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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt und Anzeiger : 21.04.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-04-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841112631-192804212
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841112631-19280421
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841112631-19280421
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungHohenstein-Ernstthaler Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1928
- Monat1928-04
- Tag1928-04-21
- Monat1928-04
- Jahr1928
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Kinverblick Es ist kein Menschenwort so reich, Und also heilig kein Gedicht, Als wenn aus Kindesaugen weich Zu dir die reine Seele spricht. Selbst die Musik, die ewig reine. Sie trübet sich vor diesem Licht, Das hell in deine Seele bricht Und niederleuchtet das Gemeine! Franz Bonn. Zoachim im Pech. Humoreske von Olaf Bouterweck. (Nachdruck verboten.) Einige Jahre hatte Joachim von Sedlitz friedlich und ehrbar die von dem Vater ererbte Klitsche in Mecklenburg bewirtschaftet. Vis ihn im vorigen Jahre eine Art Fie ber erfaßte. Er hielt es auf seinem einsamen Gute nicht länger aus; ihn lockte die Welt, das Leben, die Großstadt. Und k,urz und entschlossen verkaufte Joachim das väterliche, ohnehin stark verschuldete Gut und ging nach Berlin. Das war vor einem Jahr gewesen. Und es war ein tolles Jahr geworden. Selbst ein größeres Vermögen als das Joachims hätte einem solchen Aderlaß nicht stand gehalten. — Trotzdem war Joachim in froher, zuversichtlicher Stim mung. Denn es war Land in Sicht. Der lange Etzdorf hatte ihm gesteckt, daß sich die schöne Lony bei ihm wieder holt über den Freund erkundigt und unverhohlenes Jn'.er- esse für den „netten Varon" bekundet habe. Die schöne Lony, oder richtiger: Ilona Krefft, war die Tochter des Besitzers eines Weinrestaurants, in welch letzterem Joachim zu Abend zu speisen pflegte. Daß Ilona bildhübsch war und außerdem als einziges Kind das riesige Vermögen ihres Vaters erben würde, tat Joachims sofort erwachter Sympathie keinen Abbruch. Und bald durfte er sich rüh men, der bevorzugte Verehrer der schönen Lony zu sein. Mit Widerstand von seiten des alten Krefft war nicht zu rechnen; denn so energisch und selbstbewußt auch der alte Herr dem umfangreichen Betrieb seines großen Hauses vorstand, in den Händen seines reizenden Töchterchens war „Papi" wie Wachs So lagen die Verhältnisse, als Joachim an diesem Abend in zufriedener Stimmug durch die Motzstraße schlen derte, um wie gewöhnlich bei Krefft zu speisen. Plötzlich wurden seine Blicke wie magnetisch von der grellen Beleuchtung eines Fleischerladens angezogen. Vor dem Schaufenster stand ein Mann, welcher sehnsüchtig auf die Würste und sonstigen Herrlichkeiten hinter der Elas- cheibe starrte; als er jedoch Joachims tastende Blicke auf ich liegen fühlte, wandte er sich beschämt von der Schau- enerscheibe ab. In Joachim stieg etwas wie Mitleid auf. War es nötig, daß diefer arme Kerl hier in einem Frag ment von Mantel Herumlies, während im eigenen Schrank daheim mehrere schwere Mäntel hingen, die er längst nicht mehr trug, weil sie unmodern waren? Joachim hätte dem Mann gern eines dieser Kleidungsstücke geschenkt, aber er wußte nicht recht, wie er jenem das Geschenk anbieten sollte. Der Zufall kam ihm zu Hilfe. Der Mann vor ihm rutschte plötzlich aus und fiel der Länge nach zu Boden. Diese Gelegenheit benutzte Joachim, um mit dem Un bekannten ein Gespräch anzuknüpfen. Schon nach wenigen Minuten kannte er das Schicksal des Mannes: Krüger hieß er. Er sei abgedauter Beamter, jetzt stellungslos. Seine Frau mit dem zweijährigen Kinde habe das nicht länger ertragen können und Joachim gab ihm seine Karte: „Ich hab' zu Hause noch einen warmen Mantel, wenn Sie den haben wollen ." „Oh, Herr Baron!" rief Krüger, nachdem er einen schnellen Blick auf Joachims Karte geworfen hatte, „wie soll ich Ihnen das sanken? Gerade mit leerem Magen empfindet man die Kälte doppelt hart!" Joachim faßte plötzlich einen heroischen Entschluß: Wenn er