Suche löschen...
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 01.05.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-05-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190305019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19030501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19030501
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungHohenstein-Ernstthaler Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-05
- Tag1903-05-01
- Monat1903-05
- Jahr1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 01.05.1903
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Da« Medium führte seine Offenbarungen im schlafenden Zustande aus. Es wird aber von ehe- maligen Mitgliedern des Klubs behauptet, daß es mitunter auch bei offenen Augen seine Weisheit kundgab oder geheimnisvolle Zettel schrieb. Frau Frenzel wußte sich damit einen Glorienschein zu geben, daß sie vorspiegelte, durch sie spreche oder schreibe stets der Geist eines Verstorbenen. Ihre Befehle und Anordnungen müßten genau befolgt werden, sonst drohten schwere irdische Strafen durch Krankheiten usw. und keines der Mitglieder würde wieder froh werden. Aus Furcht, daß ihnen die vom Medium zitierten Geister doch etwas anhaben könnten, haben die Beteiligten auch genau die Be fehle des Mediums ausgeführt. Doch nicht allein mit Hilfe des Skatspiels wurden Verstorbene von ihren Sünden erlöst, sondern auch durch weite Reisen mußten die armen Abgeschiedenen von ihren Seelenqualen befreit werden. So hat das Medium ihre Genossen und Genossinnen dahin zu bestimmen gewußt, nach Leipzig, Dresden usw. zu reisen, und zwar 2. Klasse. In Leipzig mußte sich die Ge sellschaft auf Anordnung des Mediums vergnügt machen und in Dresden Sehenswürdigkeiten in Augenschein nehmen. Das Medium, das stets an den Reisen teilnahm, kam bei solchen Erlösungs fahrten natürlich am billigsten weg, denn für das selbe mußte mit bezahlt werden. Um Verstorbene von ihren Sünden zu erlösen, bestimmte daS Medium u. a. — man höre und enthalte sich de» Lachens! —, daß die Spiritisten bestimmte Tanzsäle der Umgebung besuchten und hier Terpsichore ihren Tribut zollten. Dabei schrieb daS Medium sogar vor, wieviel Touren getanzt werden sollten. All« diese Extravaganzen des Mediums und deren Gefolgschaft haben selbstverständlich viel Geld gekostet, sodaß einige der Beteiligten sogar in die unangenehme Lage kamen, einiges von ihrem Eigen tum zu verkaufen, um die Mittel aufzubringen. Ferner brachte eS daS Medium mit Hilfe seiner „Geister" und „Offenbarungen" soweit, dem Schwager ihre- Gatten den Kopf zu verdrehen, daß er seine Schmiede an den Ehemann deS Mediums verkaufte. Er wollte zwar nicht recht auf daS Geschäft eingehen, aber da- Medium wußte ihn doch schließlich so zu betören, daß der Mann einwilligte. Bei seinen Offenbarungen Hot daS Medium auch Schriftstücke angefertigt, die Rezepte enthielten. Diese sollten angeblich vom Geist eine- berühmten Arzte- geschrieben worden sein. In ungefähr drei Fällen, in denen eS sich nur um Geld handelte, hat da- Medium seinen Haupt trumpf auSgespielt. ES hatte sich drei Kapitale in Höhe von ca. 3600 Mk. gegen Zinsen von ver schiedenen Personen geliehen. Die Zinsen sind wohl auch ein halbe- Jahr lang gezahlt worden, aber dann fällte der Geist deS Mediums einen wichtigen Spruch. In einer Seance offenbarte nämlich das Medium, nachdem eS eingeschlummert war, den Gelddarleihern, daß man derartige irdische Güter (in diesem Falle also die Zinsen) nicht annehmen dürfe. DaS Geld müßte ohne Zinsen geliehen werden, damit tue man für den Heiland ein gutes Merk. Im anderen Falle würden die Darleiher von den gräßlichsten körperlichen Leiden geplagt werden und vor Gott keine Gnade finden; um ihre irdische Ruhe wäre eS dann geschehen! Diesen HokuSpokuS haben die Leute wirklich auch geglaubt und von Stunde an Jahre lang keinen Pfennig Zinsen mehr beansprucht. Da» Medium ist behördlich zur Rechenschaft gezogen worden und dürfte wohl wegen Betrugs unter Anklage gestellt werden. Gerichtssaal. 