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Scherl's Magazin
- Bandzählung
- 8.1932, H.4, April
- Erscheinungsdatum
- 1932
- Sprache
- Nicht zu entscheiden
- Signatur
- Z. 4. 2419,2/11
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Illustrierte Magazine 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id363877630-193204003
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id363877630-19320400
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-363877630-19320400
- Sammlungen
- Projekt: Illustrierte Magazine der Klassischen Moderne
- Varia
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Titel
- Als ich Vivette liebte ...
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Artikel
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Ort
- Paris
Inhaltsverzeichnis
- ZeitschriftScherl's Magazin
- BandBand 8.1932, H.4, April -
- DeckelDeckel -
- WerbungWerbung -
- InhaltsverzeichnisInhaltsverzeichnis 292
- ArtikelTitelblatt 293
- ArtikelAmerika vergißt die Welt und sucht sein Baby 294
- ArtikelKabarett 300
- ArtikelJa es gibt noch Kavaliere! 302
- ArtikelDer Löwe kann kein Blut sehen 305
- ArtikelDas Verhör 308
- ArtikelWollen Sie Geld verdienen? 310
- ArtikelMcNeil ißt Brathuhn 314
- ArtikelEr ist doch ein Dieb 317
- AbbildungUnd neues Hoffen zieht mit dem frühling ein - 319
- ArtikelHören Sie mal, junger Mann! 320
- ArtikelJeder sein eigener Hanussen! 322
- ArtikelAls ich Vivette liebte ... 324
- ArtikelAbschied 329
- ArtikelMieze Schmeling gegen Kater Sharkey 330
- ArtikelKennen Sie schon den Witz? 332
- ArtikelMitternachtsballade 333
- ArtikelWer war schuld? 335
- ArtikelWinnetou lebt bei Budapest 338
- ArtikelEtienne 344
- ArtikelUnd nachher sagt man: Zufall 349
- Artikel20 Minuten Differenz 350
- Artikel[Vermischtes] 353
- ArtikelZur Kurzweil 355
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- DeckelDeckel -
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- Scherl's Magazin
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heit, und in meiner Stimme lag mehr Zärtlich keit als Neckerei, wenn ich unter Liebeskosun- gen ihr zuflüsterte: ,,Maskotte, kleine Mas kotte . . Ich bestand also gar nicht mehr darauf, daß sie zu mir käme, als sie eines Nachmittags ganz unvermutet bei mir eintrat. Zögernd stand sie in der Tür, lächelte in ihre Federboa hinein, und überrascht schaute ich sie an. Als die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte, änderte sie ihr Wesen, sie wagte nicht mehr zu lachen, und in einem Sessel sitzend, hielt sie auf den Knien ihren Tugendschild: ein kleines Handtäschchen, die abgetragenen Handschuhe und ein in Papier eingewickeltes Schnittmuster. Dann wurde sie zutraulicher, sie wollte die Bilder sehen, die Bücher, die Arbeit, an der ich gerade schrieb, und sie warf einen Blick in mein Schlafzimmer, indem sie sich an der Türe festhielt, es jedoch nicht wagte, einzutreten. Ihr Gehaben, das ganz dem eines furcht samen Vogels glich, belustigte mich, und an diesem Tage war ich voller Aufmerksamkeit für sie: ich reichte ihr den Tee, heftete, ohne sie nur zu berühren, eine Rose an ihr Kleid, und gab ihr nur einen einzigen Kuß, als sie ging. Da es gerade die tote Saison war, kam sie noch öfters wieder. Bald fühlte sie sich bei mir wie zu Hause, und sie spielte während des ganzen Tages „die Dame 1 ', indem sie recht brav in einem Sessel sitzenblieb, während ich arbeitete. Manchmal auch fuhren wir aufs Land hinaus. Sie konnte in Verzückung geraten, wenn sie Wälder ohne Aufseher und ohne eingefaßte Rasenflächen sah, oder unendlich weite Getreidefelder und Blumen, die nicht in den kleinen Wagen der Händlerinnen, sondern wild wuchsen. Im Forst von Marly hatten wir ein ruhiges Gasthaus ent deckt, wo wir oft einkehrten, und sie aß mit einer gefräßigen Freude, jedesmal enttäuscht, wenn der Nachtisch kam und sie nun nicht mehr genügend Hunger hatte, um alle Kuchen aufzuessen. Als sie die ganze Woche gefeiert hatte, mußte ich, damit die Mutter nichts merke, ihr ihren Wochenlohn geben, und jedesmal gab es eine sentimentale Komödie; ich mußte bitten, sie streicheln und ihr mit Gewalt die dreißig Franken in die geballten kleinen Fäuste drücken. Mit gesenkter Stirn sagte sie dann ganz leise: „Ich schäme mich so!“ Und wegen dieser Worte allein, die sie mit schmollender Stimme sprach, hätte ich sie anbeten können. Zu dieser Zeit (es war mitten int Sommer: ich erinnere mich, daß auf meinem Tische immer weiße Nelken in einer großen Vase standen) hätte ich sie zu meiner Geliebten machen können, wenn ich es bloß gewollt hätte. Aber ich wollte es nicht. Nicht etwa deswegen, weil spießbürgerliche Vorurteile mich daran hinderten. Ich möchte auch nicht behaupten, daß es aus Achtung vor ihr ge schah: Man empfindet eine solche Achtung nur für Frauen, die man nicht begehrt. Aber ich empfand schon im voraus Gewissensbisse, ich hatte Furcht davor, die erste Hingabe, nach der die ändern so leicht sein würden, von ihr zu fordern. Und wenn ich ihren schma len, eckigen Körper streichelte, dachte ich oft in meiner Einfalt, daß sie es mir zu danken hätte, wenn sie nicht „auf Abwege geraten“ würde. Als sie ihre Arbeit wiederaufgenommen hatte, kam sie am Abend ganz niedergeschlagen zu mir. „Ich wünschte, ich hätte es noch so gut wie im vergangenen Monat“, meinte sie, an meine Schulter gelehnt. „Wie langweilig ist es im Atelier . . . Hast du auch daran gedacht, den Blumen frisches Wasser zu geben? .. . Waren das doch schöne Ferien! Jetzt fällt das Ar beiten mir wieder schwer, ich möchte gern was anderes anfangen.“ „Wahrhaftig, Fräulein Vivette gefällt das Arbeiten nicht mehr?“ spottete' ich. „Böses Mädchen . . .“ Zärtlich schalt ich sie, doch meine kleine Freundin war ganz traurig und wiederholte eigensinnig: „Es gefällt mir nicht mehr!“ Bald aber hatte sie sich im Atelier wieder ein gelebt, und ihre Fröhlichkeit war wieder gekehrt. Eines Abends kam sie mit einer Freundin an, einer Blonden, deren Mund stets zum Lachen bereit war und die sich anschei nend die Augenbrauen mit einem abgebrann- ten Streichholz färbte. „Meine Kollegin Andree“, stellte sie vor. „Sie sitzt im Atelier neben mir.“ Auch Andree liebte nicht die Schneiderei, ebenfalls nicht die enge Wohnung in der Rue Clignancourt, wo sie bei ihrer Tante, ihrer einzigen Verwandten, wohnte. Sie wollte sich so gern amüsieren, das „Leben genießen“, wie sie sagte. „Und trotzdem anständig bleiben, nicht? . . . Denn das kann man doch dabei . . .“ Anfangs mißfiel es mir, daß Vivette dieses allzu gewitzte Mädel zu ihrer Freundin ge macht hatte; da sie aber lustig und hübsch war, fühlte ich mich bald.wohl in ihrer Gesell schaft. 327
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