Auf dein Heidcmühlweg finden wir sic jetzt. Sie führen ans der Dickung, dein Tageseinstand des Rotwildes, zu der nahen Fütterung hinter dem Forstwärterhaus und zurück. Dort kann man in der erstell Dämmerung wohl den einen oder anderen Tag jetzt während der winterlichen Notzeit auch einige Stücke Kahlwild beobachten. Doch in der übrigen Zeit des Jahres wird der Spaziergänger das Rudel kaum in Anblick bekommen. Heimlich ist es dann. Im letzten Tageslicht erst verläßt es den Tages einstand, mir frühmorgens bei anbrcchcndcr Dämmerung diesen wieder aufzusuchen. Nur unser Hirsch, der in diesem Jahre ein kapitales Geweih von vierzehn Enden trägt, sucht auch tagsüber nicht immer die schützende Dickung auf und schenkt so auch den Großstadtmenschcn das Erlebnis des Anblickes des Königs der deutschen Wälder. Wie viele hat er durch seinen majestätischen Anblick erfreut, wenn er im Bestand äst oder elastisch und kraftbewußt seine Fährte zieht, uraltem Wechsel folgend. Ganz anders ist der Eindruck, als wenn man Wild im kleinen Gatter eines Zoo oder auch an der von Menschen errichteten Fütterung sieht. ES hat etwas Erregen des, etwas Unmittelbares. Was mag nuir aber gerade diesen Hirsch veranlaßt haben, seine Scheu so abzulcgcn, daß ihn weder die Menschen in den angrenzenden Gärten noch auf den öffentlichen Wegen im Gatter der Heide selbst stören? Seine Fluchtdistanz ist nach meinen wiederholten Beobachtungen auf etwa ZO Schritt herabgesetzt, während Rotwild sonst je nach dem Gelände auf mehrere hundert Schritt vor dem Menschen flüchtig wird. Verminderte Lebenskraft oder eine geminderte Schärfe der Sinne können es nicht sein, die zu diesem Aufgeben der instinktiven Scheu führten. Ge rade krankes Wild ist besonders scheu und heimlich, wie jedem Jäger bekannt ist. Die Erfahrung allein, die ihn die Harmlosigkeit der Menschen lehrte, kann es auch nicht sein, denn dann müßten auch andere Stücke in der Heide ebenso vertraut sein. Eine eindeutige Antwort gibt es wohl dafür nicht. Wir müssen es, wie so vieles in der Natur, ohne es uns er klären zu können, hinnehmcn. Wir können nur feststellen, daß bei allen Tierarten sich gelegentlich einzelne Stücke finden, die vermindertes Miß trauen dem Menschen gegenüber zeigen; bei einigen sind eö nur sehr we nige, bei anderen mehr. Die Arten mit vielen solchen einzelnen Tieren aber ließen sich so leicht zähmen und wurden schließlich unsere Haustier arten. Bei unserem Wilde findet man solche Stücke selten; und das ist gut so für die Erhaltung ihrer Art. Den Dreödcnr Heidebummlern stellt unser Vierzehnender aber ein schönes Zeugnis aus. Kein unvernünftiges Schreien oder Verjagen, wie man es andernorts angesichts von Wild leider so oft miterlebcn muß, hat ihm sein Vcrtrautscin geraubt. Dr. Sz. 1888 kl-lsckes 1938 21 ll n i fo r m t u ck v a 11e