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Der Grenzbote : 26.03.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-03-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1836929153-190503265
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1836929153-19050326
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1836929153-19050326
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDer Grenzbote
- Jahr1905
- Monat1905-03
- Tag1905-03-26
- Monat1905-03
- Jahr1905
- Titel
- Der Grenzbote : 26.03.1905
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-Ko Dev Everrzvote. es ist Hilda," anttvovtehe das Mäd chen und trat näher, so da st das Licht von HÄ? Lampe auf ihre gasterbleiche» Züge siet. „Kind, wo bist Tu gewesen? Wie kommst Tu hier an?" „Ich ging vom Bahnhof zu Fuß herüber nnd es regnet." Ulrike saß wie versteinert da. Sie traute ihren Sinnen nicht. Nein, das war nicht ihre Nichte Hilda — dieses ernste, ruhige Mädchen mit dem festen buttern Zug um den Mund Und der inonotonen Stimme. Mötzlich wendete Hilda, die in das Helle Feuer gestarrt hatte, den Kopf nach ihr hin und sagte: „Tante Ulrike, ich möchte Tir alles erzählen, weshalb ich fortging nnd weshalb ich wiedcrkomme." „Warte Kind, warte ein wenig," rief das alle Fräulein in aufgeregter Hast. „Tu bist .so naß, Tu mußt erst trockene Kleider haben." Sie nahm die Lampe vom Tisch und ver ließ damit das Zimmer. Sie stieg die Treppe hinauf nach ihrem Schlafzimmer, wählte dort wie im Traume verschiedene Kleidungsstücke — einen wollenen Morgenrock und ein Paar Pan toffeln und kehrte mit diesen Gegenständen nach dem Wohnzimmer zurück. Hilda stand noch ge nau so am Fenster, wie sie sic verlassen hatte. Sic widerstrebte nicht, als Tanre Ulrike ihr die nassen Sachen auszog und ihr die trockenen anlegte. Eine Statue hätte kaum passiver sein können. Als sie fertig war, zog Fräulein Treuhofer einen Stuhl heran, dem ihren gegenüber, und drückte .Hilda sanft darauf nieder. Tie Augen waren ihr feucht, als sie ihren alten Platz wie der einnahm. -„Nun will ich alles beichten," begann Hilda nach einer kleinen Pause. „Ich verließ dieses Haus, um mit einem Manne, den ich liebte, nach derResidenz zu gehen. Wir wollten uns heimlich trauen lassen, deshalb verriet ich nie manden meine Absicht. Ich liebte >hu so innig, daß ich an Tir nnd meinem Vater wie eme Verräterin handelte. Er brachte mich in das Haus meiner lieben Freundin Mademoiselle de Boisson, von der ich Tir öfter sprach. Ich wußte, daß sie mich aufnehmen würde, bis alle Vor kehrungen zu unserer Verbindung getroffen wa ren. Eine Stunde vor der Trauung wurde mein Bräutigam von meiner Seite weg, an das Sterbelager seiner Mutter gerufen. Er sagte, er würde wiederkommen und mich zu seiner Gemahlin machen. Ich glaubte ihm, denn er hatte geschworen, daß nichts seine Liebe zu mir verringern oder seinen Sinn ändern könnte. Tante Ulrike, sein Schwur war eine Lüge. Er war falsch und ein Feigling. .Ich entdeckte das, bevor es zu spät war, und als er zu nrir zu- rücktehrte, weigerte ich mich, die Seine zu iver- den. So bin ich wieder zu dir gekommen. Ich glaube, ich habe in den letzten paar Tagen ein halbes Leben durchgelebt. Ich bin alt — ganz alr. Tas denkst auch Tu. Ich las es in Deinen Augen, als Tu mich ansahst. Ach«, Tante Ulrike, ich habe eine Sünde begangen, für die es keine Vergebung gibt! Ich weiß, ich habe nie men guten Namen verloren, und kein ehrlicher Mann würde mich zur Frau machen. Charlotte hat es von jeher gesagt, daß ich einmal etwaSTchreck- Uches begcheu nnd sich alle Welt vor mir Ent setzen würde, und nun ist es wirklich so ge- lommench (Fortstzg. folgt.) 