Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 19.05.1875
- Erscheinungsdatum
- 1875-05-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-187505197
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18750519
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18750519
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungFreiberger Anzeiger und Tageblatt
- Jahr1875
- Monat1875-05
- Tag1875-05-19
- Monat1875-05
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- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 19.05.1875
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UNeidergerMeiger» und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen «nd städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. .R 112. Mittwoch- den IS. Mai. 1875. Nach dem Feste. Vorüber sind die Tage der fröhlichen Pfingstzeit! Ein Heller, wolkenloser Himmel ergoß seinen belebenden Sonnen strahl über die lachenden, blühenden Fluren und machte das Menschenherz um so empfänglicher für die Reize der Natur. Ja, unser Psingsifest war diesmal ei» recht echtes FrühlingSsest. Möchte es auch in seiner seelischen Bedeutung nicht fruchtlos an uns vorüber gegangen sein, denn nicht nur für die Natur, auch für den Geist der Menschheit ist Pfingsten immer und immer wieder ein Frühlingsfest. Brach nicht mit der Stiftung der christlichen Kirche — dem ersten Pfingsten — ein neuer Geister- und Völkerfrühling über den Erdkreis an? Wie steht es aber damit? Da müssen wir leider bekennen: mit der Erleuchtung der Geister geht es nur äußerst langsam vorwärts und es gewinnt ost geradezu den Anschein, als fürchteten sich die Menschen vor dem Licht, als blieben sie lieber in der Dämmerung, um, wie bisher, ein halbes Traumleben weiter fortzuführen. Wo es sich besonders um kirchliche Lehren und um religiöse Vorstellungen handelt, ertönt noch häufig der wahre Angstschrei: „Rühr' mich nicht an! Bleibe mit deiner Vernunft zu Hause und störe nicht den Frieden meiner Seele! Zu viel Licht schadet den Augen und schon Mancher ist in den Abgrund gestürzt, der davon geblendet war!" Das klingt sehr schön und pflichttreu, ist aber durch aus nicht richtig. Wer noch nicht selbst denken und mit eigenen Augen noch nicht sehen kann, der soll es lernen. Die jetzt lebende Generation ist überdies gar nicht so träge und denkfaul, wie MwMer sich einbildet. Unsere Zeit steht mitten drin in einem Geisteskampfe, der nicht nur jeden denkenden Menschen berühren muß, sondern welcher auch durch keinen faulen Frieden abgeschlossen werden darf. Dieser Kampf ist bereits in ein Stadinm getreten, daß er die Mauem der Klöster durchbricht und die ganze Welt in zwei feindliche Heerlager scheidet. Wir haben unsere Leser öfterer auf die brennenden kirchenpolitischen Fragen der Gegenwart hingewiesen, und das eben beendete Pfingstfest ist ein erneueter Mahnruf, unsern Geisteskampf nie aus den Augen zu verlieren. Wer da fürchtet, daß es im Geiste der Menschen zu hell werden könnte, der hat noch kein volles Verständniß für das Fest der Pfingsten. Mehr Licht in die Köpfe, mehr Feuereifer in die Herzen — das ist die Forderung unserer Zeit. Gar Mancher steht noch theilnahmlos am Wege und sagt: was man da in Preußen für Gesetze macht, was geht's mich an? Und doch wird es nicht lange dauern, daß beispiels ¬ weise das Klostergesetz auch für unser Sachsen Gültigkeit erlangt, wie es die Motive selbst andeuten. Denn es heißt ausdrücklich in ihnen, daß das