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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 23.04.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-04-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190304234
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19030423
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19030423
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungHohenstein-Ernstthaler Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-04
- Tag1903-04-23
- Monat1903-04
- Jahr1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 23.04.1903
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8 Leipzig, 19. April. Wenn einer den Dummen spielen will, muß er « gescheit anfangen. La« brachte Friedrich Rudolf Wolf, seine« Zeichen- Zimmermann und schwerer Einbrecher, nicht fertig, und deshalb war da« Landgericht so srei, ihn wegen verschiedener Einbrüche und gefährlicher Verletzung eine« seiner Verfolger zu acht Jahren Zuchthau«, zehn Jahren Ehrverlust und Stellung unter Polizei aufsicht zu verurteilen. Im Gefängni» und während der Verhandlung spielte der gefährliche Verbrecher den „wilden Mann". Al« ob ihn da« ganze Ber- fahren nicht- anginge, gab er aus die an ihn ge richteten Fragen keine oder „dumme" Antworten (er sei Bi-marck, ein großer Feldherr, der Zar habe ihm einen Orden verliehen, seinen Degen geschenkt usw.), stierte wie blödsinnig zum Fenster hinaus, rasselte ab und zu, al- ob ihm da- besondere- Ver gnügen mache, mit den Ketten, mit denen er gefesselt werden mußte usw. Im Gefängnis hotte er wieder holt furchtbare „Tobsuchtsanfälle". Einmal zerriß er seine Kleider von oben bi- unten. Nm anderen morgen aber fand man ihn wieder vollständig an- gekleidet in seiner Zelle. Er hatte — eS war im November — gefroren und eS deshalb vorgezogen, mit Fäden aus seiner Matratze Rock und Beinkleid wieder so kunstgerecht zusammenzunähen, wie ein Geisteskranker eS nie fertig bringt. Die psychiatrischen Gutachter wiesen in der Hauptsache darauf hin, daß Wolf den Blödsinnigen, den Schwachsinnigen und den Tobsüchtigen zu gleicher Zeit spiele, waS sich nicht mit den bei Geisteskranken gemachten Er fahrungen decke, und bezeichneten ihn einstimmig als Simulanten. Als das Urteil verkündet wurde, wachte der Angeklagte plötzlich ouS seiner „Lethargie" auf und schrie: „Ich habe Hunger! Macht, daß Ihr hinauSkommt, Ihr . . . ." (Die Würde de- Gerichtshofs läßt hier die Höflichkeit der Sängers schweigen.) 8 Zum Mordprozeß Degen. Kassel, 20. April. Die MordversuchSafsäre deS Husarcnunter- osfizierS Degen, welche daS Kriegsgericht der 22. Division in zweiter Instanz beschäftigte, ist nunmehr endgiltig auS der Welt geschafft. DaS Dienstmädchen Hemel, daS den Unteroffizier beschuldigt hatte, er habe sic in die Fulda geschleudert, um sich ihrer zu entledigen, hat jetzt vor Gericht zu Protokoll gegeben, fie sei, infolge eines Schwindelanfalles, in den Fluß gestürzt. Da- Mädchen hat aus Befragen der Richter- versichert, daß sie diese Erklärung ohne jede Beeinflussung abgebe. 