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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 05.02.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189802050
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18980205
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18980205
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungFreiberger Anzeiger und Tageblatt
- Jahr1898
- Monat1898-02
- Tag1898-02-05
- Monat1898-02
- Jahr1898
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 05.02.1898
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28. Freiberger Anzeiger und Tageblatt. Seite L. — Februar. UI> Änderung berichtet die nachstehende Drahtung: Wien, 8. Februar. Heute, Morgens 8 Uhr, sollten die ersten Vorlesungen an der Universität beginnen. Schon eine halbe Stunde früher waren die Gänge uns Stiegen von der Studentenschaft dicht gefüllt, die dann in jene Hörsäle strömte, wo zunächst Vorlesungen beginnen sollten. Als die Professoren eintraten, wurden sie mit stürmischen Prosit- und Heilrusen begrüßt, sofort begann aber auch heftiger Lärm; dir Studenten schrien: „Schluß!", klopften mit Stöcken und stampften mit den Füßen. In einigen Hörsälen versuchten die Universitätsbeamten vergebens die Studenten zu beschwichtigen. Die Professoren verließen die Hörsäle; gleich darauf erschien eine Kundmachung des Rektors, wonach die Vorlesungen an den weltlichen Fakultäten für die nächsten acht Tage eingestellt bleiben, und die akademischen Behörden sich Vor behalten, gegen die Schuldigen mit aller Strenge vorzugehen. An der technischen Hochschule wartete man nicht erst die Gestaltung des heutigen Tages ab; der Rektor kündigte vielmehr schon gestern Abend durch Anschlag am schwarzen Brett die Einstellung des gesammten Unterrichtes bis auf Weiteres an. Auch die deutschen Hochschulen in den Provinzen erhielten die Ermächtigung, nöthigen- faüs die Vorlesungen kinzustellen. — Brünn, 3. Februar. Die Vorlesungen an der deutschen Technik wurden eingestellt. Aus Innsbruck wird gemeldet: Die Studenten an der hiesigen Universität verhinderten durch Tumulte die Vorlesungen in allen Fakultäten. Der Prorektor stellte vorläufig die Vorlesungen ein. Der Beschluß des Senats ist b.sher noch unbekannt. Zwischen deutsch-nationalen Studenten und Mitgliedern der katholischen Studentenverbindung „Austria", welche an dem Ausstande nicht theilnahmen, kam cs auf der Straße zu Thätlichkeiten; die Mit glieder der „Austria" wurden beschimpft, geschlagen und der Mützen beraubt. Die deutsch-nationalen Studenten zogen in corpore durch die Stadt. England. Die Meldung der Times, daß die Forderung Englands wegen Oeffnung des Hafens von Talienwan für alle Mächte zurückgezogen sei, hat die öffentliche Meinung jenseits des Kanals höchlichst erregt. Die englische Regierung, der die Ver öffentlichung offenbar sehr unbequem ist, vermag die Richtigkeit der Meldung nicht zu leugnen, sondern läßt nur erklären, daß offizielle Msttheilungen über die Angelegenheit noch nicht ge geben werden könnten. Es geht ein Entrüstungssturm über die Aufgabe vou Talienwan durch die englische Presse, besonders die konservative. Keine andere Bedingung, erklären die Blätter, könne diesen überwältigenden Schlag gegen das britische Prestige kompensiren. Die Stellung des Kabinetts gilt für erschüttert. Die Negierung ist wüthend aus die Times, welche die Verhand lungen gefährdet, vielleicht vereitelt habe. Frankreich. Für eine tadelnde Rede, die Abg. Delcasss bei der Benutzung über das Flottenerforderniß gehalten, rächte