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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 30.09.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-09-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189809301
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18980930
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18980930
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungFreiberger Anzeiger und Tageblatt
- Jahr1898
- Monat1898-09
- Tag1898-09-30
- Monat1898-09
- Jahr1898
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 30.09.1898
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«27 L898 owohl den preußischen als den dänischen Hof verstimmt haben.! üben, falls die Regierung ihr nicht auch da Die Trauung fand in aller Stille am 3. September in Frank- Gleichwohl ist die Gefahr einer gewaltthätigen aussichtlich Italien gewählt werden. Abschied aus der Armee genommen. Freiberger Anzeiger und Tageblatt. Seite S. — 30. September. . l in den Weg tritt. ... gewaltthätigen Einmenguna des NeuboulangismuS m den Rechtsgang noch keineswegs vorbei wenn sie auch um so geringer'wird, je länger die Regierung Zeit hat, ihre Vorkehrungen zu treffen. Der Nachrichtenstoff auS Vari, beschränkt sich heute auf Folgendes: Polnische Jugend! AuS der Fortbildungsschule zu Adelnau in der Provinz Posen wird dem Grackdenzer „Geselligen" folgendes kleine Stimmungsbild berichtet. Aus die Frage des Lehrers: „Wie heißt unsere Nationalhymne?" riefen mehrere Schüler aus der Mitte der Klaffe gleichzeitig in polnischer Sprache: „Noch ist Polen nicht verloren" und „Gott schütze Polen!" Nach der Nationalität fragte der Lehrer weiter einen Schüler: „Was bist Du?" Antwort: „Ich bin ein Pole." Frage: „In welchem Lande wohnst Du?" Antwort: „In Preußen." Frage: „Wie beißt Euer König?" Antwort des Schülers: „Wir haben keinen König!" Frage: „Wie heißt Euer Kaiser?" Antwort: „Wir haben keinen Kaiser." Diese Antworten wurden in frechem Tone zegeben. Auf die Anzeige beim Kuratorium der Fortbildungs schule nahm die Polizeiverwaltung die drei betheiligten Schüler wegen ungebührlichen Benehmens in Ordnungsstrafen von fünf und drei Mark. Der eine der Schüler wagte es sogar, gericht liche Entscheidung zu beantragen, nahm aber seinen Einspruch vor dem Termin zurück. — Was dem kleinen Vorfall Bedeutung giebt, ist nicht die Frechheit eines oder des andern dieser grünen Jungen, sondern die Erwägung, daß derartige Lümmeleien sich schwerlich in dieser Richtung zu bethätigen suchen würden, wenn nicht von außen her in diesem Sinne an der polnischen Jugend gearbeitet würde. Bei unseren Centrumsleuten und einem Theil der Freisinnigen heißt cS immer noch: es giebt keine großpolnische Agitation. Sie wissen auch sehr wohl, warum sie leugnen. Eine bemerkenswerthe Polizeiverordnung hat der Polizeipräsident m Danzig erlassen. Darnach müssen sämmtliche Schanklokale in Danzig und den Vororten um 8 Uhr abends schließen. Diese für manche Geschäftsleute sehr empfindliche Maß regel ist mit Rücksicht darauf getroffen worden, daß erfahrungs gemäß die meisten Messerstechereien und sonstigen Roheits vergehen, welche sich dort in letzter Zeit sehr gehäuft und mehrere Todesfälle zur Folge hatten, nach dem Genuß von Schnaps an- gczettelt wurden, beziehungsweise ihren Anfang in den Schnaps- schänken nahmen. Wie verlautet, beabsichtigen die Inhaber der Schankstätten, gegen diese, ihre Jahreseinnahme bedeutend schmälernde Verfügung den Beschwerdeweg zu betreten. Wegen Bedrohung eines arbeitswilligen Arbeiters mit er hobenem Schirm wurde in Berlin der Maurer Hoppe, der schon vor Jahren eine Vorstrafe aus ähnlichem Anlaß erlitten, zu neun Monaten Gefängniß