8 Der Kurpfuscherei wird jetzt energisch zu Leibe gegangen. So wurde von der Strafkammer zu Mühlhausen in Thüringen der Kurpfuscher Genau wegen Betrugs im Rückfall und wegen fahrlässiger Körperverletzung zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt. Erbereiste,wic wir den VerhandlungSberichtendortiger Blärter entnehmen, die ganze Umgegend, gab sich al» Wunderdoktor Hesse aus und lockte armen Kranken Geldbeträge von 4 bi- 20 Mark ab. Er gab überall vor, daß er Kranke nach den Grund sätzen der Homöopathie behandele und mit seinen Heilmitteln gesund machen wolle. Durch die Art der Behandlung hatte der Angeklagte daS vorzeitige Ende einer Frau herbcigesührt. Kleine Chronik. * Berlin, 21. April. Da« Blumenmedium Anna Rothe ist zur Verbüßung der 1'/.jährigen Gesängni«strase, von der die Untersuchungshaft ab gehl, nach dem Zentralgesängni« für Frauen in Koltbu« übergeführt worden. * Berlin, 21. April. Der Umfang de« Sturm schaden« in Berlin wird nach den bisher vorliegen den Meldungen auf weit über 250 000 M. geschätzt. * Berlin, 2l. April. Eine Falschmünzer- bande wurde gestern abend von der Polizei festge nommen und ihre Werkstätte autgehobe». E« handelt sich um die Maier Linier und Schulz, die bereit« wegen Falschmünzerei mit Zuchthau« vor- bestraft find, sowie 4 Helfershelfer, welche den Vertrieb der Falsifikate unauffällig besorgten. Die Polizei beobachtete die Fälscher seil Wochen, bi« sie genügend Bewei«matcrial halte, um die Verdäch tigen auf frischer Tat zu ertappen. * Berlin, 22. April. Der angesehene Kaufmann Lust in Rattelsdorf verübte an seiner Ehefrau und seinem 6 Jahre alten Sohn einen schweren Mord versuch mittels Revolvers. Der Sohn wurde tät lich verletzt. Der Mörder verüble Selbstmord. Das Motiv ist unbekannt. * Charlottenburg. Einen „netten Lehrling" hatte der hiesige Friseur Michel«. Ein 14jähriger Bursche, Gustav Busse, trat am 1. April bei ihm in die Lehre ein, zunächst auf Probe. Ec benahm sich wiederholt so ungebührlich, daß ihm schließlich der Meister eine Ohrfeige gab. Darob schimpfte und tobte der angehende Lehrling und zog einen geladenen Revolver au« der Tasche, „um blutige Rache zu nehmen". Der Meister machte kurzen Prozeß und warf ihn samt der Waffe auf die Straße. Dort raffle der Bengel den Revolver wieder aus und drohte nun, daß er den Meister und den Gehilfen erschießen werde. Km zu be- weisen, daß er auch wirklich scharf geladen hatte, schoß er eine Kugel durch den Bretterzaun. Be- vor er aber Blut vergießen konnte, kam seine Mutter, nahm ihn am Kragen und brachte ihn nach Hause. * Brei-lau Wie bi« jetzt ermittelt, gingen bei dem Unwetter in Schlesien 9 Menschenleben verloren, 5 sind im Schneesturm umgekommen, 4 wurden von Eiscnbahnzügen überfahren. — Die Kohlenverladung auf den oberschlesischen Bahnen muß vorläufig unterbleiben, da die Grubenhöfe ver schneit find und Wagen nicht gestellt werden. Die Gruben feiern; auch von den niederschlestschen Gruben werden Verladung.störungen gemeldet. * Koburg, 19. April. Der Bau der hiesigen Elektrizität-werkeS, dec ohne wesentliche Störungen von statten ging, hat noch kurz vor der Vollendung ein Menschenopfer gefordert. Bei den