8 Zwickau. Wegen systematischer brutaler Miß handlung seines einjährigen Stiefsohnes wurde am Dien-tag von der hiesigen Strafkammer der Korb macher Max Schmidt aus Lauter zu einem Jahr sech- Monaten Gefängnis verurteilt und sofort ver haftet. Schmidt hatte daS Kind, daS ihm im Wege zu sein schien,», a. wiederholt mit Nadeln gestochen. 8 Im Armcnhause verfault. Einen in der Tat haarsträubenden Einblick in die Art und Weise, wie auf dem Lande manchmal die Armenpflege ge handhabt wird, bot ein vor der Strafkammer in Bamberg verhandelter Fall. Im Sommer vorigen JahreS wurde im Armenhaus zu Niedermiesbcrg die Leiche der 71 Jahre alten Margarete Geck halb verfault und vom Ungeziefer zerfressen aufgefunden. Der Raum, in welchem sie lebte, bot ein Bild un sagbarer Unreinlichkeit; die Kleidungsstücke der armen Frau waren stark verunreinigt, die Lagerstatt glich förmlich einem Mistbeet; der Körper der Unglück lichen war ganz von Geschwüren übersät und selbst an der Leiche sand man noch zahlreiches Ungeziefer. Die amtliche Untersuchung ergab, daß der Vorstand der Armenpflege von NiedermieSberg, der katholische Pfarrer Zwingmann von Ebermannstadt, sich seit Jahren nicht um die Arme kümmerte und die Verpflegung der in Verwahrlosung verstorbenen alten Frau dem Bürgermeister Lahner überlassen hatte. Dieser hatte wieder die GemeindedienerS- frau Bärnreuther als Pflegerin gegen Entschädigung von täglich 30 Pfg. au, der Gemeindekaffe ange- stellt. Diese aber hat die Pflege der armen, kranken Person in der gröblichsten Weise vernachlässigt. Der Bürgermeister kümmerte sich gar nicht darum, äußerte vielmehr, die alte Person müsse für ihren früheren schlechten Lebenswandel noch auf dieser Welt büßen. Er habe aber den Kuraten verständigt, daß sie beichten könne, wa» den Vorsitzenden des Gerichts zu der entrüsteten Bemerkung veranlaßte, der Bürgermeister hätte besser den Leib- als den Seelsorger rufen sollen. Die Zeugenaussagen gaben eine wirklich haarsträubende Schilderung de- Zustandes der ver storbenen, in ihrer bedauerlichen Lage sogar roh mißhandelten Person, die tatsächlich bei lebendigem Leibe halb verfaulte und infolge von Blutvergiftung starb. Da- Gericht verurteilte den Bürgermeister -u einem Monat Gefängnis. Die Bärnreuther wurde freigesprochen. 8 Eine für Gastwirte beachtenswerte Ent schädigungsfrage ist unlängst in München zur Ver handlung gekommen. Ein auf einer gepolsterten Bank sitzender Gast blieb beim Aufstehen an einer unmerklich vorstehenbett Schraube hängen, zerriß dabei seine Hose und erhob darauf Anklage gegen den Wirt. DaS Amtsgericht verurteilte den Wirt zu vollem Schadenersatz unter folgender Begründung: Der Wirt sei verantwortlich dafür, daß durch sein Mobiliar den Gästen kein Schaden entstehe und müsse entweder selbst oder durch sein Dienstpersonal dafür sorgen, daß solche Vorkommnisse vermieden würden, wa- durch eine genaue Kontrolle geschehen könne. Kleine Chronik. * Torgan, 29. April. In einem Zimmer hinter der Wachtstube des hiesigen Garnison-Arrest- Hauses fand man den Hausinspektor Sergeant Redell mit einem jungen Mädchen vergiftet auf. Beide waren in den Tod gegangen, weil sich ihrer ehelichen Verbindung Hindernisse in den Weg ge stellt hatten. * Hannover, 27. April. Das Opfer eines ver wegenen Einbruches wurde, was gewiß zu den Seltenheiten in der Kriminalistik gehört, der Ge fängnisdirektor