Reichsgesetz über die Frei zügigkeit dem deutschen Reiche sehr bald die Aufgabe stellen werde, Maßregeln anzuordnen, durch welche eine Umgehung des Klostergesetzes in den deutschen Einzelstaaten unmöglich gemacht werde. Mit anderen Worten: der nächste Reichs tag wird das Klostergesetz zu einem Reichsgesetzt erheben und uns auf diese Weise inmitten des großen Kampfes stellen. Es ist unseren protestantischen Lesern vielleicht zum größeren Theile noch nicht bekannt, daß die römische Dogmatik als biblischen Beweis dafür, als habe Christus seinen Anhängern das Klosterleben empfohlen, das 19. Kapitel im Evangelium Matthäus aufstellt. Wir bitten, den Abschnitt vom reichen Jüngling (vom 16. Verse an) durchzulesen, aber nicht aus dem Zusammenhänge gerissen, sondern in Verbindung mit dem, was der Erzählung voran geht und besonders auch mit dem Schluß, wonach der reiche Jüngling betrübt von dannen ging, weil sein Herz zu sehr an seinen Schätzen hing. Es ist wahrhaftig mehr als kühn, das Klosterleben, die geistlichen Orden und Kongregationen auf diese Bibelstelle zu gründen. Ganz verwundert ruft der Protestant: was ist das für eine merkwürdige Schrift auslegung und wo bleibt da Moral und Logik? Also Gott hat Gebote gegeben, die für Alle verbindlich sind; aber er hat außerdem auch noch die sogenannten evangelischen Rathschläge (Räthsel) ertheilt, durch deren Befolgung man zu einer größeren Vollkommenheit gelangen, einen Schatz im Himmel sammeln und eine höhere Stuf« der ewigen Seligkeit erwerben kann? Und diese evangelischen Räthsel befolgt man, diese höhere Vollkommenheit erreicht man durch das Klosterleben? Wahrlich, hier gähnt eine tiefe Kluft zwischen katholischer und protestantischer Moral! Der evangelische Christ hat kein Verständniß für den sittlichen Werth einer Handlungs weise, welche durch und durch lohnsüchtig ist. Und wo bleibt die Logik? ,Zhr sollt vollkommen werden, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist" — lautet das an alle Jünger Jesu ausnahmslos gerichtete Gebot! Giebt es denn nun eine ganz aparte Vollkommenheit, die noch höher steht als die christliche Vollkommenheit überhaupt? Wir Protestanten schütteln den Kopf dazu, wenn die katholische Kirche den Grundsatz aufstellt: das Streben nach möglichster Vervoll- kommung könne bei einzelnen Menschen die Richtung Her vorrufen, dieselbe in besonderer Weise durch Abtödtung des Fleisches und völlige Hingabe an höhere Lebenszwecke zu! fördern. Wir glauben unseren Ohren nicht zu trauens wenn die religiösen Orden für Vereinigungen erklärt werde«, in welcher sich „die Blüthe des kirchlichen Lebens ausspricht." Uns erscheinen sie mit ihren Gelübden und ihrer hermetischen Abgeschlossenheit von der Welt als ein völliger Anachro- nimuS, welcher in die moderne Zeit absolut nicht mehr hineinpaßt, der die Ordensleute ihrer Menschenwürde be raubt, sie aus der Familie und dem bürgerlichen Leben herausreißt und statt des eigenen freien Willens ihnen den Gehorsam eines Kadavers zur Pflicht macht. Und was soll man weiter sagen zu den Zeichen der Zeit wie sie von Rom ausgehen? Noch ganz kürzlich über raschte uns die Nachricht, daß der Papst am 16. Juni dieses Jahres di» ganze Welt dem heiligen Herzen Jesu weihen werde! „Zurück in's Mittelalter" schallt's aus Rom und wir antworten: „Mehr Licht und tapfer vorwärts im Kulturkämpfe!" Das sei die Loosung, die wir aus der Pfingstzeit mit in die Werktage htnübernehmen. Mehr Licht, damit es immer Heller