KanalisierungS- arbciten war ein Graben hinter dem städtischen Bauhofe vier Meter tief gegraben, aber nicht vor schrift-mäßig abgesteist worden. Die an beide» Seiten ausgestapelten Steine kamen in- Rutschen, die Erbmassen stürzten zusammen und begruben den Erdarbeiter Gärtner unter sich, während ein anderer durch schneller Beiseitcspringen sich retten tonnte. Ersterer wurde alsbald al- Leiche geborgen. Er hinterläßt Frau und vier unmündige Kinder. * Kahla, 20. April. Noch hat sich die Er regung über die Ermordung de« Maurer« Martin, über die wir berichtet, nicht gelegt, al« heule Nachmittag eine neue Schreckensbotschaft die Stadt durcheilte: der hiesige Volk«schullehrer Johanne« Ruckebrod hat sich und seine 18jährige Geliebte Klara Rudolph erschaffen. Die Leichen wurden am Nachmittag auf einer Bank an der Chaussee nach Hummel«hain liegend gefunden. Hoffnung«lose Liebe ist da« Motiv der schrecklichen Tat. * Heide in Holstein, 22. April. Ein Groß feuer wütete gestern nachmittag im Dorfe Basberg an der Bahnstrecke Heide—Neumünster. 9 Ge bäude sind niedergebrannt, 10 Familien obdachlos. Der Schaden ist enorm. * Pilse«, 21. April. In der sogenannten „Einöde" bei Neuhau« brannte dieser Tage da« Hau« de« Viehhändler« Koprtch nieder, wobei vier Kinder den Ersiickungttod sanden und zwei andere schwere Brandwunden erlitten. Ein Knecht, welcher der Brandlegung verdächtig ist, wird vermißt. * Königgrätz, 21. April. Der Gefreite de« 18. Infanterie-Regiment« Karl Fischer hat sich vor den Augen seine« Hauptmann« mit seinem Dienstgewehr erschaffen. * Eine niedliche Episode soll sich vor einigen Tagen in einer belebten Straße des Londoner Wes tens abgespielt haben. Einer der „unnahbaren" englischen Gentlemen war auf dem Wege nach sei- nem Klub, als er plötzlich merkte, daß ein Taschen dieb bei ihm auf Entdeckungsreisen ging. Er er griff den Spitzbuben bei der Hand und wollte ihn ursprünglich so lange festhalten, bis ein Schutzmann herbeigeholt war. Als er aber die Hände seines Gegners sah, ließ er sofort los und rief entrüstet aus: „Waschen Sie sich erst die Hände, ehe Sie in die Taschen eines Gentleman greifen." Kirchliches. Die „Britische Bibelgesellschaft" ist mit Beginn de« letzten Monat« in da« hundertste Jahr ihre« Bestehen« eingetrelen. Zur Vorfeier de« nach Ab lauf de« Jahres zu erwartenden Jubelfeste« veran staltete ste in dem „Egyptischen Saale" de« Lon- dauer Rathause« eine Versammlung, zu der sich Vertreter der höchsten kirchlichen und bürgerlichen Kreise eingefunden hatten. Den Vorsitz führte der gegenwärtige Lordmayor von London. Der Präsident der Gesellschaft, Graf von Northampton, gab eine kurze Ucbersicht über die Entwicklung der Gesellschaft im vorigen Jahrhundert. Sie verbreitet nun 330 Bibelübersetzungen. Die Zahl der abgesctzten Bibeln und Bibelteile beträgt 180 Millionen. Die Bet- träge sind von 385 000 Mk. aus 2 750000 Mark gestiegen. Einen besonderen Reiz erhielt die Feier dadurch, daß der Ministerpräsident Balfour, bekannt lich kein Neuling in der Frage nach dem Verhällnt« von Religion und Wissenschaft, unter der Zahl der Redner erschien und in einer Ansprache