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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt und Anzeiger : 21.10.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-10-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841112631-192710216
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841112631-19271021
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841112631-19271021
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungHohenstein-Ernstthaler Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1927
- Monat1927-10
- Tag1927-10-21
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langen herunter, und unter vielen Knixen wurden die Zungen Mädchen in die sogenannte „gute Stube" kompli mentiert Katharine ging dann mit Rothe in dessen Kon tor, jo daß Eerda allein blieb. Sie sah sich neugierig um in dem Zimmer; es schüttelte sie — brr — eine Luft herrschte darin, so eingejchlossen und dumps, daß es sich beengend auf ihre Brust legte An den Wänden war eine unmögliche, ultramarinblaue Tapete, dazu in grellem Ge gensatz ein grünes Ripssosa mit vielen gehäkelten Scho nern Ueber dem Sofa hingen Oeldruckbilder vom Kaiser und der Kaiserin, beide mit sehr roten Wangen und «ehr blauen Aug-n. Zwischen den Fenstern war ein Spiegel mit Eoldleiste, in dem man ganz verzerrt aussah, darunter auf einem Schränkchen billige und geschmacklose Nipp sachen und ein Album mit feuerrotem Plüschumschlag, und vor dem einen Fenster, das nach dem Hofe ging, — zwei ließen nach der Straße blicken — in einiger Entfernung ein großer Düngerhaufen, auf dem Tauben. Hühner, Gänse und Enten sich herumtummelten und ein mehr oder weniger friedliches Dasein führten. Hier hatte sie also einen richtigen Bauernhof vor sich, und das sollte nun schön und idyllisch sein! Sie rümpfte das seine Näschen und setzte sich auf das grüne Ripssofa. Da wurde behut sam die Tür geöffnet, und halb neugierig, halb scheu lugten einige Flachsköpfe herein, die dann Mut faßten und vor sichtig hereintrippelten, noch immer die geöffneten Taschen messer in der Hand. Das größte Kind, ein Mädchen von ungefähr zwölf Jahren, hatte das kleinste, das kaum zwei Jahre zählte, auf dem Arme, das ebenfalls krampfhaft sein Messer in der Hand hielt und damit in bedrohlicher Nähe seines Gesichtchens herumfuchtelte. „Um Gottes Willen, Kind, die Kleine kann sich ja ver letzen, kann das größte Unglück anrichten; nimm ihr doch Las Messer weg," sagte Eerda ängstlich; es überlief sie ordentlich kalt bei dem Anblick; wie konnten nur die Eltern so kurzsichtig sein! „Lieschen tut sich nischt," lachte das Mädchen breit und verlegen. Zwei Buben in fast gleicher Größe standen grinsend vor Eerda und starrten sie an, den Finger im Munde. „Das ist unse jute Stube, da derf sonst keener rin, nur wenn Besuch da is," sagte der eine, „un us das jute Sofa Versen wir uns ooch nich setzen — Eerda wollte aufstehen. „O je, da muß ich mich lieber wo anders hinsetzen, damit ich das ,jute Sofa' nicht am Ende beschädige!" Innerlich wollte sie sich ausschütten vor Lachen; ihre Spottlust bekam hier reiche Nahrung. — Himmel, wie sahen die Bälge aus; schmutzig, mit nicht ganz sauberen Nasen — bei dem einen hatte das Höschen an verhängnis voller Stelle ein Loch, durch das in nicht gerade schneeiger Weiße der Hemdzipfel hervorlugte. Schade, daß Hellmut nicht da war! Der hätte sich amüsiert! „Nee, du derfst ruhig sitzenbleiben," meinte der andere gnädig; „du bist doch Besuch!- Bloß wir derfen nich, sonst zibt's Kloppe, aber feste!" „Wie heißt du denn?" fragte Eerda, immer mehr be lustigt. > „Iche? — Ich heeße Willem, un das da is Karl, un das is Mine, die Lieschen uf'n Arme hat," berichtete der Junge wichtig, immer dreister werdend, „un die Messer hat uns Vater gestern aus Halle mitjebracht." Lieschen spielte jetzt so gefahrdrohend mit dem Messer, daß Eerda nicht anders konnte, als es ihr wegzunehmen. Da erhob die Kleine ein durchdringendes Geschrei; ratlos stand das junge Mädchen da, und die Kinder waren sehr verlegen „Mutter weeß jar nich, daß mir hier sin; die denkt, mir sin bei die andern in'n Garten. Na, die Haue, wenn sie's merkt!" Aber die Kinder gingen nicht, und die Kleine schrie weiter. Da ergriff Eerda ein glücklicher Gedanke. Sie zog die Uhr aus dem Gürtel und ließ sie vor den Augen des Kindes hin- und