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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 16.10.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-189810161
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-18981016
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-18981016
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungHohenstein-Ernstthaler Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-10
- Tag1898-10-16
- Monat1898-10
- Jahr1898
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 16.10.1898
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?>wei Midche». S! o v e I l e von G. Dl e r li. (Fortsetzung.) p)Iachdruck verboten.) Als Lia zu später Stunde allein in ihrem Zimmer Ivar, suchte sie die Bewegungen und schüchterne stimme der Frau Lieutenant nachzu ahmen. Dann lachte sie plötzlich laut vor sich hin — ein leidenschaft liches Lachen, aus dem eine tiefe Erregung klang. Das; sie die nach giebige Hermine Halden zu dem überreden konnte, was sie sich in den Kopf gesetzt hatte, wußte Lia. Es war also beschlossene Sache: die junge Frau sollte mit ihr den Maskenball besuchen : da sie in gleicher Große waren, jede schlank und zierlich gewachsen, mußte es möglich sein, durch eine völlig gleiche Kleidung und Vermummung zwei so ähnliche Erscheinungen zu erzielen, daß eine nicht von der anderen zu unterscheiden war. Dafür aber, daß der Amtsrichter sie verwechselte, sie für die junge Offiziersfrau hielt, wollte Lia selbst sorgen. Wenn ihr die Nolle einigermaßen glückte, hoffte sie ihn auf diese Weise über seine Gesinnungen ihr gegenüber aushvrchen zu können. — An dem Ballabende stiegen denn auch zwei anmuthige, in schwarze Spitzen gehüllte, zum Verwechseln ähnliche Gestalten in Begleitung des Lieutenants Halden in den Wagen. Die junge Amerikanerin hatte ihrer Begleiterin einen ganzen Vorrath von kleinen Bosheiten ein geflüstert, den sie an verschiedene bekannte Herren verthcilen sollte; und die junge Frau, die selbst nicht viel Witz besaß, flatterte nun ganz lustig von einem Arm zum anderen und war bald von einer Schaar junger Männer umringt, deren Neugier sie durch ihre Bemerkungen wachgerufen. Lia selbst verhielt sich ziemlich still und vermied es, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Sie suchte nur nach Bernhard. Der Amtsrichter trat in den Saal, im Frack, mit dem MaSken- zeichcn an der Schulter, und bald hing eine leichte, schwarze Gestalt an seinem Arm. Sie hatte ihn schüchtern, verzagt angeredet. Eine Weile führten sie eine ziemlich spärliche Unterhaltung. Lia hütete sich, witzig und schlagfertig zu sein. Plöhlich seufzte sie tief auf. Vor ihnen schritt Lieutenant Halden mit einem Domino in Rosa in leb haftem Geplauder auf das Buffet zu. Lia freute sich ungemein über diese Begegnung. Sie drängte ihren Begleiter an das Paar heran. Sie schien zerstreut, bedrückt. „Kennst Du jene Maske in Rosa?" fragte sie mit einem gut ge spielten Ton der Angst. „Nein. Eine fesselnde Erscheinung! Der Herr Lieutenant scheint sich vortrefflich zu unterhalten." „Abscheulich!" Halb zornig, halb schluchzend klang's. „Ah, eifersüchtig! Verehrter Domino, Du hast Dich verrathen! Ich habe also die Ehre, Frau Halden am Arm zu führen?" „Rein! nein! Was fällt Ihnen ein?" rief die Maske; aber die ängstliche Abwehr machte ganz den Eindruck einer Bejahung. Lia's Herz klopfte in gespannter Erwartung. „Triumph! Triumph!" jubelte sie innerlich. „Die Komödie ist bis jetzt geglückt." Sie blickte noch eine Weile, wie gedankenverloren, nach dem rosa farbenen Domino, dann ließ sie sich seufzend von ihrem Begleiter weiterführen. „Verzeihen Sie," flüsterte Lia zögernd ihrem Begleiter zu, als wage sie jetzt, da sie sich erkannt fühlte, das Masken-Du nicht mehr auszusprechen. „Verzeihen Sie, daß ich so gar nicht amüsant zu plau dern weiß. So etwas schickt sich wohl auch besser für ein junges Mädchen, die ei» ganz leichtes, freies Herz hat. Zum Beispiel Lia. Sie wird mit der Maske nette Bosheiten sagen tonnen; glauben Sie nicht, Herr Amtsrichter?" „O, Fräulein Swift bedarf der Maske nicht, um jede Bos heit auszusprechcn, die ihr einfällt. Sie nimmt sich ja immer diese Freiheit." „Finden Sie? Ach ja, zuweilen ist sie wohl sehr schnippisch," sagte die seine Stimme