in der Welt werde und die Spukgestalten irregeleiteter Herzen vchffchwinden. Wir sind ein protestantisches Land und freuen «ns dessen. Nicht umsonst ist dieser Prist gerade über Deutschland auS» gegossen worden. Er hat lange ein schmachvolles und ge knechtetes Dasein geführt. Erst der neuesten Zeit scheint es Vorbehalten zu sein, ihn in bretteren Strömen zu ent wickeln. Darum tapfer vorwärts im Kulturkämpfe! Tagesschau. Freiberg, den 18. Mai. Da haben wir's!' Nachdem das unheimliche Kriegs geschrei der letzten Wochen verstummt ist, wird uns jetzt Aufklärung über die Entstehung desselben gegeben. Die preußische Regierungspreffe, so heißt es, hatte die Parole erhalten, auf die Bedenklichkeit des französischen Kadres- Gesetzes aufmerksam zu machen ; dieses Auftrags entledigte sie sich mit gebührendem Eifer und redete sich dabei so in die Hitze hinein, daß allmälig sogar kriegerische Gerüchte daraus entstanden. Mittlerweile aber hatte Fürst Bismarck die belgische Frage in's Auge gefaßt, war überdies krank und kümmerte sich nicht um die Weisungen, die den Offiziösen zugingen, bis diese plötzlich am politischen Horizont die schwärzesten Sturmwolke» emporbliesen. Nun ward ihm der Lärm den» doch zu arg, die deutsche Botschaft in Paris ließ sich dahin vernehmen, daß man die Wirkung und Be deutung des Kadresgesctzes doch überschätze und die Franzosen augenscheinlich für jetzt an einen Krieg nicht dächten — di» offiziöse Presse erhielt daher Ordre, nicht länger Grau in Grau zu malen, vielmehr die ganze Situation wieder hübsch rosenfarben anzustreichen. — So weit diese Mittheilung. Wir haben nicht »öthig, ein Wort davon zurückzunehmen. Feuilleton. »*s« Lichttvart. Novelle von L. Wichert. Das Gespräch verließ diesen speciellen Gegenstand und verbreitete sich über allgemeine Lebensfragen und über deren sehr verschiedene Beantwortung in den einander folgenden Jahrhunderten und Jahrtausenden je nach der Individualität des Volkscharakters und nach dem Kulturzustande der Gesell schaft. Das war ein Thema, das den Professor bald ganz in Beschlag nahm. Er erörterte mit vieler Sachkenntmtz und oratorischem Geschick die altrömischen Anschauungen von Familie, Ehe, väterlicher Gewalt, als von dem einen Ge danken ausgehend, daß der Staat den Bürger fordere, gegen über der schwächlicheren modernen Forderung, daß die mög lichste Glückseligkeit des Einzelnen Zweck und Ziel aller sozialen Verbindungen sei, und vertiefte sich in diese Parallele mit solcher Lebhaftigkeit, daß er bald darüber Rosa und seine eigentliche Mission gänzlich vergessen hatte. Die Art, wie man ihm von der ander» Seite bald zusprach, bald Einwen dungen machte und in beiden Fällen ein aufmerksames Ein gehen auf seine Auseinandersetzungen bewies, erhöhte nicht wenig seine gute Meinung von dem freiherrlichen Paar. Fortunata mußte ja bei ihnen gut ausgehoben sein. Wieder ein Zwischenfall ganz irre. K durch den Diener abberufen: Der Se- ickttunia^N ihm in einer mit Die Baronin folgte ihm zur Thür, wartete ab, bis er dieselbe hinter sich geschlossen hatte, und schob dann scknell ibre« M?" R- SÄ" N L" mäßig freundlich und^ohne besondere Bewegung, hatte uw- plötzlich einen ganz veränderten Ausdruck angenommen. Die Augen senkte» und hoben sich unruhig, auf den Wangen bildeten sich kleine rothe Flecke, der schmale Nasenrücken schien noch schärfer vorzutreten, die Stirn zog sich in feine Falten. Sie beugte sich zu ihm über und flüsterte: „Ich bitte Sie, Herr