herschaukeln Da wurde es ruhiger; mit erstauntem Blick folgte es dem kleinen, glänzenden, sonder baren Ding, bis sie nach Art aller Kinder danach griff und es auch nicht wieder losließ Mine trocknete unter dessen mit ihrer nicht ganz sauberen Schürze die Tränen Lieschens, so daß deutliche Schmutzspuren deren Weg kenn zeichneten Auch den anderen Kindern imponierte die Uhr sowie die vielen zierlichen Kleinigkeiten, die an langer Kette hingen, und jeder wollte was sehen Der fünfjährige Wilhelm faßte sogar mit seinen dicken Patschen Eerda an, jo daß man ganz deutlich die Fingerabdrücke an dem zart farbigen Kleide sehen konnte. „Iche ooch, Freilein, iche ooch —." „Kinder, laßt mich nur, ihr verzerrt mir ja alles!" Aber das Kleine hatte wenig Respekt vor Cerdas Würde. Krampfhaft hielt es die kostbare Uhr fest, bis es Eerda gelang, sie wieder zu bekommen, was abermals ein durch dringendes Geschrei zur Folge hatte. „Tick-Tack, Tick-Tack haben." Zum Glück kam jetzt Katharine herbei. Verblüfft blieb sie auf der Schwelle stehen, als sie das verwöhnte Mädchen in dieser Lage sah, und ein heiteres Lächeln flog um ihren Mund „Gut, daß du kommst, Käthe, ich bekomme den kleinen Schreihals nicht wieder ruhig," rief Eerda ihr entgegen. „Ach Eott, ach Eott, gnädiges Fräulein," jammerte die Mutter der Kinder, die an Katharine vorbei ins Zimmer eilte, jedem der Jungen ein paar derbe Ohrfeigen verab reichte und die ganze kleine Gesellschaft Heraustrieb „Ihr unartigen Bälge, könnt ihr gar nicht hören? Was habe ich euch denn gesagt? Raus mit euch! — — Ach, ent schuldigen Sie man, gnädiges Fräulein, man hat jo seine Not mit den Kindern," jammerte Frau Rothe. „Lassen Sie nur gut sein," beschwichtigte Käthe die auf geregte Frau, die ordentlich zitterte, „wir wollen Sie nun nicht länger stören." „Das werden Sie uns doch nicht antun, nein, nein; ich habe Kaffe gekocht; Sie müssen erst eine Tasse trinken; so lasse ich Sie nicht fort, das würde mich kränken " Alles Dagegensprechen half nichts; sie mußten bleiben, und mit Ergebung fügte sich Eerda Neugierig sah sie zu, wie die Frau den Elasjchrank in der Ecke des Zimmers aufschloß und die besten Tassen — große blaue Tassen mit reichlichem, lebhaft getöntem Blumenschmuck und Goldrand — herausnahm, behutsam aus den Tisch stellte, von dem sie erst sorgfältig die Decke abgenommen hatte. „Du, ich komme um, Käthe — mit dem besten Willen — ich kann nichts genießen," sagte Eerda, während Frau Rothe den Kaffee holte. „Sei ruhig, Eerda! Sollst auch nicht! Ein Elas Sahne wirst du doch aber trinken, wenn ich es dir hole? Man kann die Leute doch nicht beleidigen! Ich werde es schon einrichten." „Liebe Frau Rothe," sagte Katharine, als diese, rot vor Aufregung, mit der dampfenden Kaffeekanne in der einen und einem Teller voll Kuchen in der anderen Hand hereinkam —. „Liebe Frau Rothe, Fräulein von Freesen darf keinen Kaffe trinken; der Arzt hat es ihr verboten, aber Milch. Ich sah vorhin draußen Sahne stehen, — sie ist bestellt, ich weiß es — aber ein Gläschen wird schon davon zu entbehren sein! — Nein, bleiben Sie sitzen, ich weiß ja bei Ihnen Bescheid und hole sie gleich selbst!" Und schon war Käthe aus dem Zimmer, ehe die noch immer auf geregte Frau Rothe etwas erwidern konnte. Nach einem Augenblick kam sie wieder herein, auf einem Teller ein Elas köstlicher Sahne tragend. „So, Eerda, nun lasse es dir gut schmecken!" Mit Geschick wußte sie das Gespräch so zu führen, daß die biedere Frau sich endlich von ihrem Schrecken über den vornehmen Besuch erholen konnte. Gerda bemühte sich, nett und leutselig zu sein; sie lobte die schöne Sahne, daß die Frau hochbefriedigt war und sich nicht genug tun konnte, sie in allen Tonarten zu preisen, als die jungen Mädchen weggefahren waren Natürlich mußte sofort das ganze Dorf von den feinen Gästen erfahren; das konnte Frau Rothe keine Minute auf dem Herzen behalten; brühwarm erzählte sie es den Nachbarn mit kühner Phantasie, jo daß man beinahe annehmen konnte, sie würden demnächst zum Essen nach Bressendorf eingeladen — „Nicht ein bißchen stolz war sie, gar nicht ein bißchen, und Lieschen hat sogar mit ihrer Uhr spielen dürfen —und voller Stolz sah sie den Neid der Nachbarn, denen nicht jolche hohe Ehre wider fahren war. (Fortjetzung solgt.f
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