seine An schauungen über die „Stellung der Bibel innerhalb de« modernen Geiste«lebens" entwickelte. Die „Sächsische Hauptbibelgesellschasl" sieht nun auch schon aus 88 Jahre ihre« Bestehen« zurück. Au« dem von ihr anläßlich der Osterkollekle ver sandten Flugblatt teilen wir nur folgende» mit: Im vergangenen Betriebtjahr sind 21274 Bibeln, 11 453 Neue Testamente und 134 Psalter, also 42861 heilige Schriften verbreitet worden. Seit dem 14. August 1814, dem Stistungstage, sind nicht weniger al« 973 969 Bibeln, 294782 Neue Testa mente, 6964 Psalter und 325 einzelne Teile der heiligen Schrift, zusammen 1 276 040 heilige Schriften durch den Dienst der Gesellschaft verbreitet worden. In 42 Zweigvereinen, von denen 5 im Glauchauer Bezirk, vollzieht sich die umfassende Arbeit der Gesellschaft. Da die Preise der Bibeln bi« 50 Prozent unter die Selbstkosten herabgehen, ist ein jährlicher Zuschuß von 30000 Mk. erforder lich, zu dessen Deckung die Osterkollekle mithelsen soll. Unler den Legalen sei insbesondere da« von 500 Mk. eine- frommen Bergarbeiter« F. A. K. in Altenberg genannt, der damit sterbend seine Liebe zu Golle« Worl bekannt Hal. Handels-Nachrichten oorllu, 20. April. (Wechsel-LourS.) 8 8 8 4'/, Reich«banl 3'/,"/°, Lomb. Mark 169,00 iS vsuk- Vl800nt 8 T 2M 8 r 8M ior 2M ior 8 r 3M ii r 2M 8 r 3M 3 T 3M 81,25 iS 80,05 « 81,40 G Amsterdam per 100 st. k. Brüssel und Antwerpen pr. 100 Franc«. Italienische Plätze pr. 100 Lire Schweiz. Pl 100 Frc. London pr. 1 LstrI. Madrid und Barcelona pr. 100 Peseta« Pari« pr 100 Franc Petersburg pr. 100 Rubel Warschau 100 Rubel Wien per 100 Kr. 5 W. 4,20 81,15 G 81,05 G 4 5 5 4 112,25 G 20,4-5 G 20,315 iS 85,30 G 84,60 G F. 4V/°. 5'/, 8 r 3-/. b r »»»««durir, 20. April, Nornzucker cxcl. 88»/„ Rer- denieni 0,50-0,70. Nachvrodnct« excl. 75'/, Rendcment 7,25—7,55. Stimmung: Stetig. Kristallzucker I 30,07'/,, «rodrafstnade I 29,82'/,. Sem. Raffinade mit Faß 29,82'/,. Gem. MeliS 29,32. Rohzucker I. Product Trans, f. a. B. Hamburg per April 16,80 Gd., 17,00 Br., per Mai 16,95 Gd., 17,05 Br., per Aug. 17,30 Gd., 17,40 Br., per Okt.- Dezbr. 18,25 Gd., 18,85 Br., 00,00 bez., per Jan.-März 18,55 Gd., 18,65 Br. Stimmung: Ruhig. ll»mdur», 20. 'April. Weizen stetig. Holsteinischer und Mecklenburger 154, Hard Winter 132. Roggen still, südruss. 10 t, Holsteinischer und Mecklenburger 142. Mai« ruhig, 113—114, runder 91. Hafer ruhig, Gerste ruhig. Welter: Bedeckt. Ur«m«u, 20. April. (Baumwolle). Tendenz: Stetig. Upl. mtddl. loco 52'/« Psg. Llrvrvool, 20. April. (Baumwolle.) Muthmaßlicher Umsatz: 8000 B. Stimmung: Ruhig. Import: 37000 Ballen. Preise unverändert. — Umsatz: 7000 Ballen, davon für Speculation und Export 500 Ballen. Ameri kaner williger, 2 Punkte niedr., Ostindische unverändert. Lieferungen: stetig. April 5,20, April-Mai 5,20, Juni- Juli 5,20—5,21, August-September 5,11, Oltober-Nov. 4,59-4,60. Zahlungseinstellungen. Han« Wolfsberg, Flensburg. Oskar Dodt, Haders leben. Iakob Grübel, Kirchheim u. T. Emil Steinbach, Augustenhof-Lobsens. Josef Baringer, Nürnberg-Mögel- dorf. Moritz Höchstätter, München. Isidor Riesenfeld, Thorn. Arthur Jahn, Groitzsch-Pegau. Franz Daugs, Stettin. Franz Maurer, Weißenfels. Karl Kühler, Stuttgart. Briefträgers Hannchen. Von Georg Paulsen. 