Helling vom hiesigen Gerichtsge fängnis. Demselben wurden in der Nacht vom Sonnabend auf Sonntag mittelst Einbruchs aus den Parterreräumen seiner Dienstwohnung am Ge richtsgefängnis in der Leonhardstraße die sämtlichen Gold - und Silbersachen gestohlen. Die Einbrecher haben aus einem nach dem Garten gelegenen Fenster das Glas geschnitten und durch die so gewonnene Oeffnu'ng die Fenster von innen geöffnet. Zum Einsteigen haben sie sich dann eines Gartentisches bedient, den sie bei ihrem Fortgange stehen ließen. Der Einbruchsdiebstahl muß in aller Eile ausge- führt sein: denn weder der um das Gerichtsgefäng nis patroullierende Militärposten, noch die die Straße von Zeit zu Zeit passierenden Schutzleute haben etwas von den Einbrechern bemerkt. Gegen Morgen hat ein Schutzmann die Anzeigen davon erstattet. Inzwischen war bereits der eine Einbre cher, Tischlergeselle Block, wegen seines verdächtigen Gebarens auf der Straße von einem Schutzmann angehalten und zur Polizeihauptwache gebracht. Der Verhaftete trug einen Sack mit Silber- und Goldsachen, über deren Erwerb er sich nicht genü gend ausweisen konnte. Block ist, wie derHanuov. K. mitteilt, ein bekannter Verbrecher, der erst vor einigen Tagen aus dem Gerichtsgefängnis entlassen ist. Er hatte sich in, Gefängnis eine Art Vertrau ensstellung erworben und wurde, weil er iu seinem Gewerbe geschickt ist, zu Arbeiten in den Beamten wohnungen u. s. w. herangezogen. So ist er auch längere Zeit bei den Renovierungsarbeiten in der Wohnung des Bestohlinen tätig gewesen und hat sich dabei die Ortskenntnisse erworben und erfahren, daß die Parterreräume der Wohnung während der Nacht unbenutzt sind. Er hat dem Bestohlenen am Sonntagmorgen bereits ein Geständnis abgelegt mit den Worten: „Ja, Herr Direktor, ich habe es getan, nehmen sie es mir nicht übel!" Von den gestohlenen Sachen fehlen noch mehrere Stücke Silber, die vermutlich der unbekannte entkommene Komplice des Block mitge nommen hat. * Linden bei Hannover. Dieser Tage ist hier das Ehepaar Kahle wegen Kindesmordes ver haftet worden. Die im Alter zwischen 40 und 50 Jahren stehenden Eheleute hatten ihr neugeborenes Kind in den Abort geworfen, weil sie Spöttereien feiten ihrer Hausgenossen wegen dieser späten Ge burt befürchteten. * Neu-Rnppin, 29. April. Auf dem Pehlitz- see ertrank der Fischer Lemke aus Klein-Zerlenz mit seinen beiden Töchtern. * Marburg. Ein schwer bezechter Student begab sich in Marburg in der Nacht trotz Sturm und Regen auf die Bahnhofsbrücke, entledigte sich dort sämtlicher Kleider und warf sie in die hoch angeschwollenen Fluten der Lahn. Als er gerade mit dem Ausziehen der Schuhe beschäftigt war, kamen Polizeibeamte und Passanten hinzu. Man brachte ihn in der Meinung, es sei ein Geistes kranker, nach Umhängen eines Mantels in das Arbeitshaus und dann in die Klinik. Hier stellte man fest, daß der junge Mann einen ganz gehörigen Rausch hatte. Das Schlimmste aber ist, daß er auch noch seine Brieftasche mit 2600 Mt. (?) in die Lahn geworfen haben will. * Frankfurt a. M, 29. April. Die Maschine des 7 Uhr 43 Min. früh hier fälligen Schnellzuges Heidelberg—Frankfurt a. M. ist heute auf der über den Main führenden Eisenbahnbrücke ent gleist. Der Zug konnte erst am anderen Ende der Brücke zum Stehen gebracht werden. In die Holz verkleidung der Brücke wurden metergroße Löcher gerissen, der Bohlenbelag siel zum Teil in den Fluß. Die Passagiere verließen den Zug auf der Brücke. * Saarbrücken, 29. April. Wegen der polizei lich verfügten Schließung des „Cafe Continental" kam es zu erusten Unruhen. Der Besitzer Bruch wurde verhaftet; infolgedessen kam es zu einer all gemeinen Demonstration. Ungefähr 30 Verhaftungen wurden