sich die Regierung, indem sie in ihrem Lecbblatle „Soir" erzählen ließ, die Rede sei nicht von Delcassä versaßt, sondern von einem Unterrichteten fertig geliefert worden. Darauf erwidert Delcasss, die von ihm angeführten Thatsachen habe er allerdings nicht erfunden, sondern einer ihm mittels Einschreibebriefes zuge gangenen Arbeit entnommen, und bei dieser Gelegenheit enthüllt er, daß ihm jener Brief sichtlich nach Oeffnung aus der Post zugestellt worden sei, wie denn überhaupt der ganze Briefwechiel aller politischen Persönlichkeiten durch das schwarze Kabinett wandere, das übrigens so plump arbeite, daß man seine Fingerspuren gar nicht übersehen könne. Delcasss hätte hinzusügen können, daß das schwarze Kabinett seine liebevolle Aujmerkiamkeit durchaus nicht auf die Briefe der politischen Persönlichkeiten beschränkt. Zur Kennzeichnung des Oberstlieutenants du Paty de Elam, deS Offiziers, der seiner Zeit die Untersuchung gegen Dreyfus führte, dem dann in Zolas bekanntem Schreiben an den Präsi denten der Republik so übel mitgespielt wird, erzählt der Pariser Berichterstatter des Brüsseler „Soir" eine romanhafte Geschichte, die wir deshalb weitergeben, weil in der ganzen Dreysus-Ange- lcgenheit seltsame Unterströmnngen überhaupt mitgewirkt haben müssen, du Paty wird als der Mann hingestellt, der das Auf treten der verschleierten Dame ins Werk gesetzt hat. Einige Jahre vor dem Dreyfus-Prozeß stellte die Familie de Comminge fest, daß der bei ihr verkehrende, damals vierzigjährige du Paty einer sechzehnjährigen Tochter des Hauses den Kopf verdreht und mit ihr einen LiebeSroman durch Briefwechsel angebunden hatte. Als der Vater davon erfuhr, behandelte er du Paty als einen Elenden und forderte die Briese seiner Tochter zurück, du Paty verstand sich dazu; nur einen Brief vermöge er nicht wieder auSzuliefern, da er ihm von einer Dame gestohlen worden sei, die für die Wiedergube 1000 Franken fordere. Ler Vater möge sich um Mitternacht an den Champs ElysöeS einfinden, wo die Dame eintreffen und ihm den Brief überreichen, wogegen er, du Paty, ihr dw 1000 Franken einhändigen würde. Also geschah eS; die Dame war verschleiert. Die «Schlußfolgerung auS dieser aben teuerlichen Geschichte, daß du Paty mit der verschleierten Dame gespielt habe, um seinen Freund Esterhazy auS der Klemme zu retten, liegt daher nahe. Der Berichterstatter behauptet, die Sache könne durch Schriftstücke belegt werden und werde eS auch zur gegebenen Zeit, auch sei sie im Kriegsministerium, in der Kanzlei der Ehrenlegion und auf der Polizeipräfektur bekannt. Herr und Fräulein de Comminge sind als Zeugen zu dem Prozeß Zola geladen. Viel besprochen wird in den Wandelgängen der Kammer die Beschwerde Delcassös, daß ein eingeschriebener Brief, worin ihm ein hoher Marinebeamter amtliche Daten für seine Rede in der Kammer übermittelte, erbrochen und der beige.legte Begleitbrief entwendet worden sei. Ostasieu. lieber die völkerrechtlichen und staats rechtlichen Verhältnisse des in China erworbenen Ge biets äußert sich Professor vr.Karl v.Stengel eingehend in der Beilage zur „Allg. Ztg.": Rechtlich kennzeichne sich die Erwer bung von Kiaotfchau als sogenannte „verschleierte Abtretung", die die Souveränität zu eigenem Recht deS deutschen Reiches über trage; völkerrechtlich sei das Gebiet deutsch geworden, daS Reich sei mithin berechtigt, jeden andern Staat von der Ausübung einer öffentlichen Gewalt abzuhalten. Dagegen, so fährt v. Stengel fort, ist das Kiaotschaugebict keineswegs Reichsgebiet im Sinne des Art. 1 R.