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Der Grenzbote : 22.01.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-01-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1836929153-190501222
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1836929153-19050122
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1836929153-19050122
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDer Grenzbote
- Jahr1905
- Monat1905-01
- Tag1905-01-22
- Monat1905-01
- Jahr1905
- Titel
- Der Grenzbote : 22.01.1905
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Aer Hverrzöots. er doch sicher nicht erwarten, daß man ihm Me Arten von Belustigungen bietet?" „Tas wird er Ihnen selbst sagen, wenn er kommt", sagte Lady Neßlie und lachte. „Heute noch werde ich ihm schreiben. Ich hoffe nur, daß er auf meinen Vorschlag eingeht; dann wiro unser Leben hier doch- etwas weniger langwei lig sein." Vivien hörte dies alles mit großer Besorg nis. TaS kommen dieses Henri oe Nouchet hatte ihren früheren Verdacht bezüglich Laoy Neßlies wieder wach gerufen. Sie hätte sich fast geschämt, demselben Aussruck zu verleihen, aber sie fühlte sich höchst unbehaglich — denn die Ehre Neß- lies war in ihren Händen. Nur eine einzige Person konnte sie in ihr Vertrauen ziehen — Gerald Torman, dem sie auch! sofort die Unterredung mit Lady Neßlie wiedererzählte. -,^Jch kann Ihnen mein Vorgefühl nicht näher erklären", sagte sie, „aber ich fühle mich gerade so bedrückt und von der Ahnung kom menden Unglücks erfaßt wie an jenem Wend, als mein Vater so plötzlich krank wurde. Ich kann nicht sagen, warum, aber es scheint mir, als ob dieser Fremde ebenso wie Lady Neßlie Un heil über Lanccwvod bringen wird." Er verstand sie Wohl, aber hatte nicht die Macht, ihr zu helfen. „Wäre es von Nutzen, wenn ich in Paris Nachforschungen anstellen würde?" fragte er. „Wir könnten dann wenigstens erfahren, wer dieser Henri de Nouchet eigentlich ist." „Und welchen Zweck Hütte dies für uns, Herr Torman? Nehmen wir sogar an, daß wir ihn in moralischer und geistiger Beziehung für den Posten ungeeignet fänden, so könnten wir My lady doch nicht abhalren, ihn zu engagieren. Sie allein besitzt alle Gewalt. Ich sehe nun, was mein armer Vater bei seinem Testament versäumte. Er hätte als Oswalds Vormund einen angesehenen Gentleman bestimmen sollen, der die Befugnis gehabt hätte, bei der Erziehung des Knaben seine Ansicht geltend zu machen." „Ja, es war ein Versehen", sagte Torman. Mir müssen nun das Beste hoffen. Wenn nicht auf Sie, so wird Lady Neßlie doch auf die öffentliche Meinung Rücksicht nehmen. Ich glau be kaum, daß sie es riskieren würde, eine wirklich! unwürdige Person in das Haus zu bringen. Wenn sie es tut, müssen wir —" Er hielt inne. „Müssen wir was?" fragte sie erregt. „Tas Gesetz zu Hilfe rufen. Aber bis da hin geben Sie sich keinerlei Befürchtungen hin, liebe Miß Neßlie." Sie erinnerte sich noch so gut der Zeit, «als er sie zum ersten Mal „liebe Miß Neßlie" ge nannt, und wie sie sich! darüber erzürnt hakte. Jetzt hatten sich die Sachen geändert; er war der einzige Freund, auf den sie sich verlassen, der einzige, der ihr raten und beistehen konnte. In chnem plötzlichen Impuls reichte sie ihm freundlich lächelnd ihre Hand. ,Me sind ein wahrer Freund", sagte sie. „Was würde ich in meiner Betrübnis anfangen ohne Sie?" Und wenn sie ihm die ganze Welr geschenkt hätte, sie hätte ihn nicht so stolz und glücklich gemacht, wie mit diesen wenigen Worten. -Vivien sah ein, daß ihr keine