32. Fortsetzung. (Nachdruck verboten). Sic sah nochmals durch'- Fenster, prallte aber nun wirklich erschrocken zurück. Da sah sie Hinterm großen Rosenstock ganz deutlich den Kopf deS Schorsch; aber er schaute ganz anders drein, al- sonst, tobten- blaß, und aus seinem dunklen Haar waren Bluts tropfen herabgeronnen, die auf der Stirn getrocknet waren. Der Hut fehlte, und der kecke Ausdruck seines Gesicht war einer heftigen Verstörtheit ge wichen. So starrte er angstvoll nach dem Fenster deS jungen Mädchen-, dessen Namen er gerufen hatte. Hannchens erste Bewegung war natürlich nach der Tür, um den Vater herbeizurufen. Aber dann blieb sie stehen; der jammervolle Mensch draußen hatte die Hände bittend erhoben. Aber mit ihm sprechen? Nein! Sic hatte an dem bestandenen einen Abenteuer dieser Nacht mehr wie genug. Sie trat vom Fenster zurück; wieder wirbelte der Vorhang herunter. Aber da kamen auch draußen Tritte, hastige, surchtgepeinigte Schritte bis unmittel bar an daS Fenster heran, und eine heisere Stimme stammelte angstvoll: „Nur ein paar Worte, erhandelt sich um Leben oder Tod." DaS Mädchen zauderte; sie schwieg und blieb bewegungslos hart vor dem Fenster stehen. Da hörte sie eS draußen knacken, wie beim Aufziehen deS HahneS eines Gewehres. Und daS war der fürchterlichste Augenblick, den sie je in ihrem jungen Leben gehabt, nachdem sie daS weiße Hemmnis am Fenster beseitigt, viel schrecklicher als vorhin der stille Körper Hermanns. Der Schorsch hatte ein Gewehr gespannt und eS mit dem Kolben aus die Erde gestellt, so daß der Lauf seinem Gesicht nahe kam. Und über die Mündung deS Laufs neigte er seinen Kopf, während ec den rechten Fuß zum Hahn erhob, nm so die Waffe zur Entladung zu bringen. Ein paar Augenblicke stand Hannchen Hölder wie von Einsetzen geschüttelt; die Zähne klapperten ihr vor Auflegung gegen einander. Dann riß sie mit bebenden Fingern da- Fenster auf, gerade im allerletzten Moment: „Schorsch, um GotteSwillen, bist Du wahnsinnig geworden?" Sie stammelte die Worte heraus mit einer Stimme, die Jedem sonst, nur nicht ihr zu gehören schien, so unkennt lich hatte sie die fürchterliche seelische Erregung gemacht. „Willst mich anhören?" fragte der junge Mann, bloß ein paar Minuten." Hannchens Lippen zuckten. Sollte sic denn in dieser letzten Nacht vor dem Verlassen deS Eltern hauses Schlimmeres, Unheimlichere- erleben, als in ihren gejammten bisherigen Lebensjahren zusammen? Sie ließ sich nicht so leicht ins Bockshorn jagen, ihr Heller Blick wußte sehr gut öde Prahlsuchi und Tuerei von wirklichem Ergriffensein zu unterscheiden; bei dem Menschen draußen merkte sie wirklich, wie eine quälende Angst ihn ergriffen hatte und fcst- hielt wie mit Zangen. „Wat hast zu sagen?" stieß sie hervor. „WaS hast getan? Hast wirklich den armen Hermann er schossen ?" „Ist er tot?" stöhnte Schorsch. „Nein, da» hat der liebe Gott verhütet. Aber schwer, schwer ist er getroffen. Geh, Schorsch, geh zur Polizei meld' Dich, daß Du'S