— .19 stin Stückcben Fleisch ab und abends trugen die But- terbrode jener unbeschreibliche mikroskopische Etwas an sich, daS der Graf allem zu geben wußte, das durch seine Hande ging. Einst als dcS Pfarrers Junge ei ne Karaffe Wasser vom herrschaftlichen Hofe kolcn kam — pfändete er ikm um fünf Silbergroschen und erreichte damit das äußerste Ziel meiner Vorstellungen von ibm. Nichts desto weniger wußte der Graf durch dreimaliges tägliches Gebet, zu dem ich als Theologe natürlich augestellt war, allen seinen Handlungen eine gewisse salbungsvolle Schminke zu geben, die ihn um so straffälliger machte. Sie haben aber schon so viel von diesem socialen Elend gehört, daß ich endlich auf den politischen Theil meines Verbaltniffes temmen n usi, denn alles Sociale ist heutzutage auch politisch, wie jener iin E ub sagte, da er auf die Tübine sprang und feinem geehrten Vorredner über die moderne Gesellschaft zwei Oynei- gen gab. Der Graf beschäftigte sich also auch mit Politik, er machte alle Stadien der Nationalversammlung mit, er verdammte die bürgerlichen Minister, er verfluchte v. Pfuel, er alhmete freier unter Brandenburg-Man teuffel, aber er wu>dc zuletzt melancholisch; ich wußte auch warum, es ging ihm an die Achillesferse, an sei nen Geldbeutel; ja er wurde zuletzt so zerstreut, daß mittags ein Pfund Fleisch mehr auf den Tisch kam und er es nicht merkte. Dieser Zustand währte wochenlang. Wie der Graf abzehrte, wurde ich beleibter; schon konnte ich, ohne mich auszustvpfcn, meinen Rock wieder zuknöpfen; da sollte die Botschaft vom 7. Januar allem ein Ende machen und die Katastrophe hcrbeiführen. Als die Zeitung jene Nachricht brachte — wir saßen gerade bei Lisch — ließ der Graf Ehampagner holen, es war ein Schoppen und sah sehr »nausgewachsen aus. Er trank das Wohl der Minister mit der Gräfin und seinem Sohne, auch über mein Glas wurde das Fläsch chen gebeugt und cs siel eine Thräne des Mitleids hinein, die aber auf dem langen Wege vom Boden dcS Glases bis zu meinen Lippen elendiglich verschmach tete. Ob ich nun ein so mißliebiges Gesicht machte bei dem vergeblichen Versuch den zähen Tropfen aus dem Glase zu saugen, ich weiß es wirklich, nicht, aber der Graf hatte eS bemerkt und sagte: „Herr Doctor! ich habe Sie zwar immer für eine Art von Scheidt, mann gehalten und einen sinstern Blick in ihre bour geoisen Ansichten geworfen, aber daß Sie bei der Ge sundheit, die ich auf diese superben Manner ausbringe, sich eines so unzeltigen ZögeHß schuldig machen, fcha, del Ihnen noch mehr in meiner Opinion!" Dabei sah er auf das Tischtuch. Sie können sich denken, daß ein armer Schulmeister, der in der Höht« des Feindes sitzt, jammervoll schwieg. „Ich hätte in dem Augenblicke, der vielleicht in unserer Familie über die erbliche Paine entscheidet,'? fuhr der Graf fort, „eine größere Theilnahme von Ihnen erwartet, da Sie in Milte derselben ausge nommen, mit allen Regards behandelt sind, Herr Docror." In diesem Augenblicke schnitt das junge Ungeheuer, der klein, Graf, der auf Ohrfeigenweile vor mir saß, ein abscheuliches Gesicht und streckte mir die Zunge aus. Das war zu viel. Der Stolz dcS deutschen Schulmeisters erwachte in mir — sind auch die Hoff nungen unseres Vaterlandes verwelkt — dieser Jung« muß eins haben. So dachte ich unk so that ich. Der junge Pair in spv hatte eine Ohrfeige nach allen Re geln der Kunst erkalten. Was weiter geschehen, können Sie sich denken; ich sitze drei Tage nach diesem Vorfälle, zwanzig Meilen von der Stätte, wo die Unlhat begangen, ohne Geld in Schlawe und hoffe, daß mich ein Correspondenz- honorar nach meiner Hcimath flott machen wird. Helfen Sie dem ersten politischen Märtyrer einer erblichen Paine. Ihr ganz ergebenster M. Allerlei. Eine jugendliche Mörderin stand kürzlich vor dem Assisenhose der Gironde. Ein junges schönes Mädchen mit einem Kinde an der Brust gestand, daß sie ihrem Geliebten, nachdem er ihr Verführer geworden war, in einer an Verzweiflung grenzenden Stimmung, in wel cher sie Wuth und da- Gefühl der Schande zur Ra senden gemacht, eines Abends mit einer Flinte aufge- lauert und, als er erschienen, das Gewehr auf ihn loS- gedrückk habe. Was darauf geschehen, könne sie sich nicht entsinnen, da sie nach der Thar daS Bewußtsein gänzlich verloren habe. Da aber der schwer bestrafte Verführer nicht getödtet, sondern nur schwer verwun det wurde, so sprachen die Beschwornen die geständi ge Mörderin — frei.