neben ibm in sanftem Tadel. „Meinen Mann hat sie einige Male schon verletzt." „Was wollen L>ie, gnädige Frau," fuhr Bernhard fort. „Sie ist einer jener glänzenden Vögel, die den Sturm rufen " Diesmal ward es seiner Begleiterin nicht schwer, etwas naiv zu fragen. „Wie meinen Sie das?" Sie hatte ihn wirklich nicht ver standen. „Wie ich das meine?" erwiedertc er leise, finster. „Sie erinnern sich doch aus der Geschichte an jenen tollen Uebermuth, mit dem vor der französischen Revolution der Adel die Wuth eines hungernden, dar benden Volkes reizte? So lange haben die bevorzugten Glückskinder den Ingrimm, den Neid des Volkes wachgerusen, bis ihm der Zorn die Vernunft raubte, bis es zur rasenden Bestie wurde. Seitdem ist dem Adel der Uebermuth gedämpft worden. Aber seitdem sind Andere obenauf gekommen, die statt mit ererbtem Namen, mit ererbtem Gelbe die Freuden des Lebens für sich allein beanspruchen wollen und zum Theil auch können. Auch auf sie blicken wieder düstere Augen. Die Denkenden unter den Glückskindern wissen das wohl. Sie geben sich Mühe, durch ein maßvolles, bescheidenes Genießen die Vorrechte, die ihnen das Schicksal gewährt, zu verdienen. Aber Andere wieder for dern geradezu den dumpfen Groll heraus. Zu ihnen gehört Lia. Ihr ganzes Gebühren schreit wie ein höhnender Ruf den Besitzlosen in's Gesicht: „Seht doch, wie ich lache! Wie ich verschwende! Ich thue, was mir gefällt! Ich darf es ja!" Ihre kecke, hochmüthige Selbst überhebung muß in hundert mühsalbeladenen Herzen, in hundert arbeits müden Köpfen die Frage wachrufen: „Warum Du, warum gerade Du?" Darum sagte ich: sie ist eine von denen, welche den Sturm wecken, welche in glimmende Funken blasen, aus denen noch eine vernichtende Flamme emporwachsen kann." Eine Weile schritt die verhüllte Gestalt an seiner Seite mit ge senktem Haupte dahin. Lia rang nach Ruhe, nach Kraft zur Verstellung. Als sie diese hinreichend gewonnen zu haben glaubte, versetzte sie mit dem schüchternen Ausdruck HerminenS: „Es scheinen nicht alle Männer Ihrer Ansicht zu sein, Herr Amtsrichter, man macht Lia doch so viel den Hof." „Natürlich; sie ist umgeben von Schmeichlern. Das ist ihr Un glück und ihre Entschuldigung. Keiner hat den Muth, ihr die Wahr heit zu sagen ; Jeder thut, als bewundere er ihre Launen, schwärme für ihre Extravaganzen —" „Sie meinen also," siel ihm Lia rasch, mit einer krampfhaften Anstrengung, die tiefe, innere Erregung zu verbergen, in's Wort, „Sie meinen, daß die Männer alle heucheln, daß es Keinem Ernst sei mit seiner Bewunderung, daß Keiner sie wirklich liebt?" „O ja, Jeder liebt sie wirklich, das heißt ihren Reichthum. Jeder begehrt sie glühend, das heißt ihr Geld. Es ist ein Jrrthum, daß sich Männer nicht leidenschaftlich für eine Erbin entflammen könnten. Vielleicht ist die Gier nach Besitz die einzig große Leidenschaft unserer Zeit. Ein Vianu aber, der Lia mit dem Herzen liebte, nur sie, sie selbst, der das Unglück hätte, eine echte und wahre Neigung für ihre Person zu empfinden, würde sich gewiß lieber die Zunge abbeißen, als es ihr zu gestehen, als sich zum Spielball ihrer Gefallsucht herzu geben. Ein stolzer Mann wirbt nicht um ein Mädchen, die auf ihr Geld iu solcher Weise pocht." Die kleine Hand, die auf Bernhard's Arm liegt, zieht sich zurück. „Verzeihen Sie: ich sehe dort meinen Mann; ich muß ihm ein paar Worte sagen," klingt es hastig, mit letzter Kraft der Selbstbeherr schung. Bernhard verneigt sich stumm; er athmet laut und rasch. Er lehnt sich an eine Säule in der entferntesten Saalecke; wie in einem grauen Nebel wogen die Paare an ihm vorüber. Was er gesprochen, hat ihm die Seele aufgewühlt; er muß ringen nach Ruhe. Lia hört kaum, was der Lieutenant, an dessen Arm sie sich ge hängt hat, zu ihr spricht. Ihr Herz hat die erste furchtbare Enttäu schung getroffen. Sie Hatto geglaubt, daß Bernhard ihr gut sei, hatte gehofft, ihm in der fremden Rolle nicht ein Geständnis;, aber doch ein Wort zu entlocken, das ihr verrathen haben würde, was sie so heiß zu wissen begehrte. Und nun dieses vernichtende Urtheil — gerade von ihm! Im ersten Moment fühlt sie sich wie betäubt, zerknirscht, er schüttert. Ihr eigenes Ich erscheint ihr wie in einem häßlichen Spiegel,
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