'L-ercaNtrices. — Eine Schiffsladung Menschenknochen. In Philadelphia traf die Goelette „D. H. Rivers" mit einer Fracht von 1 50 Tonnen Menschenkno- chen ein. Tie Knochen stammen sämtlich aus dem „Tal des Todes", einem bei Habana auf Kuba gelegenen Friedhof, auf welchem vor dem Aus bruch des spänisch-amerikani^ Krieges die Leichen von Verbrechern, Selbstmördern, Ltadt- armen und mit ansteckenden Krankheiten behaftet gewesenen Personen beigesetzt wurden. Der Friedhof wurde schließlich zu einem wahren Seu chenherde für die ganze Gegend, so daß man sich entschließen mußte, ihn zu räumen. Auf die Fra ge, was mit den vielen Menschenknochen ge schehen werde, antwortete der Besitzer des Schif fes, daß sie bereits an Knopf- und Kunskdüngcr- fahrien verkauft morden seien. — Ein unerwartetes Ergebnis hatte eine Nachlaß-Versteigerung in der städtischen Pfand- lämmer in Berlin. Dort wurde die Wohnungs einrichtung einer Witwe W. verkauft, die seit Jahren Ärmenunterstützungen bezogen hatte. Die alten Möbelstücke und Küchengeräte wurden zu sehr niedrigen Preisen Händlern zugefchlagsn. Unter den Sachen befand sich auch, eine Kaffee büchse, in der noch ein geringer Vorrat von Bohnen war. Eine .Handelsfrau nahm die Büchse u. öffnete sie. Plötzlich bemerkte sie zwischen den Bohnen ein blaues Papier, und als sie dieses herauszog, hielt sie zu ihrem nichr geringen Erstaunen einen Hundertmarkschein in den Hän den. Nun schüttete man die Bohnen aus und fand auf dem Boden der Büchse noch neun Hun- dertmaröscheine. Der Gerichtsvollzieher beschlag nahmte das Geld, das ebenso wie der Erlös aus der Versteigerung der städtischen Armenpflege zufällt. — Eine Weiberstadt. Ter einzige Ort der Welt, in dem Frauen mehr verdienen als Män ner, ist, wie eine englische Zeitschrift versichert, die Stadt Troy im Staate Newyork. Tie Haupt industrie ist hier die Anfertigung von Magen und Stulpen und das Waschen der Wäsche für den halben Staat. Ist den Fabriken nnd Wäsche reien sind gegen 10 000 Mädchen beschäftigt, die wöchentlich 60 bis 100 Mark verdienen; in lei tenden Stellungen kommen sie sogar auf 20 Mk. täglich. Tie Männer arbeiten auch in beiden Industrien, aber da sie nur grobe Arbeit ver richten, wie Maschinen bedienen, Heizen usw. steigen ihre Löhne nicht über 40 bis 45 Mark wöchentlich. Vor kurzem veranstalteten die an leitender Stelle stehenden Frauen einiger Fabri ken in Wäschereien in Troy ein großes Fest mit Tanz, das einzig in seiner Art war. Man hatte den größten Saal dazu gewählt; etwa 400 Mädchen und einige 500 Männer wohnten dem Feste bei. Jedes Mädchen hatte 4 Mark beigesteuerr und damit das Recht erworben, ei nen befreundeten Herrn mitzubringen. Aber von achten war es immer nur einem gelungen, pi- nen Herrn zu finden; manche Männer sollen 30 bis 40 Einladungen erhalten haben. Wenn in Troy ein Mädchen aus einer Fabrik oder Wä scherei heiratet, wird ein großer Aufzug ver anstaltet. Im allgemeinen aber streben dis dor tigen Franen nicht sehr nach der Ehe, weil sie ! j ! ! i nicht gern ihren „höheren" Lohn zugunsten ei nes Mannes aufgeben. 