sehr tiefgreifender Umwälzungen und Revolutionen jeder Art, eine Unzahl neu eingetretener Ereignisse und neuer Ideen machen den Gehalt der Werke einer Zeit, die von der unsrigen so verschieden ist, für die Nachwelt, die wir sind, notgedrungen naiv oder befremdlich, ja bisweilen unfaßbar. Aber etwas anderes bleibt erhalten. Die meisten Leser messen dem, was sie den „Inhalt“ nennen, eine überlegene, ja selbst unendlich überlegene Bedeutung bei über das, was sie „Form“ nennen. Einige jedoch sind von einer dieser Auffassung- ganz entgegengesetzten Ansicht und bezeichnen sie als glatten Wahn. Sie behaupten kühn, daß die Struktur des Ausdrucks eine Art Wirklichkeit be sitze, während der Sinn oder die Idee nur ein Trugbild sei. Der Wert der Idee ist unbestimmt; er schwankt mit den Personen und den Zeiten. Was einer für tief erachtet, ist für den anderen eine Binsenweisheit oder eine un erträgliche Dummheit. Kurz, es genügt, um sich zu schauen, um zu beob achten, daß das, was die Modernen noch an den alten Schriften interessieren kann, nicht auf dem Gebiet der Kenntnisse liegt, sondern auf einem anderen, nämlich als Vorbild und Form. Für diese Liebhaber der Form hat eine Form, obwohl sie immer erst von irgendeinem Gedanken hervorgebracht oder erfordert wird, mehr Geltung und mehr Sinn als jeder Gedanke. Sie sehen in den Formen die Kraft und die Eleganz des „Schöpferaktes“; und in den Gedanken finden sie nichts als die Unbeständigkeit der „Ereignisse“. Bossuet ist für sie eine Fundgrube von Figuren, Kombinationen und plan mäßigen Wirkungen. Voll Begeisterung können sie diese Kompositionen des größten Stiles bewundern, wie sie die Architektur von Tempeln anstaunen, deren Heiligtum verlassen ist, wie ihr Gefühlsgehalt und die Voraussetzungen, die ihre Erbauung bewirkt haben, längst verblaßt sind. Das Haus aber bleibt. WELTGESCHICHTE TÜR DEN DAUPHIN enn die Geschichte auch den Menschen im allgemeinen unnütz wäre, den Fürsten müßte man sie zu lesen geben. Es gibt kein besseres Mittel, ihnen zu offenbaren, was die Leidenschaften und Interessen, die Zeiten und Umstände, die guten und schlechten Ratschläge vermögen. Die Geschichte besteht nur aus Handlungen, die die Fürsten angehen, und alles darin scheint zu ihrem Gebrauch geschaffen. Wenn sie Erfahrungen brauchen, um diese Klugheit zu erwerben, die zum guten Regieren notwendig ist, gibt es zu ihrer Belehrung nichts Besseres als zu den Beispielen der vergangenen Jahr hunderte die Erfahrungen, die sie täglich machen, hinzuzunehmen. Statt daß sie, wie gewöhnlich, nur auf Kosten ihrer Untertanen und ihres eigenen Ruhmes die gefährlichen Situationen, in die sie geraten, beurteilen, bilden Autorisierte Uebertrogung von August Brücher. Von JACQUES-BENIGNE BOSSUET, BUchoJvon Meaux „Die Staatsrevolutionen haben ihre besonderen Ursachen, die von den Fürsten studiert werden müssen.“ 386