198 andrer Grund grllcnd gemacht morden (??), als der Ausfall in der Stadtkasse, so zweifeln wir doch nicht, daß er die Sache auch vom höher» Gesichts punkte erwogen habe. Nach unserem beschränkten Dafürhalten kann cs sich blos darum handeln, ob wir durch die Abtretung eine bessere oder mit Er sparung des möglichen Zuschusses wenigstens eine eben so gute, prompte, wohlfeile und humane Rechtspflege zu erhalten hoffen dürfen, als wir zcit- her hatten. Beides glaubten wir aber rundweg ver neinen zu müssen. Die Erbitterung gegen die Patri- monialgerichte, auf die nun seit fünf Jahren alles loshackt, was hacken kann, führt uns offenbar zu weit, und läßt uns das Heil da suchen, wo es eben so wenig zu finden ist. Fern sei es von uns, jenem Unwesen hier das Wort reden zu wollen; cs ist ein Echandflcck unscrcs ncunzehnten Jahrhunderts, das man das aufgeklärte zu nennen beliebt. Aber, daß auch die königlichen Aemter* und Gerichte noch viel zu wünschen übrig lassen, und gleichfalls des Ruhmes ermangeln, den sie vor dem Richterstuhl dcr Ver nunft haben sollen, wird uns das der Stadtrath bestreiten? War es nicht dessen Vorstand, dcr Ab- gcordncte Todt nämlich, selbst, der auf dem letzten Landtage ihre Schattenseiten mit gar unsanfter Hand on'S Licht zog? Sobald ein königliches Gericht hier etablirt ist, würde es an verdrießlichen Kompetenz» strcitigkcitcn, von welchen wir zeilher nichts wußten, weil Stadtrath und Stadtgericht ein Herz und rine Scele waren, nicht fehlen, und der Stadtrath all gemach zur Macht zweiten Ranges hcrabsinken, wäh rend der Herr Justiziar die erste Violine spielte. Wäre aber auch diese Besorgniß nur das leere Hirn gespinst eines überspannten Bürgerausschusses, so wird man uns doch einen andern viel reeller» Uebel- stand nicht abläugnen wollen. Jst's nicht männiglich bekannt, daß die königlichen Herren Amtleute, Justiziarien, Aktuaricn u. s. w., wenn cs zum Li- quidircn kommt, cinc scharfe Feder führen, und Sportelrcste „pflichtgemäs' vom Aermsten mit unbarm herziger Strenge rintrciben, bis das absolute Unver mögen erwiesen ist? Was wir an direktem Zuschuß ersparen, würde/also dcr Rcchtlcidendc bezahlen müssen. Durch einige Geschicklichkeit in der edlen Kunst des gerichtlichen Liquidieens — wer wüßte das nicht, auch ohne Eingeweihter zu sein? — lassen sich hundert und zweihundert Thaler jährlich mit Be quemlichkeit mehr herauskleppcrn, als gerade nöthig wäre. Das wird freilich die Stadtkaffe nicht un mittelbar empfinden, aber desto schmerzlicher dcr Einzelne, den's trifft, und der doch wahrhaftig unsrer Fürsorge nicht weniger bedarf. Der Groschen des Aermsten ist ebenfalls ein Theil des Gesammtver» mögens, das zulctzt den Verlust trägt. Jun, Stadt rath haben wir dagegen das Vertrauen, daß er uns keinen Plusmacher zum Stadtrichter crwählen werde, der überall geflissentlich den höchsten Satz heraus liquidirt, und gleich anfängt zu registrircn und zu protokollircn, wenn die Parteien in dcr ersten Hitze anstürmen. Und ist's denn nun so mathematisch gewiß, daß wir 100 — 240 thlr. aus dcr Stadtkasse zuschießen müssen? Der Gehalt des neuen Stadtrichters wird freilich mit 5 — 600 thlr. angeschlagen l Wäre Ucberfluß an Geld vorhanden, so hätten wir nichts dagegen cinzuwcnden, doch sind 400 thlr., dächten wir, für einen jungen Mann ohne oder mit noch nicht zu zahlreicher Familie auch hinreichend, beson ders wenn ihm mit dcr Zcit cinc Verbesserung in Aussicht gestellt, und die Advokaten - Praxis, natür lich mit der nothwendigen Einschränkung für und gegen hiesige Bürger, nachgelassen wird. Wer damit nicht zufrieden wäre, an dem würden wjr ohnehin nicht viel verlieren, denn unter die erwünschten Eigen schaften unscrs Stadtrichters zählen wir auch eine ächt bürgerliche Genügsamkeit. Wir wollen an ihm nicht blos einen hochgclahrten Juristen, sondern — und nur einem solchen wird hoffentlich der Stadtrath seine Stimme geben — einen freisinnigen, bürgerlich denkenden Mann haben, der uns m allen Nöthen mit Rath und That beisteht, und das ist in unsern Augen mehr wcrth als ioo — 240 thlr.! Wo bleibt dann noch der Ausfall? Endlich aber, und für cincn loyalen BürgcrauS- schuß muß das allemal der überwiegende Grund sein, hat sich die Mehrheit unsrer vernünftigen Mitbürger, die wir vertreten, längst dahin ausgesprochen, daß sie in ein unter unsrer, wenn auch nur indirekten Mitwirkung ernanntes Gericht mehr Vertrauen setzt, als in jedes andre. So lange die Einführung von Schwurgerichten mit Oeffentlichkeit des Verfahrens, so lange überhaupt eine Totaireform unsrer verroste«