diesen armen Teufel mit zu Krefft nahm und ihn ein mal ordentlich auffutterte? Man konnte die Sache so arrangieren, daß die schöne Lony davon erfuhr. Vielleicht war sie heute abend gar selbst da! Mindestens aber der Alte würde Joachims gute Tal sehen und der Tochter er zählen, was der „nette Baron" doch für ein gutes Herz habe. Krügers Bedenken wegen seiner Garderobe hatte Joachim bald zerstreut. Und eine Viertelstunde später sa. ßen beide bei Krefft in einer gemütlichen Ecke, wo Krüger, den Blicken der übrigen Gäste entzogen, sich schweigend und eingehend mit einem Schweinebraten beschäftigte. Es ging alles nach Wunsch. Die schöne Lony war zwar nicht da, aber „Papi" Krefft kam an Joachims Tisch, um den allabendlichen East zu begrüßen. „Armer Teufel —flüsterte Joachim, auf Krüger de«, tend, seinem Schwiegervater in spe hinter der vorgehalte- nen Serviette zu — „abgebauter Beamter — stellunglos soll sich mal ordentlich durchfressen!" Der alte Krefft lächelte und zog sich diskret zurück. Krüger, der einen fabelhaften Appetit entwickelt hatte, blickte jetzt staunend nach einem in der Nähe stehenden Tisch. „Verzeihung, Herr Baron —," sagte er, „aber was ist das für eine seltsame Speise, die der Herr dort verzehrt?" Lächelnd klärte Joachim den Staunenden auf. Das seien Austern. Ob er auch mal einige probieren wolle? „Nein, nein —," wehrte Krüger ab, „so sei es nicht ge meint." Halb belustigt, halb neugierig, wie dem Neuling die Austern schmecken würden, bestellte Joachim sofort ein halbes Dutzend. Er öffnete ihm einige: „Guten Appetit, Herr Krüger!" Krüger sah mißtrauisch auf die gallertartige, weiße Masse. Es kostete ihn sichtliche Ueberwindung, das Zeug auf seinen Geschmack zu probieren. Dann wagte er es mit dem Gesicht eines Kindes, das Rizinusöl nehmen soll. Doch gleich darauf stieß er einen leichten Schrei aus und fuhr sich ungeniert mit Daumen und Zeigefinger in den Mund, von wo er ein rundes, bläulich-weißes Etwas zum Vor» schein brachte, das sich bei näheren Hinsehen als eine wun dervolle Perle entpuppte. „Deubel noch mal!" entfuhr es Joachim. „Mensch —< haben Sie ein Glück!" Er rieb die Perle an der Serviette. „Das Ding ist ein kleines Vermögen wert!" Krüger wurde vor Freude ganz rot im Gesicht. „Herr Baron, ich verstehe von solchen Sachen nichts. Vielleicht nehmen Sie die Perle an sich. Ihnen wird man sicher da» Doppelte dafür bieten." In Joachims Hirn überstürzten sich die Gedanken. „Hören Sie, Herr Krüger," wandte er sich an seinen Gast, „ich glaube auch, daß ich die Perle bester verkaufen kann, als Sie. Zwar kenne ich den genauen Wert noch nicht, aber ich werde Ihnen vorläufig fünfhundert Mark dafür geben." Krüger blickte ungläubig auf: Herr Baron, Sie Voll« ten —"? „Ganz recht — fünfhundert Mark! Leider habe ich nicht so viel Bargeld bei mir, so daß ich Ihnen einen Scheck ge ben muß. Aber Sie können ja morgen früh in der Bank das Geld abheben." Krüger war außer sich vor Freude, als Joachim ihm den ausgestellten Scheck überreichte. Bescheiden stand er vom Tisch auf — er wolle den gnädigen Herrn Baron nicht länger stören. Joachim reichte ihm zum Abschied die Hand, und er war erstaunt, mit welcher Kraft der hagere Mann ihm die Rechte drückte. Ja, ja, die Freude! Joachim rief ihm noch nach, er solle morgen vormittag nicht vergessen, den Man tel zu holen. Dann zündete er sich in dem wohligen Ge fühl, nicht nur ein gutes Werk getan, sondern gleichzeitig ein noch besseres Geschäft gemacht zu haben, eine Zigarre an. Dabei fiel ihm ein, daß er um Liese Zeit im Klub den dicken Juwelier Petersen treffen würde, den er so nebenbei nach dem Wert der Perle fragen könnte. Das war eine gute Idee. Joachim zahlte und ging. Er wollte sich vor her noch von „Papi" verabschieden, aber der Alte war nir gends zu sehen. Im Klub nahm er den dicken Petersen im gegebenen Moment beiseite, zeigte ihm die Perle und fragte nach dem Wert. Petersen sah sich Lie Perle an. Dann ging er damit näher ans Licht. Nach einer Weile zog er die Augen brauen in die Höhe. „Fabelhast," sagte er, „fabelhaft — diese Imitation!"
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