vorgenonnnen; für heute ist Militär requiriert. a Eger, 29. April. Der 29 jährige Arbeiter Haigl aus Geldenhofen und der 55 jährige Dienst knecht Bayer aus Müuchenreut, die sich hier in Untersuchungshaft befinden, haben das Geständnis abgelegt, in der Nacht zum 23. März den 23 jäh rigen Dienstknecht Josef Rubner hier ermordet und beraubt zu haben. Bei dem Toten fanden sie — 3 Kronen. * König Alexander von Serbien wurde, wie die „Nieder!. Wochenschrift" meldet, von der Nieder!. Lebensversicherungsgesellschaft von der Liste der Versicherten gestrichen, weil er trotz wieder holter Aufforderung seine Prämie nicht bezahlt hat. * London, 29. April. Der Richter des Bow- Street-Polizeigerichtes hat heute die Auslieferung des aus Berlin geflüchteten Kurpfuschers Narden- kötter verfügt. Rayonliste sächsischer Erfinder. Mitgeteilt vom Patentbureau O. Krueger L Co., Dresden, Altmarkt. Angemeldet von: Drechsel u. Günther, Meiners- dorf: Köpergasglühnetz mit Kopf in gewöhnlicher glatter Trikotmaschenbildung. — E. F. Bellmann, Lugau: Vorrichtung zum Reinigen des Glases oder Korbes geschlossener Wetterlampen. — Chemnitzer Wirkwaren-Maschinenfabrik vorm. Schubert und Salzer, A G., Chemnitz: Kurvenscheibengetriebe zur Umwandlung einer umlaufenden in eine hin- und hergehende Bewegung; W. Stverak, Chemnitz: Auseinandernehmbares Zuschneide- und Anprobe modell für Kleidungsstücke. — O. Lange, Chemnitz: Stuhl mit Sitzwaschbecken: Max Kohl, Chemnitz: Oberlichtoerdunklungsvorrichtung. — Dr. Kindler, Chemnitz: An jede Stuhllehne anschraubbarer Kopf stützapparat mit verstellbarer Kopfstütze. — Chem nitzer Mühlenbauanstalt und Maschinenfabrik M. Kaermßen, Chemnitz: Vorrichtung an Fahrstühlen zum Anzeigen des jeweiligen Standes der Fahr stuhlbühne. — Blank u. Anders, Chemnitz: Gas kochherd mit höhenoeränderlich einstellbarer Heiz glocke. — Paul Buchner, Chem-nitz: Füllzieh feder mit als Tuschbehälter ausgebildetem Griff. — R. Weinelt, Chemnitz: Sprechapparat mit zwei untereinander verbundenen Membranen. — R. Barthel, Chemnitz: Klappfensterschluß. — O. Schimmel u. Ko., A.-G., Chemnitz: Lagerbüchsen für Selfaktorspindeln. Briefträgers Hannchen. Von Georg Paulsen. 39. Fortsetzung. (Nachdruck verboten). Hannchen beschäftigte sich still. Ja, sie hätte wohl anders mit dem armen Hermann sein können, Herb war sie gewesen, mehr al» einmal, recht herb. Auch wenn sie ihn nicht so geliebt, wie die BaS ihren Herzensschatz. Aber der Abschied hatte doch mancher gut gemacht. Da brachte der Briefträger einen Brief. Er war von Hermann Grau. Hannchen überflog die wenigen Zeilen und, indem sie an die eben gehörten Worte der Base dachte, brach sie in Tränen aus. DaS Blatt flatterte zu Boden, Christel hob eS auf, sie laS die wenigen Worte, die darauf ver zeichnet waren. Sie lauteten: „Lieber Hannchen! Ich hab'» nicht blo» ge- träumt, ich hab'» gewußt; so bald sehen wir un» nicht wieder! Vater und Mutter sind jetzt damit einverstanden, daß ich Medizin studieren soll. Und seit ich dies Versprechen habe, läßt'» mir keine Ruhe mehr in Sonnenfeld. E» muß ein Anfang werden, damit ein „Zurück" unmöglich ist. Ich reise heute ab, um alle Kenntnisse zu erwerben, die mir für da» Abiturientenexamen, da» mir die Pforte zur Universität erschließt, noch nötig sind. Ich denke, mein fester Wille wird in nicht zu ferner Zeit er reichen, wa» erforderlich ist. Gern hätte ich Dich noch ein Mal gesehen! Aber . . . Leb' wohl, Hannchen! Hermann Grau!" Wieder entstand eine lange Pause. Die Base blickte ernst, aber nicht streng auf da» junge Mäd chen. Sie wußte von dem, worauf der Briesschreiber anspielte, ja nur wenig, aber ihre LebenSkenntni» sagte ihr unschwer da» weitere. „Siehst', Hannchen, eS geht im