andere Wahl blieb, als geduldig ansharren. Sie gab sich kei nen Illusionen mehr hin in Bezug auf Valerie. Wenige Tage später sagte diese plötzlich: PSie erinnern sich-, Vivien, war wir neulich besprachen — das Engagement eines Erziehers für Oswald. Zu meiner Freude kann ich Ihnen m-itteilen, daß sich mein Wunsch! erfüllt hat; Henri de Nouchet wird die Stelle annehmen." -Mylady blickte sie mit ihren lachenden, mut- willigen Augen an und fuhr dann fort: „Es wird eine große Erleichterung für mich sein, -einen meiner Freunde, dem ich vertrauen kann, in der Nähe zu haben. Henri de Nouchet ist sehr gescheidt, natürlich In späteren Jahren wird Oswald nach- Oxford, Ihrem Lieblings platz, gehen und dann beabsichtige ich!, de Neuchet an Dormans Stelle zu setzen." „Vivien, kuhr Mylady fort, „ich hoffe; Sie werden es der Mühe wert finden, gegen Meinen Freund höflich zu sein. Unterlassen Sie dies, dann kennen Sie die Alternative. Es ist Meine feste Absicht, daß für meinen Cousin sich- däs Leben im Hause hier angenehm gestalten soll." Um des großen Preises willen, der auf dem Spiel staird — um die Ehre ihres Hauses willen enthielt sich Vivien jeder Aeußerung ihres un willigen Zornes. Wenn sie nun ging, Ivas sollte bei dem jetzigen Stand der "Tinge aus Lance- wood werden. (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. .— Ein japanisches Regiment, das sich wei gert, zu stürmen. Einen merkwürdigen Zwi schenfall aus der Zeit der Belagerung von Port Arthur berichtet der englische Kriegskorrespon dent Norregaard in einem Brief an die „Daily Mail": Während eines Angriffes auf eine rus sische Stellung in Port Arthur sollten zwei Regimenter zum Angriff vorrücken; ein Regi ment stand in der vordersten Reihe und wurde beim ersten Ansturm trotz seiner Tapferkeit mit furchtbaren Verlusten zurückgeworfen. Ta ge schah etwas Unerklärliches, das in der Geschichte des japanischen Heeres ohnegleichen dasteht. Als das Reserveregiment den nächsten Angriff ma chen sollte, weigerten sich alle einmütig, den Of fizieren zu gehorchen und vorzurücken, da man Vie völlige Vernichtung für unvermeidlich hielt. Ter Kommandeur des widerspenstigen Regimen tes ging allein vorwärts, schwang sein Schwert und rief seinen Leuten zu, sie sollten ihm fol gen, aber nicht ein Mann rührte ficht Ter Ma jor fiel kurz darauf. Nach einiger Zeit rückten aber Ä-ie Soldaten, die Wohl Reue über ihre Handlungsweise empfanden, doch zum Angriff vor; dieser mißlang völlig. Tie Haltung des Regiments war allen Ueberlieferungen des ja panischen Geistes so entgegengesetzt, daß die an- i deren Regimenter den Mut verloren und nicht wußten, wie sie die Sache ausnehmen sollten, ; Tas Regiment durfte dann eine Woche lang ! nicht an den Gefechten teilnehmen und mußte i während so! leiser Zeit forcierte Märsche und im ; Geschwindschritt Angriffe steile Bergabhänge hi- > nan in der Mittagshitze machen. Darauf muß- f ten die Truppen den Gedächtnisfeiern zu Ehren ! ihres gefallenen Kommandeurs be wohnen, hö- i Here Offiziere "hielten ihnen Ansprachen über s ihre schmähliche Haltung. Tann erst durfte das Regiment wieder zur Front zurückkehren und s wurde schließlich mit Verstärkungen für Mar- schM Oy-aMa nach! Liaujang geschickt. — Einen Schildbürgerstreich lieferte, wie die Kölnische Zeitung meldet, unlängst ein städti- ; scheu Bauführer in O-sUabrück. Das Stadtbau amt hatte unzulässigerweise an einem öffent lichen Wege einen Stacheldraht ziehen lassen; er mußte also wieder entfernt werden. Ter mit