100 Brautjungfern sind bei einer Hochzeit nichts Ungewöhnliches inTroy, 30 bis 40 ist eine ganz gewöhnliche Anzahl. Ter Bräutigam macht den Brautjungfern keine Geschenke, aber jedes Mädchen, das eingeladen wird, kommt mit einem kleinen Geschenk. Zur Unterstützung des jungen Paares im Anfang der Haushaltung wird kurz vor der Hochzeit eine „Küchengesellschaft" gegeben, zu der jeder Gast ein Geschenk mitbringt. Tas Vergnügen ist dann groß, chenn einer mit einer Teigrolle kommt, ein zweiter mit Schmortiegcln, ein dritter mit einem Reibeisen, ein vierter mit einem Kes sel usw., die ganze Reihe der Küchengegenstände hindurch, bis das junge Paar mit allem ver sorgt ist. Tie Wäscherinnen und Fabrikarbei terinnen von Troy erhalten wöchentlich gegen 800 000 Mark oder 40 Millionen jährlich ausge- zahlt, mnd viele, die sparsamer Natnr find, ha ben .denn auch in Banken nnd anderen Institu ten kleine Vermögen angLsammelt. Tie Arbeit geber sorgen für gute Wohnungen, die Mäd chen haben ihre Klubs und Gesellschaften, und führen ein gesundes, angenehmes Leben. So sind die Fabrikarbeiterinnen von Troy zweifel los die bestbezahlten nnd zufriedensten der gan zen Welt. — Taufe cn gros. Ein entschiedener Gegner der Taufen war ein in St. Pauli-Hamburg woh- ueuder Geschäftsmann; er ließ keines seiner Kin der taufen. Als aber das älteste Kindi konfirmiert werden sollte, entschloß er sich!, alle seine Kinder, sechs an der Zahl, im Alter von 2—l4 Jahren, gleichzeitig taufen zu lassen; die sechsfache Kind taufe wurde unter großer Beteiligung gefeiert. — Ein Sportsfrennd im Steckkissen. Der jüngste Freund und Gönner des cdlenRennsports dürfte zweifellos der 8 Monate alte Großfürst- Thronfolger von Rußland sein. Zum Beweis seiner lebhafte» Teilnahme an den Freuden des grünen Rasens hat der junge Zäsarewitsch — der leider aus zivingenden Gründen an aktiver Betätigung des Sports noch verhindert ist .—, kürzlich einen großen Rennprcis gestiftet, der am 26. Februar (13. Februar a. St.) in der russischen Hauptstadt zum AuStrag kam unter der Signatur: „Preis des Zäsarewitsch von 5000 Rübeln und 1 goldenen Medaille im Werte von 200 Rübeln, gegeben von Seiner Kaiserlichen Ho heit, dem Großfürsten-Thronfolger." Ta der Zäsarewitsch schon am Tage nach der Geburt be ¬ kanntlich „Hermann aller Kosakenregimenter" wurde, so ist schließlich seine Vorliebe für den Pferdesport nur natürlich. Berlin. Einer schwierigen Operation muß te sich gestern ein junger Artist unterziehen, der als sogenannter Glas- und Tegenschlucker in einem Varietee des Nordwestens der Stadt seine Künste produziert hatte. Seine Spezialität war es, eine Glasröhre von 75 ZentimeierLäng« so zu verschlucken, daß aus dem Munde nichts mehr hervorragte. Allabendlich war das Experi ment unter großer Bewunderung des staunen den Publikums glücklich gelungen, bis das Glas rohr brach und ein Teil von etwa 10 Zenti meter im Magen stecken blieb. Ter jung« Mann wurde fast bewußtlos von der Bühne weggetra gen und in die Königliche Klinik in der Ziegel straße gebracht. Hier wurde ihm der Magen ausgeschnitten nnd das Glasstück unter großen Schwierigkeiten entfernt. Nach Ansicht derAerzte steht zu erwarten, daß der in seinem Berufs verunglückte Artist am Leben erhalten bleibt. , — Verhaftung eines jngendlichen Raubmör ders in Wien. Wie wir seinerzeit meldeten, war am 9. d. Mts. die Tischleruieistersgattin Leo poldine Reiter in ihrer Wohnung zu Wien er- mordel worden; die eingehenden Nachforschun gen der Krinnnalbehörden waren bisher ohne Erfolg gewesen, bis es jetzt endlich gelang, des Täters habhaft zu werden: es war der Lehr- junge des Meisters Reiter selber, der 17 Jahre alte SchulMacherssohn Franz Heiny, ausBeraun in Böhmen