Leben doch zu- meist anders zu, als man denkt. Und wa» bei alldem mich freut, da« ist, daß der Hermann Grau doch weiß, woraus'- ankommt: aus'S Lernen und Können ! Hast vielleicht auch meint, 'S sei ein guter Mensch, wie so viel andere, aber daß der keinen einzigen Tag wartet, um in die Arbeit zu kommen, daS zeigt, daß er weiß, waS er wert ist." „Hast recht Base, icy freu mich, daß er so ist!" sagte Hannchen ergeben. „Raus mußt er aus dem einerlei!" „Gerad so wie Du!" „Gerad so wie ich! Hast abermals recht. Aber glaubst wohl, hab' a große Sehnsucht nach Haus, eine viel stärkere, als Du glauben magst." „Mädele, schwätz kein Blech! Hast hier waS gescheidteS gelernt, mein sogar, deS Guten sei'S zu viel gewesen, die Herren Professoren loben Dich, alle Welt mag Dich gern, seitdem Du im Theater sangst — wärst Du meine, ich hätt'S nimmer er laubt, also waS willst noch?" „Weiß e» net, Base, aber zu HauS, daheim möcht ich halt sein, daheim, wo'S am allerbesten ist." Die gute Alte hob dem Mädchen daS Kinn hoch und sah ihm tief, tief in die Augen. „Hannchen, kannst net die Wahrheit sagen ? Hast erzählt, seist in den armen Hermann Grau net ver- liebt gewesen, hältst aus keinem Mannsbild Dir irgend was gemacht. Und da mit einem Mal: daheim ist's am allerbesten? WaS bedeut't daS?" Hannchen legte ihren blonden Kopf in den Schooß der Base. „Weißt, Base, ich hab' Angst vor der Zukunft! Der Hermann . . ." „WaS hat der?" „Nix ! Ach, ich muß wieder lachen. Der ver- stört einem die. ganze gute Laune. Bin doch sonst kein Angsthas', aber der mit seinen Träumen und Geschichten und seinen Augen . . ." „Ja mit seinen Augen, scheinen doch mehr Haken drin gewesen zu sein, al» Du selbst erst gedacht hast!" Dabei machte die treue Freundin Hannchens ein so komisch-drolliges Gesicht, daß daS junge Mädchen wider Willen lachen mußte. „Nun lachst Du gar, Du Unband!" zürnte die Base. Hannchen Hölder sagte nichts mehr, aber sie küßte ihre zweite Mutter mit tiefer Innigkeit. „Bist doch kein Kind mehr!" sagte die Christel- Base liebevoll. Nein, Briefträger-Hannchen war kein Kind mehr. Der Kindheit Helle Sommertage waren vorbei. Seitdem Lebrecht Hölder den Dicnstrock auS- gezogen hatte, war eS mit seiner Munterkeit vorbei. Ec hatte mehr Zeit, nach seiner Viehzucht zu sehen, er hatte erst recht Zeit, sein Quartle im „Hirschen" I oder sonstwo zu trinken. Aber e» fehlte ihm wa». I Und da» war da» Amt, da» er seit so langen Jahren in unzerstörbarer Emsigkeit verwaltet. Bloß ein Briesträger! Ja, und noch dazu einer, der seine Beine in langen Jahrzehnten sich redlich müd' gelaufen, der wohl ein Anrecht drauf hatte, an sich selbst zu denken. Ein kleine« Amt, ja, aber in seinen Augen ein so wichtiges! Und nicht bloß in seinen Augen. Auch in denen der Bewohner von Sonnenfeld. Wenn er, pünktlich auf die Minute, erschienen war auf seinen Bestellgängen, hatten ihm viele Augen sehnsüchtig, sorgen- und sreudenvoll ent- gegengeschaut, die zuversichtlich erwarteten, daß er für sie etwa- in seiner Mappe berge. Und wenn sie auch dem Erscheinen von Hölder» Kollegen nicht anders entgegensehen, sie, wie er, wußten, daß die Kenntnis der Erfahrungen der langen Jahre doch ein engeres Band knüpfte, als mit vielen anderen. Lebrecht Hölder schien die verkörperte Prosa in seiner steifen, manchmal hölzernen Erscheinung; aber der Inhalt seine» Leben- war die Poesie deS Brief träger-Amte- gewesen, die sich keine lange Schilder ungen ersehnt, die aber ihren Ausdruck in herzlichen und vertrauensvollen Blick bei den allermeisten findet. Lebrecht Hölder war gewissermaßen postalischer Hausfreund bei den Sonnenfeldern gewesen, und mit einem Male war er nun — mehr oder weniger doch — allein. Und da- könnt