-V-, daher würde ein feindlicher Angriff auf dieses Gebiet den Kaiser nicht berechtigen, ohne Zustimmung des Bundes raths dem angreifenden fremden Staate den Klcicg zu erklären. Ebenso ist das Kiaotschaugebict nicht Bestandtheil dcs deutschen Zoll- und Handelsgebicts; die deutschen Zollgesetze und die vom deutschen Reich abgeschloffencn Zoll- und Handelsverträge treten dort nicht in Kraft. Andererseits ist das Reich in der Lage, die Zoll- und Handelsverhältnisse in dem neuerworbenen Gebiete ganz nach seinem Ermessen zu regeln. Insbesondere ist in dieser Beziehung das Reich durch die bisher von China mit anderen Staaten abgeschlossenen Zoll- und Handelsverträge nicht behindert, da diese Verträge nach völkerrechtlichen Grundsätzen für das ab getretene Gebiet nicht mehr in Kraft sind. Ueberhaupt ist und bleibt zunächst das Kiaotschaugebict im staatsrechtlichen Sinne Ausland. Eine Gleichstellung mit dem Reichsinlande wird erst dann und insoweit ersolgen, als deutsche Gesetze daselbst zur Ein führung gelangen. Die Sache liegt hier ebenso wie bei den deutschen Schutzgebieten. Voraussichtlich wird man bezüglich des Kmotschaugeluetes in gleicher Wcise verfahren, wie bezüglich der deutschen Schutzgebiete, indem nämlich das Konsulargerichtsgesetz vom 10. April 1879 mit seinen Nebengesetzen, den deutschen Strafgesetzen, Civilgesetzen und Prozcßgesetzen im Kiaotschaugebict sür anwendbar erklärt wird. Dies würde zur Folge haben, daß zunächst wenigstens die Reichsangchörigen und die deutschen Schutz genossen deutscher Gerichtsbarkeit unterstellt würden. Daß die in Klootschau befindlichen Angehörigen der Marine und des Land heeres der deutschen Militärgerichtsbarkeit unterliegen, bedarf wohl keiner Hervorhebung; ob sie im Inland oder im Ausland im Dienst lind, ist ja in dieser Beziehung völlig gleichgiltig. Wie der Kaiser sür sich allein das Recht hatte, das Kiaotschaugebiet zu erwerben, muß ihm auch die Besugniß bcigelegt werden, besten Verhältnisse von sich aus ohne Mitwirkung des Reichstags wenigstens vorläufig zu regeln. Es liegt aber in der Natur der Sache, daß, wenn, wie anzunehmen ist, die Erwerbung von Kiao- tschau als eine dauernde und endgiltige gedacht ist, die Rechts verhältnisse des Kiaotschaugebiets ebenso durch ein Neichsgesetz werden geregelt werden, wie die Rechtsverhältnisse der Schutz gebiete durch Reichsgesetz geregelt worden sind. Es wird sich dies aus verschiedenen Gründen gar nicht vermeiden lassen. Der „Ostas. Lloyd" veröffentlicht folgende Danksagung: „Kiaotschau-Bucht, 24. Dezember 1897. In patriotischer Weise haben die Deutschen in Shanghai, Wusung, Yokohama, Tokio und Kobe durch eine reiche Spende von WeihnachtSgabe« fA, die Mannschaften der Schiffe deS Kreuzer-Geschwaders ihre« regen Interesse an der THLtigkeit der Marin« auf der hiesige» Station Ausdruck verliehen. Ich spreche im Namen der Be. satzungen der Schiffe des Kreuzer-GescbwaderS den freundliche» Gebern unseren besten Dank auS und erwidere aufrichtig Ke Wünsch« derselben für ein froheS Fest und glückliches neue-Jahr von Diederichs, Vize-Admiral und Ches deS Kreuzer-Geschwader-." Die Frevelthat au dem Matrose« Johauu Schnl« hat jetzt ihre Sühne gefunden. Sein Mörder ist nach chinesischem Gerichtsspruch auf Befehl deS chinesischen Bezirks- Vorstehers mit Genehmigung des Chefs des Kreuzergeschwader» enthauptet worden. Die Times meldet auS Peking, Oberst Woronow habe sein« Dienst als militärischer Rathgeber Chinas angetreten. Di« deut schen MilitSr-Justrukteure erhielten die Mittheiluug, daß ihre