verurtheilt. Oesterreich. Das ExekutivcomitS der deutschen Opposition hat mit überwiegender Mehrheit beschlossen, die erste Lesung der Ausgleichsvorlagen zuzulassen. Dieser Beschluß bedarf jedoch zu seiner Wirksamkeit noch der Zustimmung der einzelnen Parteien der deutschen Opposition. Italien. Durch königliches Dekret ist der Stadtrath von Livorno aufgelöst worden. Eine Untersuchung seitens des Prä fekten habe bedeutende Fehlbeträge in der Stadtkasse ergeben, der ' Sinvaco derselben sei verschwunden, der Stadtkassirer verhaftet, weitere Verhaftungen ständen bevor. Frankreich. Angesichts der festen Entschlossenheit des Ministerpräsidenten Brisson, in der Dreyfus-Angelegenheit > bis zu Ende zu gehen, ist der Generalstabspartei in Frankreich der Muth gesunken, für den Augenblick wenigstens, und das zornige Gezeter der ihr ergebenen Blätter kann nicht darüber ! hinweg täuschen, daß die Zurlinden und Genossen vorerst nicht ' wagen, ihre Drohungen in Thaten umzusetzen. Der klägliche Mißerfolg der vorgestrigen zwei Versammlungen revisionsseindlicher Parlamentarier ist auch nicht geeignet, die Unternehmungslust der . Generalstabspartei anzufeuern, und so dürfte sich diese zunächst i darauf beschränken, ihre Rache an Oberstlieutenant Picauart zu Ueber die gegenwärtige Schuldenlast der Welt bringt auf Grund der amtlichen Ausweise deS letzten JahreS eine Zeitschrift für Aktienwesen mehrere interessante statistische Daten. Die gesammten Staatsschulden betrugen im vorigen Jahre 122 420 Millionen Mark. Davon entfällt allein der fünfte Theil auf Frankreich, daS mit 24480 Millionen Mark an der Spitze aller Staaten marschirt und beinahe so viel Schulden hat wie England mit 12897 und Oesterreich mit 12127 Millionen Mark zusammen genommen. Der Reihe nach kommen dann von den bedeutenderen Staaten auf Italien 10185, die deutschen Einzel st aaten 9992, die englischen Kolonien 9492, Rußland 7900, Spanien 5660, Nordamerika 3972, Portugal 2525, das deutsche Reich 2204, Aegypten 2088, Brasilien 2072, Holland 1849, Belgien 1832, Japan 1776, die Türkei 1596 und Griechen land 189 Millionen Mark. Besonders interessant ist es aber, das mit den großen politischen Ereignissen zusammenhängende Anwachsen der Weltschuldenlast zu verfolgen. Von 6000 Mil. Mark im Jahre 1714 wuchs sie in der folgenden 80jährigen Friedensperiode bis 1793 kaum auf daS Doppelte, nämlich auf 10000 Millionen Mark, um sich während der napoleonischen Kriege bis 1820 zu verdreifachen. In der Friedenszeit bis 1848 kamen nur 4600 Millionen Mark hinzu. Dann schwoll die Schuldenlast von 34600 Millionen Mark in Folge der deutschen Kriege und des amerikanischen Freiheitskrieges bis 1872 auf 93000 Millionen Mark an. Der russisch-türkische Krieg erhöhte die Summe im nächsten Dezennium auf 107880 Millionen Mark. In der daraus folgenden Zeit des „bewaffneten Friedens" aber stieg die Last bis 1897 aus 122420 Millionen Mark. Dieses enorme Kapital, nur zu 4 Prozent verzinst, ergiebt eine jährliche Zinsenlast von 4896 Millionen Mark, d. h. auf jeden Erden bürger jährlich 5 Mark. Diesen Schuldverpflichtungen haben nur einzelne Staaten ein werthvolles Aktivvermögen und zwar von insgesammt 27 Milliarden Mark in ihren Staatsbahnen entgegen zusetzen. Mehr als ein Drittel davon, etwa 10 Milliarden Mark, repräsentiren allein die Staatsbahnen Deutschlands, wodurch dieses in Bezug aus die Garantie für seine Staatsschuld unter allen Staaten am Günstigsten dasteht; die stärker verschuldeten Staaten Oesterreich und Rußland können in ihren Bahnen nur einen Gegenwerth von 5 bezw. 4 Milliarden Mark aufweisen. deshalb immer gern mit dem Strome schwimmt. Jetzt wittert das edle Blatt wieder Morgenluft und hält die Zeit für gekommen, um dem todten Löwen den aus der Fabel bekannten Tritt zu versetzen. Das wäre an sich nicht weiter auffallend und des Aufhebens werth. Man würde darüber, wie über ähnliche ! Leistungen von derselben Seite, stillschweigend hinweggehen können, , wenn nicht eine ganz unglaubliche Frechheit, die sich das „Berl. Tageblatt" jetzt gestattet, unter allen Umständen niedriger gehängt werden müßte. In Anknüpfung an die von allen anständigen Menschen längst verurtheilten und nach Gebühr eingcschätzten „Enthüllungen" des ehemaligen BismarckschenPreßlakaien Moritz Busch erdreistet sich Herr Arthur Levysohu in der von ihm mit seinem Namen gezeichneten „Politischen Wochenschau" den Fürsten Bismarck einen „genial veranlagten Gistmichel" und „Loyalitäts heuchler" zu nennen. Eine derartige Beschimpfung fällt ja ohne Weiteres auf den Urheber zurück. Die weltgeschichtliche Gestalt des Fürsten Bismarck kann natürlich weder von den Sudeleien eines Busch, noch von den Anrempelungen jenes Levysohn irgendwie berührt werden. Aber es zeigt sich doch darin, welche Kräfte augenblicklich am Werke sind, um dem deutschen Volke seinen großen Todten zu verunglimpfen. Gelingen wird ihnen dies Bemühen freilich nicht. Sie erwecken damit nur den ver dienten Abscheu vor ihrer eigenen niedrigen Gesinnung." —Daß die Judenblätter trotz aller Verstellung, die sie für einige Zeit nach dem Tode Bismarcks für nothwendig hielten, nm nicht allzusehr bei dem deutschen Volke anzustoßen, die erbittertsten Feinde des großen Staatsmannes auch nach seinem Tode bleiben würden, haben wir nie bezweifelt. Zur Dreyfus-Angelegenheit erhält die „Nat. Zeit." folgende Zuschrift: „Gestatten Sie einem langjährigen Abonnenten Ihres geschätzten Blattes zu einer kurzen Bemerkung das Wort: Wenn man die Vorgänge in Frankreich verfolgt, so wird inan sich nicht der Sorge erwehren können. Lassen doch die augen blicklichen Verhältnisse jede, auch die schlimmste Lösung befürchten. Ungemein beunruhigend wirkt aber dabei der Gedanke, daß all' diese Verwicklungen dem mißbrauchten Inhalt eines Papicrkorbes zu verdanken sind! Wenn man bedenkt, daß aus achtlos fort- geworsenen Papicrfetzchcn geschickte Hände und findige Köpfe kompromittirende oder sonstige unheilstiftende Schriftstücke wieder zusammensügen können, also daß jedes dieser Fetzchen Mitwirker einer falschen Urkunde wird, so begreift man nicht den Gebrauch eines Papierkorbes auf Botschaften oder anderen wichtigen Aemtern! Nur was nicht ist, kann nicht mehr schaden; darum Vernichtung alles dessen, was seinen Zweck erfüllt oder verfehlt hat. — Man ersetze den Papierkorb durch einen Kamin oder Ofen — und keine menschliche Kraft ist mehr im Stande, einen Funken durch mißbrauchte Reste wichtiger Aktenstücke ins Pulver faß zu schleudern." — Das Blatt bemerkt dazu: Diese Zuschrift giebt einer Ansicht Ausdruck, welche auch in Berlin sehr ver breitet ist: daß ans der deutschen Botschaft in Paris dem Anschein nach in dem Vertrauen zu einem Portier, der obenein bis zum Jahre 1871 und vielleicht auch seither Franzose war, so wie im Vertrauen zu der Verschwiegenheit von Papierkörben erstaunlich 'weit gegangen worden. Ist deutscherseits auch nichts geschehe», was nicht vollkommen berechtigt war und erforderlichenfalls vor jedem Gerichtshöfe erwähnt werden darf, so scheint es doch, daß Dinge, die ihrer Natur nach immer geheim betrieben werden, zur Kenntniß eines Portiers gelangen und aus Papierkörben erwiesen 'werden konnten. Die Ehe der Prinzessin Sibylle von Hessen Mit dem Baron Alexander von Vincke soll, der „World" zufolge, ihm regiert. — Na, Kronprinzen schillern ja immer ein bischen liberal, daS ist nun mal so, sie stehen auch immer ein bischen in Opposition, weil sie zu wenig zu thun haben, wenn sie nicht ganz in den Gamaschen aufgehen, aber das schleift sich ab. Kaiser Friedrich wäre eher ein Autokrat geworden als ein Richter scher." — Auch von der Kaiserin Friedrich sprach der Fürst durchaus sympathisch: „Sie ist eine kluge Frau, aber sie ist im Grunde stets Engländerin geblieben. Wenn sie von „unseren" Truppen, von „unserem" Botschafter spricht, so meinte sie stets die englischen Truppen und Lord Loftus oder wet gerade da ist. Ich wünschte, deutsche Prinzessinnen, die sich wegverheirathen, hätten auch waS davon. Daß ich bei meiner Verabschiedung sie ,um ihre Vermittelung bat — gar mit Thränen — ist natürlich Schwindel. Aber sonst standen wir recht gut miteinander, besonders in den letzten Jahren, wenn ich sie auch oft ärgern mußte, wie beim Battenberger. Unser Verhältniß beruhte ja nicht auf Liebe, aberaufgegenseitigerHochachtung. Einmal, als ichzumVortrag in Charlottenburg war, rückte sie mir sogar selbst einen Sessel heran. Kaiser Friedrich hielt überhaupt immer darauf, auf meine Bequemlich keit Rücksicht zu nehmen. Das wurde freilich später anders." — 'Die Physische Unmöglichkeit, stehend längere Vorträge zu halten, und nicht nur Aktenauszüge, sondern die vollständigen Akten vor zutragen, dürste den ersten Grund zu den späteren Verstimmungen geliefert haben, die im März 1890 einen so verhängnißvollen Ausgang nahmen. Hier dürfte auch einer der Gründe ange deutet sein, die zu der so langdauernden Abwesenheit des großen Kanzlers von Berlin führten. „Ich blieb damals in Friedrichs- ruh, obwohl ich viel früher nach Berlin zurückwollte. Aber Majestät ließ mich wissen, daß er sich freue, wenn ich mich ordentlich erholte für die bevorstehende Parlamentscampagne und Bötticher schrieb mir immer, auch zuletzt noch, cs gehe alles gut, Meine Anwesenheit in Berlin sei durchaus überflüssig. Später Habe ich ja gesehen, wie das gemeint war." — Selbst auf die Gefahr hin, prinzipiellen Duellgegnern Grund zu der Bemerkung Hu geben, daß auch ich den großen Todten verunglimpfe, möchte ich eine Bemerkung nicht unterdrücken, die nach meiner Ansicht ungemein charakteristisch ist und unS den geliebten Todten noch im hohen Greisenalter als den Mann des straffen Ehrgefühls zeigt. „Daß mir Caprivi nachsagte, ich verstände von der Politik nichts und das auch nach dem Auslande amtlich mittheilte, war mir egal. Das konnte nur ihn blamiren. Aber daß er bei der Wiener Sache in meine gesellschaftlichen Rechte eingriff — ich habe ihn zuerst fordern wollen und habe mir auch schon einen Kartellträger ausgesucht. Ich habe noch eine recht sichere Hand und hätte mich auch etwas ein geschossen. Aber da überlegte ich mir die Sache und fragte mich, was dann geschehen wird. Ich bin Offizier, man wird die Ge schichte vor ein Ehrengericht von alten Generalen bringen, dann wird viel hin- und hergeredet und zuletzt werden nichtssagende Erklärungen getauscht. Das hatte keinen Zweck und so hab' ichs unterlassen." Niedriger hängen! Wir lesen in der „Rheinisch-West fälischen Zeitung": „Als am 31. Juli die Kunde vom Hinscheken des Fürsten Bismarck ganz Deutschland in ein Trauerhaus ver wandelte, da mischte auch das „Berliner Tageblatt" seine Krokodilsthränen in die allgemeine Klage um den großen Todten. Es konnte sich gar nickt genug thun in tönenden und hoch trabenden Redensarten. Natürlich ließ sich dadurch kein Kenner der Verhältnisse über die wahre Gesinnung dieses Blattes täuschen, bei dem das Geschäftsinteresse an erster Stelle steht nnd das Oertliches nnd Sächsisches. Freiberg, den 29. September. — Die Königin besuchte gestern Vormittag in Begleitung des Hoffräuleins v. Nauendorff und des Oberhofmeisters v. Malortie die „Ausstellung gewerblicher Unterrichtsanstalten im Königreiche I Sachsen" in Dresden, urt a. M. statt. Die Prinzessin ist eine Schwester der Land- iräfin von Hessen, Nichte der Königin von Dänemark, und eine Cousine der Herzogin von Connaught, da ihre Mutter, die Land- gräfin Anna und die Prinzessin Friedrich Karl Schwestern waren. Als Gast am Kopenhagener Hose wurde die Prinzessin Sibylle, die im Juni ihren 21. Geburtstag feierte nnd über eine Jahres rente von 80000 Mk. verfügt, vor einigen Jahren von dem da maligen Großfürsten Nikolaus, dem jetzigen Zaren, besonders ausgezeichnet, so daß man an eine Heirath dachte, die von Alexander m. auch sehr gewünscht wurde. Die Erlaubniß des Kaisers Wilhelm und ihrer Mutter zu ihrer jetzigen Verbindung oll die Prinzessin nur unter der Bedingung erlangt haben, daß ie sich mit ihrem Gatten wenigstens für die ersten drei Jahre außerhalb Deutschlands niederläßt. Als Wohnplatz wird vor- Baron Vincke hat seinen Paris, 28. September. Ackerbauminister Viger ist zur all. gemeinen Ueberraschung nicht zurückgetreten, sondern bleckt trotz einer vorgestrigen Aeußerung im Kabinett. „Petite Rspubl" erklärt dies damit, daß Viger, der zur Zeit der Verfolgung von Dreyfus Mitglied des Kabinetts Dupuy war, im Ministerium Brisson daS Vermächtniß Dupuys und Merciers zu vertreten habe, wie Henry in der Nachrichtenabtheilung das Vermächtniß SandherrS vertrat. — Die lärmend angekündigten Versammlungen der boulangistischen und monarchistischen Abgeordneten fanden wie schon gemeldet wurde) zuerst gesondert, dann vereinigt gestern Nachmittag statt; sie hatten dazu einen Borsaal im Palais Bour- >on gefunden, zu dem ihnen der Zutritt nicht verboten werden onnte. ES waren ihrer gegen 60 zur Stelle, doch versicherte» ie, zusammen 130 Abgeordnete und Senatoren zu vertrete». Sie nahmen nach aufgeregten Reden folgende Tagesordnung an: „Da das Ministerium Brisson von der Kammer nur wegen einer bestimmten Erklärung gegen das Wiederaufnahmever- ähren eine Betrauensabstimmung erhielt, nun aber sein Ver- prechen gebrochen hat, da ferner din letzten Beschlüsse deS Ministerraths nicht mehr einen ausschließlich rechtlichen, sondern einen politischen Charakter haben, bitten die unterzeichneten Ab geordneten den Präsidenten der Republik, das Parlament sofort einzuberufen." Diese Tagesordnung trugen die Versammelten ins Elysee; unterwegs begrüßten einige Vorübergehende, die auf den kleinen Zug aufmerksam wurden, sie mit dem Ruse: „Tod den Juden! Nieder mit den Verkauften!" Faure empfing sie nicht, sondern ließ ihnen durch General Hagron sagen, im Sinne der Verfassung dürfe er mit Volksvertretern nur durch das ver antwortliche Ministerium verkehren. — Um den Boulangisten , eine Genugthuung zu geben, erließ Sarrien sein schon mitgetheiltes Rundschreiben an die Staatsanwaltschaften, daS ihnen die Ver folgung aller Angriffe auf hohe Offiziere in der Presse und in Versammlungen austrägt. Die erste Antwort darauf ist ein offener Brief an General Chanoine, den der bekannte Abgeordnete LazieS in der „Libre Parole" veröffentlicht und wo es heißt: „Sie, wollen nicht, daß man das Heer beleidige, und Sie nehmen die raurige Rolle an, es zu erdolchen. Sie haben das Kriegsport». euille angenommen, um Ihren gemeinen Haß gegen die Borge- etzten zu befriedigen, die Sie nach Ihrem nichtigen Werthe ge- chätzt haben; Sie haben jetzt bewiesen, wie Recht die hatten, die Sie immer für einen unfähigen Menschen erklärten. Ich glaube nicht, mich gegen das Rundschreiben des Justizministers zu ver gehen, denn wenn ich sage, daß das Heer Sie verachtet, so be leidige ich es nicht, sondern rühme es. Sie haben einen Anspruch weder auf einen bürgerlichen, noch auf einen militärischen Gruß, denn Ihre Haltung zeigt, daß Sie ein schlechter Bürger und ehr- loser Soldat sind." Der Generalstaatsanwalt beim KaffationShofe Manau prüft )ie Dreyfusakten in seiner Wohnung. Wie verlautet, wird Manau leinen schriftlichen Antrag dem KaffationShofe nicht vor Ende sieser Woche zugehen lassen. China. Archibald Little, der viele Jahre in China gelebt hat und namentlich auch als Autorität in Jangtse-Fragen gilt, äußerte sich gegenüber einem Vertreter des „Reuterschen Bureaus" u. A. wie folgt: „Der Staatsstreich hat nicht überrascht. Die alte korrupte konservative Partei in China duldet nichts, was ihren Vorrechten schaden könnte oder wie ausländische Ein« Mischung aussieht. Die politische Lage gleicht der in Japan int Jahre 1868. Damals stürzte die Fortschrittspartei die Konser vativen nach einem blutigen Bürgerkriege. Die Fortschrittler hatten damals allerdings den höchst fähigen britischen Gesandten Sir Harry Parkes hinter sich. Es ist übrigens höchst bezeichnend, daß diese Krisis in China sich gerade jetzt ereignet hat. Die Zeit ivar nahe, wo der junge Kaiser, es heißt, in Folge des ihm vom Prinzen Heinrich von Preußen in privater Unterredung ertheiltea Rathes, den erstaunlichen Schritt thun wollte, Peking zu ver lassen und Tientsin und andere Häfen zu besuchen. Die Geschichte wird wahrscheinlich später die Thatsache mittheilen, daß weder die Kaiserin-Wittwe, noch Li-Hung-Tschang so weit gegangen wären, ohne zuvor das Versprechen Rußlands erlangt zu haben, daß dieses die herrschende Dynastie unterstützen werde. Es ist ganz unmöglich, zu sagen, ob der Kaiser todt ist oder nicht. Es ist dies der dritte Staatsstreich, welchen die Kaiserin-Wittwe und Li-Hnng-Tschang unternommen haben. Jedesmal vorher starb ein junger Kaiser plötzlich. Ich glaube nicht, daß man vor den Augen der Ausländer bis zum Morde geschritten ist. Die wirk liche Furcht im Herzen der Kaiserin ist, daß die Mandschu- Dynastie den Weg früherer Dynastien gehen wird. Deshalb hängt sie sich an Rußland, welches nach ihrer Ansicht ihr die beste Stütze gewährt. Kang-In-Wei, der, wie es heißt, verhaftet werden sollte, ist von Canton gebürtig und ein fortschrittlich gesinnter Chinese. Es wird offen erklärt, daß er den Prügel jungen abgeben soll." Gerade in diesem Augenblick, wo die Vorgänge in der chinesischen Hauptstadt ihre Rückwirkung auch nach außen hin üben könnten, ist die Mittheilung bemerkenswerth, daß die russische Heeresverwaltung schon seit einiger Zeit sich bemüht, Port Arthur, das den Zugang zu Peking von der See her beherrscht, zu einer unangreifbaren Stellung zu machen. So sind die seiner Zeit von den Japanern zerstörten Batterien nun mehr ausgebessert und armirt. Eine Menge chinesischer Arbeiter ist mit dem Bau neuer Forts um Port Arthur beschäftigt, die dasselbe von der Land- und von der Seeseite völlig unzugänglich machen werden. Die Ausrüstungsgegenstände für dieselben sind bereits angefahren. Zur Zeit sind an Landtruppen etwa 10 000 Mann dort zusammengezogen, für welche der Bau von Kasernen in Angriff genommen ist. Bis dahin sind die Truppen, die Offiziere nicht ausgenommen, in elenden chinesischen Hütten untergebracht. An Kriegsschiffen liegen auf der Rhede von Port Arthur außer einigen Torpedobooten und dem Kanonenboot „Gremjatschi" noch di^erstklassigen Panzerschiffe „Shisoi Weliki", „Admiral Nachimow" vnd „Wladimir Monomach". Für die gespannten Beziehungen, in denen Rußland zu Japan steht, spricht der Umstand genügend, daß den Japanern die Ansiedelung in Port Arthur und Umgegend verboten ist.
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