gebürtig. Durch die Absendung einer Postanweisung hatte er sich verdächtig gemacht, er wurde verhaftet und gestand nach langem Zögern die furchtbare Tat ein. Nachdem er die unglückliche Frau seines Meisters abends mit einem schweren Hammer durch mehrfacheEcYläge getötet hatte, stahl er 380 Kronen, die der Mei ster in ein Sacktuch eingeschlagen hatte; am nächsten Morgen ging Heiny ohne jede Erregung seiner gewohnten Arbeit nach, bis ihn jetzt das Geschick ereilt hat. Ten größten Teil des geraub ten Geldes fand man in einem Versteck vor. Heiny wird wegen Raubmordes unter Anklage gestellt werden. . — Wunder eines Heiligenbildes. Wie die Bulgaren gegen die Griechen in Macedonigü durch ein „wnndertätiges" Heiligenbild aufge hetzt werden, davon erzählt ein englischer Mo hammedaner, der Scheik Abdullah QuWam, der sich jetzt auf einer Reise in Makedonien beAn» det, folgende merkwürdige Geschichte: „Tas Hei ligenbild, das in die vordere Seite eines.Kastens hinemgepaßt ist, wird in viele Dörfer des Wi- lajets Monastir und in andere Provinzen ge bracht. Er vergießt Tränen, und als Antwort auf die inbrünstigen Gebete seiner Priester spricht es folgende Worte: „O, Ihr Bulgaren, wahre Anhänger des heiligen Kreuzes, Ihr wer det niemals Erfolg gegen die Türken haben, so lange Ihr die Griechen nicht vor Gott als Opfer darbringt. Tie Griechen sind Ketzer, und ein Ketzer ist in den Augen Gottes verdammenswer ter als ein Ungläubiger. Erschlagt deshalb die Griechen und schont sie nicht, dann wird Gott Euch Euer Erbteil geben." Tie Vorführung ge schieht immer in einer Kirche; um das Bild herum werden angezündete Kerzen aufgestellt. Mit dem Heiligenbilde ist ein Mechanismus ver bunden. Die Tränen fließen tropfenweise, aus den Augen, wenn man auf eine verborgene Schraube drückt, die mit einem Gümmibatton in Verbindung steht. Dieser Ballon ist mit Wasser gestillt und in deni Kasten nnwrgebracht. Ter Phonograph, der die Worte hervorbringr, wird durch eine zweite Feder in Bewegung ge setzt. Man kann sich die Wirkung dieses Betru ges auf eine unwissende nnd leichtgläubige Bauernschaft leicht vorstellen." — Gestohlene Predigten. Taß einem Pfarrer die Predigten gestohlen werden nnd der Dieb sie noch obendrein aufs Versatzamt trägt, diese sicher noch nicht dagewesene Tatjsgche hat sich dieser Tage in Glasgow zugetragen. Auf dem dortigen Bahnhof St. Enoch kam einem geist lichen Herrn, gerade als er den Zug nach Sear- borongh besteigen wollte, eine Reisetasche ab handen. Diese harre an sich nicht viel Wert, aber es waren in ihr die kostbaren Predigten des Reverend eingeschlossen. Ter Polizei ge lang cS, den Verbleib der Tasche zn ermitteln. Dev Spitzbube hatte sie auf ein Leihamt ge tragen und dort versetzt. Sie wurde dem Geist lichen wieder zu gestatt, und zu seiner Freude sand er in ihr alle seine Sermone unverletzt! vor. Auch der Dieb oder vielmehr die Diebin wurde später ausfindig gemacht. — Zn Amerika hat ein reicher Mann nichts besseres zu tun gewußt, als in seinem Testament ein Haus seinen zrvei Katzen zu vermachen. Blackie und Piukie sind die Minen der beiden glücklichen Tiere, lind so lange sie leben, wird der treue Diener, der seinen Herrn in seiner letz ten Krankheit gepflegt hat, von nun üb seinen Dienst den beiden Katzeu weihe». Dafür bekommt er 300 Mark monatlich für Lebens zeit. Wenn er und die Katzen gestorben sind-, dann sott das Haus für wohltätige Zwecke ver- ' lauft cherden.
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