dieser Arbeit beauftragte Bauführer be- - werkstelligte das nun in der Weise, daß er, anstatt den Stacheldraht einfach wLgzunehmcn ! und durch einen Platten zu ersetzen, einige Ar- ! beitsr mit Kneifzangen hinausschickte und sie i zum großen Vergnügen des Publikums drei s Tage lang -die Stacheln einzeln äbkneifen ließ. . Warum die Japaner so klein sind. Im " vorigen Jahre stellte eines der verbreitetsten ! japanischen Blätter mit großer Betrübnis fest, s daß das Niveau der menschlichen Statur nir- s gends so niedrig ist wie in Japan. Es ist be- f kannt, daß Männer von 1,60 Meter in Heere des ; Mikado eine Ausnahme bilden, solche Menschen werden im Reiche ver ausgehenden Sonne schon als Riesen betrachtet. Zeil war es also, mit der artigen Zuständen, die für den japanüschenS-tolz i so demütigend sind, ein Ende zu machen. Eine Kommission von Gelehrten trat zusammen, um nach den Ursachen des nationalen Uebels zu for schen und Mittel zur Abhilfe ausfndig zu ma chen. Die Kommission kam in -ihrem interessan ten Bericht zu dem Schluß, daß die körper liche Kleinheit des japanischen Volkes auf den Gebrauch von Matten an Stelle von Stühlen und Betten zurückzuführen sei. TaS Sitzen nach Schneid-erarr soll den Kreislauf des Blutes in den unteren Gliedern stören, und da die Beine mit dem Wachstum des übrigen Körpers nicht Schritt halten können, bleiben sie schwach. Ein zelne Blätter verlangen nun von der Regierung, daß sie den Gebrauch von Matten untersage, und sie durch Stühle ersetze. Tie Schüler in den nach europäischer Art eingerichteten Schulen sind bereits stärker auf den Beinen. Aber es wird noch viel Zeit vergehen, bevor es gelingen wird, die Statur der Nation zu heben! Es ist offenbar viel leichter, Zwergbäume zu erzielen, als die menschliche Figur zu verlängern. — Tie Sehnsucht nach dem Bürgermeister posten hat einen Ehrgeizigen zu folgendem Inse rat veranlaßt, das wir im Graudenzer „Ge selligen" finden: „Welche Stadt wählt einen früheren Besitzer zum Bürgermeister, wenn der selbe ihr -bei seinem Tode 20 000 Mark hinter läßt? Vermögen nachweislich Gefällige brief liche Meldungen unter 976 an den „Geselligen" erbeten." > — .Schwere und bange 'Stunden verlebte der einsame Wetterbeobachter im Gotthard-Hbspiz in den ersten Neujahrstagen. Eine grimmige Kälte hatte schon in der Silvesternacht einge setzt; ein orkanartiger Schneesturm folgte dann nach Mitternacht, am 1. Januar, und drückte das Quecksilber erst auf 23, dann aus 28 und schließlich! aus 30 Grad Kälte herunter. Mit einer rasenden Geschwindigkeit von 100 Kilo metern in der Stunde fegte die Windsbraut über das alte Hospizgebäude hinweg.; Mit Riesen- fäusten rüttelte sie an den Grundfesten des al ten Klostergemäuers, daß alles im Innersten erzitterte. 36 Stunden dauerte däs furchtbare Toben. AM Dienstag früh wär die Kälte aus 34 Gr. gesunken, u. noch heute fegt der Nord wind wie besessen durch die schmale Lücke der unwirtlichen Paßhöhe, die streckenweise von haushohen Schneewehen überschüttet wird. Eine schwere Aufgabe war es für den Wetter-Beob achter, unter all diesen schreckensvollen, tollen Unbilden der Witterung dennoch seiner Pflicht zu genügen und den regelmäßigen täglichen Ver kehr Mit der amtlichen Stelle in Zürich äus- rechtzuerhalten. Der Stand der Geräte am nord westlichen Fenster der alten Kapelle war durch den Sturm völlig vereist; nur mit Lebensge fahr wär es möglich- zu den Gefäßen für die Niederschlagsmessung zu gelangen. 