Der Markt des Herzens. der Liehe und der Einsam. keit ^Notsignale der A^erlassenkeit Von -# V or einiger Zeit erhielt ich einen Brief, der mich mit einem Schlag über traurige Zustände aufklärte, die den meisten Menschen schon darum wenig vertraut sind, weil sie sich ge wöhnlich überhaupt nicht oder doch nur in verzerrter Form aussprechen. Der Brief stammte von einer unverheirateten, ersichtlich gebildeten Dame, die als An gestellte in einem kleinen Ort des west lichen Deutschlands tätig ist, den sie sel ber als „Hochburg der Sektiererei" be zeichnet. Um dort nicht ohne freund schaftlichen Umgang verblühen zu müssen, versuchte sie, in einigen bekann ten Zeitschriften ein zweckentsprechen des Inserat unterzubringen. Es wurde überall abgewiesen. „Wir wissen“, so lautet eine Briefstelle, die mich beson ders ergriff, „daß 2 Millionen Männer gefallen sind, und daß die wenigen, die noch zur Verfügung stehen, in der schwe ren Zeit, oft auch wenn sie wollen, keine Frau umhegen und erhalten können. Aber gönnte man uns wenigstens den Umgang, den geistigen Austausch mit einem Manne! Läge für uns nicht soviel Tragik darin, es wäre lächerlich, zu er leben, daß in einer Zeit, in der im Film und auf der Bühne die intimsten Dinge des Lebens zur Darstellung gelangen dürfen, keine Zeitschrift den Mut hat. eine Anzeige aufzunehmen, in der eine kultivierte Frau Briefwechsel mit einem ernsthaften, gebildeten Manne sucht. Es sei denn, sie droht mit dem Ring am Finger.“ Aus dem Bedürfnis heraus, der Klagenden unmittelbar zu helfen, machte ich sie auf die Möglichkeit aufmerksam, unter der in verschiedenen Tageszeitun gen eingeführten Rubrik: „Kleine Anzeige n“ zu inserieren. Später er hielt ich noch einen Brief von ihr. Ich komme zum Schluß auf ihn zurück. Die Kleinen Anzeigen: Gefühle im Austauscli-Verkelir Wie oberflächlich immer die Annähe rungsversuche seien, die in diesen Inse raten gemacht werden, auch sie haben teil an der Sehnsucht, deren ungebro chener Ausdruck der Brief aus dem Sek- 55