Kontrakte nicht erneuert würden. Unter der Spitzmarke „die indischen Märtyrer* veröffent licht die „Petersb. Wjed." einen Artikel, in welchem die Zu stände in Indien in einer für die Engländer sehr wenig schmeichelhaften Weise beleuchtet werden; u. a. heißt eS: „Hunger, Erdbeben, Pest, Krieg, die Verfolgung hervorragender Inder, — alle diese Leiden brechen eins nach dem anderen über die fried lichen, geduldigen und gewissermaßen in den Schmerz über ihr Unglück vertieften Eingeborenen herein. Gleichzeitig ziehen die Engländer aus Furcht vor den Rusten, den geistigen Brüdern der Hindus, die Schlinge immer fester, welche sie um den Hals der verarmten Bevölkerung gelegt haben. Es herrscht hier eiue geistige und körperliche, politische und ökonomische Sklaverei. Lest Praxis ist dem politischen System der Engländer in Indien in so hohem Grade zu eigen geworden, daß die indische Staatsschuld, welche vor dem großen Aufstande des JahreS 1857 nur 51 Mill. Pfd. Sterl, betrug, in den letzten dreißig Jahren auf 200 Milli onen (vier Milliarden Mark) angewachsen ist. Ist es ein Wunder, wenn bei solchen Wirthen derartige Gäste, wie Hunger und Pefl, einen günstigen Boden für ihre Verbreitung finden? Das ist aber noch lange nicht AlleS! Die Engländer stellen sich als Wohlthäter Indiens hin, indem sie dem Lande ein einer Negie rung kaum ähnliches Etwas gegeben und daS Land mit einem Netze von Eisenbahnen bedeckt haben, wodurch der Werth dÄ Landes gestiegen, der Handel belebt worden ist «. s. w. Diese Behauptung ist eine Lüge. Die Eisenbahnen bringen ausschließ lich den englischen Kapitalisten Nutzen, und wenn der Werth dä Landes gestiegen ist, so sind eben gleichzeitig damit auch die Steuern aus den Landbesitz in die Höhe geschraubt worden. Die Engländer betrachten Indien als ein Land, welches keine eigenen Interessen habe, und stellen die Eingeborenen auf dieselbe Stuft mit den Schwarzen im Innern Afrikas. Abgesehen davon werde in Indien auch noch die entsetzliche politische Tyrannei auSgeübt und von der englischen Presse befürwortet, welche behauptet, daß noch aus lange Zeit hinaus für Indien die einzig richtige Re- gierungSform der Despotismus sei, welcher durch Vernunft ge mildert werden müsse. . . . „Wir hätten kein Recht in Indien zu herrschen, wenn wir nicht die besten Administratoren wären," er klären die Engländer. Die thatsächlichen Verhältnisse in Indien werfen aber ein mehr als zweifelhaftes Licht auf die THLtigkeit dieser Administratoren. In den großen Städten herrsche freilich Ordnung und Sicherheit; in der Provinz dagegen werde, wie aus den Mittheilungen der indischen Presse hervor gehe, die Be völkerung durch die Regierungsbeamten geradezu terrorisirt und ausgesogen. Der Emir von Afghanistan würde Indien bester zu regieren verstehen als die Engländer! . . . DaS Bewußtsein, daß die gesammte Bevölkerung nichts anderes als ein Märtyrer in der Hand ihres Bedrückers sei, greife immer mehr um sich, während das Prestige der Engländer in Indien stetig im Fallen begriffen sei. Für die Engländer nahe der Anfang deS Endes heran. Der unglückliche Ausgang des Grenzkrieges habe der eng lischen Herrschaft in Indien einen starken Stoß versetzt. Die Gährung in Indien könne, wie kundige Engländer selbst zugeben, jeden Tag zu einer blutigen Erhebung führen. ... Per Majoratshen. Roman von Nataly von Eschstruth. (71. Fortsetzung.) tNaäwruck verboten). Ein scharf prüfender Blick traf daS verlegene Gesicht der schönen Base. „Hm. . ." sagte sie gedehnt, „würdest Du mich denn zur Schwägerin