54 Zenti meter betrug die Neuschnee-Höhe schon am Mor gen des 1. Januar, und im Laufe des Tages kam noch mehr dazu; endlich;, am 3. Januar, leuchtete die Sonne wieder über dem stein alten verfallenen Hoizk rchwin. Wie im Tode erstarrt lag die Paßhöhe unter der tiefen, eisigen Win terdecke begraben. Der fallende Schure ist nicht flockig, sondern pulverig, so fein wie Mehl. Vom Sturm getrieben, dringt er in die Augen, in Mund, Nase und in dir Lungen. Wehe dem ar men Reisenden, der vor einer solchen Schnee wolke überrascht -wird! Er ist eine sichereBeute des Todes. Wer noch nie im Winter-sturm auf ser Paßhöhe des St. -Gotthard verweilte, kann sich keine -Vorstellung von dem Schneegraus ma chen, der dort oben zuweilen herrscht. Toch läßt sich erfreulicherweise auch von freundlichen, lieb lichen Tagen während- -des langen, harten, acht Monate dauernden Winters erzählen. Ange nehme Abwechselung in das eintönige Winter leben der Gotthard-Warte bringen, so schreibt der „Franks. Atg." der Gotthard-Einsiedler, na mentlich die Schpeefahrer, die zum Ziel ihrer Winterreise die Paßhöhe und uml eg n en Ber ge gewählt haben. Am meisten Besuch! gibts über Weihnachten. Manch- -lieber Besucher des Berges hat in Erinnerung an die im Hospiz ver lebten fröhlichen Stunden aus der deutschen Hei mat Grüße nach- dem St. Gotthard geschickt. Selbst aus Berlin und Frankfurt wurde jüngst der ückle Mann im Äotthard-Hoipiz durch freundliche Karten Mit Grüßen erfreut. — Die Reinheit des Brotes. Vor einigen Jähren war einmal eine Bewegung im Gange, die das Weißbrot zugunsten des Schwärz- oder Bollbrot.es unterdrücken wollte. Sie hat keinen Erfolg gehabt, und Pas ist auch- ganz gut ge- wesen. -Vom chemischen Standpunkt betrachtet ist das Vollbrot, das die Gesamtheit der Nähr stoffe iM Weizen zur Geltung bringt, allerdings! im Vorzug. Dagegen haben iphtzsiMgis-chst Ver suche bewiesen, daß das Vollbrm entsMeddn we niger vorteilhaft im Körper verarbeitet wird, als das Weißbrot. Wenn wirklich eine Reform auf diesim Gebiete eingelegt werden sollte, so müßte sie sich darauf richten, die Reinheit und Qualität des Pcißbrots zu sichern. Zunächst: muß das Urteil zerstört werden, daß das Brot immer umso reiner und gesünder ist, je wei ßer es ist. Da das Brot in vielen Haushal tungen d ie Hauptnahrung bildet, so Müßte auf seinen Nährwert die allergrößte Aufmerksam keit gerichtet werden. Nun wird aber nicht nur das Zermahlen der Körner zwischen Stahlrol len im modernen Mühlenbetrieb das Mehl be reits eines Teils seiner Nährstoffe beraubt, son dern viele Müller wenden noch- besondere und kostspielige Maschinen an, uM das Mehl zu bleichen. Namentlich werden dabei Ozon und salpetrige Säure benützt, die auch noch Körner nutzbar machen, die sonst dem Mehl eine dunk lere Farbe geben würden Eine solche Behand lung unseres wichtigsten Nahrungsmittels soll te unter allen Umständen verboten werden. Am wirksamsten könnte das dadurch! erreicht werden, daß das Volk über die "Eigenschaften, an denen sich ein gesundes gutes Brot erkennen läßt, zuverlässig aufgeklärt würde. Wenn erst alle wüßten, daß ein gebleichtes Mehl weit weniger nahrhaft ist, so^würde däs unzweckmäßige Ver fahren seitens der Mühlen bald aufhören. Tas altmodische Brot, das aus zwifchjen Steinen ge mahlenem Mehl bereitet wird, ist weit besser, als das moderne unnatürliche schneeweiße Brot, das sein Aussehen teils der Benutzung von Chemikalien, teils der Zermahlung zwischen Sen Stahlrollen der Dampfmühle verdankt.
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