gewesen, der da- vollbracht. Dann verzeihe ich Dir auch . . ." „Nein!" antwortete jener rauh. „Darum hab' ich Dich net ausgesucht. Wissen wollt ich, ob er noch am Leben sei, und wissen sollst Du, warum eS so gekommen." „Wills net wissen," wehrte sic ab. Er griff wieder zu der Waffe. „So sprich!" gab sie mit tonloser Stimme nach. „Ich hatt' dem Hermann nauf zum Turm gehen seh'n, halt'- mir so wie so schon dacht, daß Du ihn da treffen wollst. Und 'S hat mir a rechten Stich durch'- Herz geben." „Schwätz net, sondern sag, war Du zu sagen hast," fiel Hannchen ihm herb in- Wort. „Ich lief nach oben, al- eS Nacht werden wollt, und der Hermann fortgcgangen war, und ich sah Dich. Und ich wartete im Busch. Weißt, Hann chen, wie'S tut, wenn einer so auf da-wartet, waS ihm sein Liebstes iS, und er muß wissen . . ." „Schorsch, mein letztes Wort: entweder Du sagst grab' heraus, waS Du willst, oder — kannst Dich totschießen. Mein' Geduld ist zu End!" „Will ja daS bloS sagen, halt'- am Abend heimlich gehört, wie die Frau Posthalterin dem Hermann ganz bestimmt gesagt halt', sie hält' sein Treiben satt. Die Liebschaft mit Dir müßt zu End' kommen!" „Und der Hermann, waS sagte der?" fragte Hannchen mit flammenden Wangen. „S' wär keine Liebschaft!" „Und da hat der brave Bursch' recht gesprochen." „Glaubt' ich auch, bis Ihr Euch oben traft. Eine Minul' noch, Hannchen, eine einzige, bin gleich zu End'. Und da gingst Du. Und der Hermann kam. Und ich war so aufgeregt, daß ich nimmer im Schatten bleiben könnt'. Er sprang auf mich zu und rief: .Kanaille, waS machst da?' Ich sagt, daß ich keine Kanaille sei; er aber solle sich schämen, daß er seinen Herzensschatz verriet«. Die Wahr heit hätt' er der Mutter sagen müßt, die volle Wahrheit. Wann er sich de- Hannchen- vor anderen schämt . . . Und da warf er mich mit einem Stoß zu Boden, daß die Besinnung mir bald schwinden wollt'." „Da- hat der Hermann nimmer tan!" ant wortete Hannchen heftig. Der da draußen sollte ihr nicht etwa gar noch vorreden, daß der Aermste mit der schweren Wunde in der Brust an dem ganzen Unglück die Schuld trüge. „Und er Hai'» getan!" war deS Schorsch nicht minder erregte Erwiderung. „Da schau da» Blut an der Stirn, da- ist von dem Fall." „Darnach hast auf ihn geschossen?" sorschte sie weiter. „Net gleich. Ich war wieder aufgesprungen, dann haben wir gerungen. Er wollt in» Bewehr greifen und da " „Siehst, bist'- doch gewesen! Warum gingst »et, warum hast nicht gemacht daß Du fortkamst? Und zu alle dem, wa» geht Dich Hannchen Höl der an? Denk doch, daß ich mein Gedanken Dir klar g'nug gezeigt hält'!" De» Burschen Antlitz verzerrte sich in wildem, loderndem Zorn; seine scharfen, aber sonst hübschen Züge waren kaum wieder zu erkennen. (Fortsetzung folgt.) Neueste Nachrichten und Depeschen vom 22. April. Wien. In den gestern abend hier abgehaltenen massenhaft besuchten, von den Sozialisten einbe rufenen Volksversammlungen wurde gegen die Ausgleichsvorlage unv die aus dem neuen Zoll tarif entstehende Lebensmittelverteuerung Stellung genommen. Rom. Der Rücktritt Prinetti» gibt Anlaß zu umfangreichen anerkennenden