wollen?" — „Mein liebes, liebes Fränzchen!" Pia schlang jählings die Arme um Komteßchen und küßte sie auf die Stirn. Fränzchen machte sich ungestüm los. „Donnerwetter! — Puh, ist mir heiß . . . also Du meinst . . . hm . . . famoser Gedanke ... so was fehlte mir grade hier in der Einsamkeit! — Na ja, wenn ich Dir vielleicht einen Gefallen damit thue, nehme ich ihn!" „Fränzchen, bestes, einziges Herz . . bemühe Dich recht, ihm zu gefallen! sei recht nett zu ihm . . ." Das Backfischchen stand breitspurig vor dem Waschtisch und schäumte sich die Hände ein. Wie Wetterleuchten flammte es über ihr Gesicht, wie ein tolles, jubelndes Gelächter, welches kaum noch unterdrückt werden kann und sie zu ersticken droht. Aber diesmal bezwingt sie sich. — „Ich werde ihn zu berücken suchen!" flötet sie schwärmerisch, und fügt ärgerlich hinzu: „Verdammte Bickbeerenbrühe! unter den Nägeln kriege ich sie nicht weg!" Pia seuizt. „Wie fatal! aber es ist keine Zeit mehr, länger zu bürsten, man ruft schon nach uns!" „Alle Donner — meine Böllerschüsse!" und das Backfischchen spritzt den Seifenschaum um sich, — fährt mit den Händen flüchtig über das Handtuch, und nickt der Cousine noch einmal tröstlich zu. „Ja, ja verlaß Dich drauf, den Gert, den heirathe ich!" — und dann fliegen rechts und links die zierlichen Sesjel- chen mit dem verblaßten blumigen Atlasbezug zur Seite und Gräfin Fränzchen stürmt wie die wilde Jagd in den Hof zurück. Pia nimmt schnell die Rosen, welche sie dem Wildsang noch in den Gürtel stecken wollte, von dem Tisch und folgt hoch klopfenden Herzens. Sie ist so konfus und zerstreut, — mar es recht, daß sie an Fränzchen ihre geheimsten Wünsche verrieth? Die Kleine ist seit ihrer Rückkehr ausgelassener und kindischer Mie je, — ost scheint ihre tolle Laune krampfhaft, zeigt sie sich Gert als gesitteteres und vernünftigeres Wesen, so thut sie cs einzig der Cousine zu Liebe, welche sie darum gebeten. Fränzchen steht neben den alten Feldgeschützen und gestikulirt lebhaft mit ihrem Erzieher und den beiden Dienern, welche die Lunte halten. Sie reißt sich aber gehorsam von der interessanten Spielerei welcher sie ihr Entzücken zur Schau trägt, wirkt viel zu originell loS, alS Fräulein von Nördlingen sie ruft und läßt sich geduldig, und kindlich, um abstoßend zu sein! mit lustigem Augenzwinkern, die Rosen in den Gürtel stecken. Gert selber ist während der ersten Tage oft blutroth geworden „Nun fahre nicht so heftig mit den Armen dagegen, sonst vor Verlegenheit, wenn das junge Väschen voll andächtiger Be- brechen die Blüthen ab!" ermahnt Pia noch einmal sorgenvoll, wunderung sein „famoses Schnurrwichschen" anstaunt, wenn sie und dann führt sie die Kleine an derHand den Eltern entgegen, ungenirt bekennt: „Höre, Gert, Du hast grade so bildschöne welche soeben auch in das Schloßportal treten. Augen wie Pia!" oder wenn sie nachdenklich seine Hand zwischen „Sieh doch, Tante Johanna! wie gefällt Dir Dein Töchterlein die ihre nimmt und frägt: „Wie machst Du das nur, daß Du heute?" als Mann so schöne weiße Hände hast? Du bist doch gar nicht Die Gräfin sieht ganz perplex aus. „Oh, welch eine Ueber- so sehr viel älter wie ich und mußt doch gewiß aus dem Schiff raschung! Fränzchen als Dame frisirt! Oh sieh doch, tüchtig zugreifen, — sicherlich noch mehr als wie ich hier in Haus Willibald!" und dann bekommt sie einen Husten, sehr und Hof herumhantire, — und doch sehen Deine Finger aus, wie heftig und andauernd, daß sie das Taschentuch vor den Mund von Marmor gemeißelt!" — pressen muß. Der elegante