er nicht verwinden, weil er sich nicht dran gewöhnen könnt'. Seine Frau hatte eS nach ihrer Art gut mit ihm gemeint. Sie schaffte ihm in HauS und Hof allerlei Unterhaltung, sie freute sich, daß er nun nicht mehr in allem Wind und Wetter hinaus müßt', aber da-wollt nimmer verfangen. Sogar brummig, recht ungehalten konnte Lebrecht Hölder werden, wenn einer ihm gratulierte, daß er nun doch seine Ruhe hätte. (Fortsetzung folgt.) Neueste Nachrichten u»w Depeschen vom 3«. April. Bückeburg. Der Kaiser ernannte den Groß herzog von Sachsen zum General. Bei dem gest rigen Hofkonzert führte der Kaiser, der das Band des Ordens von Oranien-Nassau trug, die Königin Wilhelmina der Niederlande. Nach dem Konzert wurde das Souper eingenommen. Altona. Erhebliche Unterschlagungen verein nahmter Steuergelder verübte der Steuereinnehmer Johannsen. Die Steuerbehörde verlangt die noch malige Zahlung der Johannsen übergebenen Be träge. Die Steuerzahler weigern sich, sodaß e« wahrscheinlich zu einem Prozeß mit der Stadt kommen wird. Paris. Die heutigen Morgenblätter berichten über einen großen Bulkan-AuSbruch in Kanada. In der kleinen Bergstadt France brachen gestern morgen 4'/, Uhr beim Sanatorium Alberta all dem Tortulberg, welcher die Stadt beherrscht, ohne daß sich vorher irgendwelche Anzeichen bemerkbar gemacht hatten, plötzlich gewaltige Lavaströme au- und ergossen sich auf die am Berge gelegenen Berg minen. Angeblich sind 83 Familien, nach einer anderen Meldung 140 Personen umgekommen. Auf der Pacificbahn liegt die Lava 30 Kilometer lang und 25 Fuß hoch. Weitere Einzelheiten fehlen noch. Paris. In der Humbert-Affäre wird am nächsten Dienstag die Vernehmung der Therese und Frederic Humbert stattfinden. Wenige Tage später sollen die übrigen Angeschuldigten ver nommen und ihnen dann die Anklage zugestellt werden. Paris. In der Angelegenheit der Karthäuser- Affäre hat hier wieder ein Offizier, Kapitän Colas des Ranes, seinen Abschied eingereicht. Paris. Am 12. Mai wird der Munizipalrat in Paris in Gemeinschaft mit dem Obersten der Polizeipräfektur eine Rundfahrt mit dem Auto mobilveranstalten, nm die höchstzulässige Schnellig keit der Automobile festzustellen. London. Der hiesige Oberkommissar für Kanada erklärte, um Zweifel für dos Inkrafttreten der neuen Bestimmungen des kanadaischen Zolltarife-, betreffend deutsche Waren, zu beseitigen : „In Kanada dürfen bis zum 30. Juni ohne Zuschlagssteuer Waren eingeführt werden, welche in Deutschland von kanadischen Importeuren tatsächlich bis einschließlich 16. April gekauft wurden, sodaß die Bestellungen an diesem Tage in den Händen der deutschen Exporteure waren." Portsmouth Die Versuchskommission der Admiralität hat mit einem durch Elektrizität lenk baren Torpedoboot zufriedenstellende Versuche ge macht. Es scheint, daß dieses Boot große Vorteile besitzt, weil es von der Seite mittels Elektrizität zu lenken ist. Petersburg. In Meschud ist durch Brot teuerung seit zwei Tagen ein Aufstand ausgebrochen. Lemberg. Ein vergangene Nacht m Putin- tyna ausgebrochener Brand äscherte 227 Wohn häuser ein. Die von dem Feuer im Schlafe über raschten Einwohner konnten nur das nackte Leben retten. 2 Kinder kamen in den Flammen um, 13 Personen wurden schwer verbrannt. Saloniki Der gestern bei Djumaja an der bulgarischen Grenze stattgefundene Kampf war sehr ernst. Auf beiden Seiten sollen die Verluste sehr bedeutend gewesen sein. Di- WW- garantirt von der Gemeind- -W> verzinst alle Spareinlagen mit — 3^ Proeent —— und expedirt an allen Werktagen Vormittags 8—12 und Nachmittags 2—6 Uhr. Die bis zum 4. jeden Monats bewirkte« Einlagen werden für den vollen Monat verzinst.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder