»Ich will Ihnen etwas sehr Komisches von mir erzählen, Genosse Gorkow. Über alles wollte ich einmal mit einer Gräfin schlafen. Lange suchte ich eine, träumte sogar davon: groß muß sie sein, weiß, mit schönen Augen und drall. Wir hatten im Lager allerlei Gutsbesitzerinnen und Adlige, aber keine einzige Gräfin. Die Kame raden lachen natürlich über mich, ich sage mir aber' ,Lacht nur, ich werde doch noch eine finden! 1 Und ich fand auch wirklich eine. Man hatte sie wegen Konter revolution verhaftet, und sofort kam ein Kamerad zu mir gelaufen: Jepifanjew, 1 schreit er, ,geh schneller, man hat eben die Deine gebracht! 1 Ich geh hin, sie ist aber an die fünfzig Jahre alt, pockennarbig, mit einer langen Nase! Da wurde ich böse: ,Warum bist du so, du so eine und so eine? 1 Und sie mir darauf: ,Geh weiter, Dummkopf, Gott hat mich einmal so erschaffen. 1 Da schlug ich sie beinahe und sagte: .Dann mag dich Gott auch , ich aber will nicht. 1 Und ich rührte sie nicht an. Natürlich habe ich mich über sie viel lustig gemacht, aber als Weib hab ich sie nicht angerührt. Und nach dieser Geschichte war mir meine Laune ver gangen. Ich schlafe jetzt mit allerlei Frauenzimmern, auf eine Gräfin warte ich aber nicht mehr. Also brauch ich keine. Nur manchmal frage ich mich: Wozu plagen wir uns eigentlich ab? Wie du auch lebst, was du auch treibst, schließlich mußt du doch sterben. Hab ich nicht recht?« Heute beobachtete ich, wie eine kleine blonde Dame in hellen Strümpfen, mit dem unfertigen Gesicht eines kleinen Mädchens, auf der Trotzkij-Brücke stehend und sich mit den Händen in grauen Handschuhen im Geländer festhaltend, als wollte sie in die Newa springen, dem Mond ihre spitze rote Zunge zeigte. Der Mond war groß und rot, wie betrunken. Die Dame neckte ihn durchaus ernsthaft, sogar schadenfroh, — so kam es mir vor. Diese Dame rief mir einige seltsame Beobachtungen in Erinnerung, über die ich mich seit langem wunderte. So oft ich sehe, wie ein Mensch sich benimmt, wenn er sich unbeobachtet glaubt, muß ich ihn »wahnsinnig« nennen, — ein anderes Wort finde ich nicht. Ich sah, wie Tschechow, in seinem Garten sitzend, mit dem Hute nach einem Sonnenstrahl haschte und sich vergebens bemühte, den Hut mit dem Sonnenstrahl aufzusetzen. Ich sah, wie dieser Mißerfolg den Sonnenstrahljäger ärgerte und wie dessen Gesicht einen immer böseren Ausdruck annahm. Schließlich schlug er sich den Hut, völlig entmutigt, gegen das Knie, stülpte ihn sich dann auf den Kopf, stieß seinen Hund »Tusik« mit dem Fuß zur Seite, kniff die Augen zusammen, schielte zum Himmel hinauf und ging dem Hause zu. Als er mich erblickte, lächelte er und sagte: »Guten Tag! Haben Sie bei Balmont gelesen: .Die Sonne duftet nach Gräsern? 1 Wie dumm! Bei uns in Rußland riecht die Sonne nach Seife und hier — in der Krim — nach Tatarenschweiß . . .« Der gleiche Tschechow bemühte sich lange vergebens, einen dicken Rotstift in den Hals einer winzigen Apothekerflasche zu stecken. Er hatte offensichtlich das Bestreben, gegen ein gewisses physikalisches Gesetz anzukämpfen. Tschechow gab sich dieser Beschäftigung mit der Hartnäckigkeit eines Experimentators hin. Leo Tolstoi fragte aber leise eine Eidechse: »Dir geht es gut, was?« Sie wärmte sich in der Sonne auf einem Stein auf der Straße nach Djulber (Krim), und er stand vor ihr, die Finger in den Gürtelriemen gesteckt. Der große Mensch dieser Welt sah sich vorsichtig'um und gestand der Eidechse: »Mir geht es aber nicht gut.« 103