Gert, welcher auf seine tadellosen Hände beson- Aber es ist keine Zeit mehr zu näherer Besichtigung, ein ders eitel ist, lächelt voll Wohlgefallen und findet die Kleine Hornsignal schmettert von dem Lug ins Land. Mit unheimlichem „immer charmanter!" und Frau von Nördlingen, welche ja keine Krach cntläd sich die erste der Feldschlangen und enttäuscht Fränz- Mutter sein müßte, wenn sie nicht jedwede Tochter des Landes chen durch ihr schwachathmiges Organ. auf ihre Eigenschaft als brauchbare Schwiegertochter prüfte, schaut Der Doktor und die Diener sind sicherheitshalber hinter eine immer überraschter und aufmerksamer drein, je deutlicher Fräulein Mauerböschung gesprungen; da aber das Geschütz höflichcrweise Fränzchen ihre Sympathien für den Herrlichsten von Allen nicht geplatzt ist, eilen sie kühn und muthig zu dem zweiten, auch bekundet. hier die festliche Detonation in Scene zu setzen. Ter Hauslehrer ist noch an demselben Tage, wo die Gäste Auch hier ein dumpfer Schlag. auf Niedeck eingetroffen, zu seiner eigenen großen Ueberraschung „Jämmerlich, wie ein Knallbonboni" ärgert sich Fränzchen; abgereist. Graf Willibald liebt ja die Ueberraschungen. Nach im nächsten Moment aber schwenkt sie mit rauhkehligem Hurrah Tisch hat er heimlich ein Weilchen mit dem Doktor getuschelt, hat das Taschentuch — es zeigt so viel Heidelbeerflecken, daß man es es unverantwortlich gefunden, daß der junge Gelehrte die Schweiz sür eine Trauerflagge halten könnte! — in der Hand und winkt noch nicht kenne und ihm mit verständnißinnigem Lächeln ein paar stürmischen Willkommen. Goldrollen in die Hand gedrückt: „Machen Sie bei der Hitze Vor dem Burgthor klingt Husschlag und Räderrollen, und im noch Ferien und reisen Sie mit Gott, mein wackerer, junger nächsten Augenblick hält die elegante Equipage, von vier Rappen Freund!" — gezogen, in dem Schloßhofe. Der Doktor war sprachlos vor Freude. Zwar sandte er noch Herr und Frau von Nördlingen breiten grüßend die Arme einen wehmüthigen Blick nach Pias goldlockigem Köpfchen hinüber, ans, und ein schlanker, bildhübscher Marlnelicutenaiit greift salu- raffte sich dann aber energisch zusammen und stürmte aus sein tirend an die Mütze. Zimmer, das Köfferchen zu packen. * . * Mit dem Abendschnellzug dampfte er bereits nach Straßburg Tage sind vergangen. ab, und anläßlich seines Abschieds ward Fränzchen zum ersten Pias bleiche Wangen blühen wieder wie ehedem in rosiger Mal sehr zärtlich gegen Vetter Gert, — sie warf sich an seine Frische und ihre Augen leuchten so glücklich und zuversichtlich Brust und drehte ihn wie einen Brummkreisel umher: „Gott sei wie diejenigen eines Kindes, welches durch die Thürspalte den Dank — nun hat's mit dem Geochse für ein Weilchen wiederein verheißungsvollen Glanz des Christbaumes strahlen sielst! — Ende!" — Und dann genoß sie die köstliche Freiheit in vollen Wie wunderbar gut haben sich Gert und Fränzchen ange- Zügen. freundet! Die Kleine erfaßt ja einen neuen Gedanken meist sehr Ihre kleine, sehr kostbare Büchse über der Schulter, zog sie ; passionirt, ihre Neigung für Gert scheint jedoch mit Sturmes- mit dem Vetter und dem Rentmeister schon in aller Morgenfrüh schnelligkeit zu wachsen und sein Sieg xrimn vists. entschieden. auf die Jagd hinaus, denn zu beiderseitigem innigen Entzücken Sie macht auch nicht den mindesten Hehl daraus, daß der neue war konstatirt, daß Gert ein passionirter Jäger sei. Vetter ihr über die Maßen gut gefällt, und die Naivität, mit < Fortsetzung folgt.)
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