ten Ohio Men zum Abschied spielten, und ein Frühaufsteher zwitscherte einsam in irgend einem Baume. „Das ist eine Meise“, sagte Elli lächelnd. Novelle von W. F. Herzog