Widmungen seiner Tätigkeit. Die Tribuna feiert ihn als Begründer einer neuen Aera politischen Ansehens. Rom. Der Minister des Aeußeren, Morin, gibt bekannt, daß er die Politik Prinettis ein halten und besonders in der albanesischen Frage mit Rußland und Oesterreich kontakt bleiben werde. Rom. Im Gebiet von Ferrara sind SV 000 Land-Arbeiter beschästigung«lo«, weil die Grund besitzer den Bau eingeschränkt und Ackerland in Weide verwandelt haben. In der Provinz Lezza ist die Lage wenig besser. Petersburg. AuS Port Arthur wird gemeldet, die Vertreter der Mächte legten Protest ein, daß die chinesischen Seezölle von allen Mächten, nicht von Sir Robert Hart allein, verwaltet werden. Die Gesandten machen geltend, daß dann der Export wie Import steigen und die Tilgung der Kontribution leichter vor sich gehen wird. Glasgow. Die Frage nach einem Schieds richter zwischen England und Frankreich zur Be seitigung sämtlicher Konflikte zwischen beiden Nationen macht immer größere Fortschritte. Vorgestern fand eine Versammlung von Geschäftsleuten und Indu striellen statt, worin beschlossen wurde, alles daran zu setzen, um eine dauernde Verständigung zwischen beiden Nationen herbeizuführen. Salonichi. Vorgestern sand im Gebirge Gotten, welches zwischen Otmanie und Strumnitza liegt, ein heftiger Kamps statt. Mehrere in aller Eile entsandte Abteilungen umzingelten die Räuber, deren Zahl auf 300 Mann geschätzt wird. Der Kamps dauerte mehrere Stunden bi« zum Einbruch der Dunkelheit. Die Räuber ließen aus dem Kamps- platze 50 Tote und 70 Verwundete zurück. Unter den ersteren 2 Ansührer. Die Soldaten verloren 7 Mann, darunter 2 Unteroffiziere und 10 Ver wundete. Die Verfolgung der Räuber wird energisch betrieben. Rewyork. In den neuesten blutigen Kämpfen von Santo Domingo blieben die Ausständigen Sieger. Der Minister de« Innern, Cordova, wurde gelötet. Der Präsident Vo«quez ist «dermal« flüch tig. Die Meldungen geben seine Regierung verloren. Kirchen-Nachrichten. Uarochie St. Htzristrptzori. Donnerstag abends '/>9 Uhr MisfionSstund« im Waisenhanssaalc. Frnhlingsstimmung (Nachdruck verboten). Ein Frühlingsliedchen wollte singen Mit frohem Herzen ich — o weh — Kein Sonnenlicht, kein Knospenspringen, Statt holden: Blumenduft — nur Schnee — Es scheint, das glitzernde Geschmeide Behag eh'r der Natur fürwahr, Als sich mit grünem, buntem Kleide Zu schmücken, wie manch andres Jahr. Herr Winter, will dirs nicht behagen, Das Feld zn räumen Lenz und Lieb ? — Was sollen nur die Sänger sagen, Die's aus den warmen Ländern trieb? Wohin sind all die süßen Träume Von Liebesglück im Lenzgefild? Bannt aus der Brust sie — es sind Schäume — Und in den Winterpelz euch hüllt. Nur Schnupfen, Krankheit kann erjagen, Der jetzt begibt ins Freie sich, — Drum lasse ab vom kühnen Wagen Und wärme Hinterm Ofen dich. Ei Frühling, das sind schöne Sachen, Du machst zum Lügner den Poet Nur sroh die Kohleuhändler lachen, Weil ihr Geschäft vortrefflich geht. Markranstädt. Adolf Dreßler jun. Fabrikweber, Treiberinne« und Spnkerinnen sofort gesucht. Robert Pfefferkorn.
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