Professor, wenden Sie alle» Ihren Einfluß aus, daß das Kind mir bleibt. ES ist in meinem Unglück die einzige Stütze — glauben Sie mir das! Ach! ich bin unglücklich, — ich bin sehr unglücklich und muß schweigen." Der Professor wandte, erschreckt über diesen unerwarte ten Ausbruch ihres geheimen Kummers, den Kopf zu ihr hin und betrachtete sie init einein fragenden Blick. „Ich muß schweigen," wiederholte sie, „wie mir auch das Herz blutet. Welche Frau hätte nicht das Bedürfniß geliebt zu werden? ES kann lange zurückgedrängt, in seiner Aeuße- rungsfähigkeit eingeschränkt sein, aber es stirbt nicht leicht ganz ab. Ich habe mir einreden können, daß es sich durch ein freundschaftliches Gefühl ersetzen lasse, aber jeder Tag belehrt mich mehr, daß ich mich täuschte. Und ich habe noch Hoffnung — Hoffnung durch daS Kind —" „Gnädige Frau —" unterbrach er sie verwundert. Die Bilder an der Wand gegenüber fingen an vor seinen Augen zu tanzen. Die Baronin richtete einen ängstlichen Blick nach der Thür und fuhr dann fort: „Ich glaube bemerkt zu Haden, daß mein Mann das Kind mehr liebt, als dessen Mutter. — Die Abneigung, die sie ihm zu erkennen giebt, trägt sicher dazu bei, seine ganze Zärtlichkeit auf Fortunata zu konzrntriren. Es ist aber auch natürlich, daß sich unmerk lich ein Theil davon auf den überträgt, der ihm die Freude an dem Kinde sicherte. Je mütterlicher ich mich selbst des - » ?'""hme, je nothwendiger ihm meine Zusammen gehörigkeit mit demselben erscheint, desto größer muß mein eigener Gewinn sein. Das ist zugleich sür Sie die sicherste Garantie, daß Ihre kleine Curandin an mir die aufmerk samste Pflegerin hat. In dem Augenblick, in dem ich sie verliere, schwindet für mich jede Hoffnung. Ich bitte Sie, lassen Sie mir das Kind! Es ist ein gottgefälliges Werk,, den Friede» zwischen Eheleuten —" Die Thür öffnete sich wieder und Diestelhorst trat ein. Die Baronin lehnte sich in den Sessel zurück und schien in die Betrachtung eines Brillantringes vertieft zu sein, der an ihrer Hand funkelte. Ehe noch der Freiherr wieder einen Platz eingenommen hatte, fuhr sie, als ob die Unter haltung sich auch in seiner Abwesenheit darin bewegt hätte, n denr früheren Gespräch fort. Es war Schuld des Pro- essors, der nur einsilbig antwortete, und des Freiherrn, der durch neuere Gedanken abgelenkt schien, daß es gleich wohl bald in's Stocken kam. Es schieii Zeit zum Aufbruch. „Nun müssen Sie aber auch noch das kleine Mädchen selbst sehen," sagte Diestel horst, als der Gast sich erhob; „kommen Sie nur!" Er führte ihn in eins der anstoßenden Zimmer. Die Baronin folgte. Da saß die italienische Wärterin und hatte das liebliche Kind auf dem Schoß, das ganz in die feinsten Spitzen eingehüllt war. Eine Wiege mit langem Behang von grüner Seide stand daneben. Der Freiherr streichelte das kleine Köpfchen und ließ seinen Zeigefinger mit dem blitzenden Siegelring, der die Aufmerksamkeit der freund lichen Augen erregte, von den feinen Händchen fassen. Die Baronin hob es auf den Arm, um es ihm näher zu halten, und küßte die rothen Wangen. Das Kind lachte lustig auf. „Es ist mir schon jetzt wie mein eigenes, sagte sie. Der Baron nickte ihr freundlich zu. — Grimminaer wußte nicht, wie er zur Treppe und dann auf die Straße gekommen war. Es wirbelte ihm im Kopf; er konnte mit sich über den Eindruck nicht fertig werden, den er von seinem Besuch empfangen hatte. Unverhüllt
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