6 Dibelius, geheimer Rat. Nicht nur, dass er die Dresdener Stadtkin der, die als studiosi nach Wittenberg kamen, in seine treue Fürsorge nahm und unter ihnen die geeignetsten später zur Anstellung in ihrer Heimat empfahl, nein, auch von fernher suchte er, bald auf des Landesherrn, bald auf des Rats An suchen, tüchtige Kräfte für Dresden zu gewinnen. Seine häufige Anwesenheit daselbst hatte dies Verhältnis nur be festigen können. 1 ) Bald bringt er für Dresden einen Superin tendenten, bald einen Schulrektor, bald Diakonen, bald einen Kantor in Vorschlag, und in allen diesen Gutachten hat er sich als exquisitus ingeniorum censor erwiesen. 1557 holte Kurfürst August sich bei ihm Rat. Nach der gewöhnlichen Darstellung handelte es sich nicht nur darum, das Amt des dritten Hofpredigers zu be setzen, sondern es war besondere Rücksicht darauf zu neh men, dass dem zu Vocierenden auch die Studienleitung und namentlich der Religionsunterricht des Kurprinzen Alexander übertragen werden könnte, und dass er überdies musikalisch genug befähigt sei, um die Ausbildung des Kirchenchors für die Hofgottesdienste in seine besondere Pflege zu nehmen. Man scheint hier propter hoc und post hoc zu verwechseln. Zunächst suchte der Landesherr lediglich concionatorem pium et industrium, Melanchthon empfahl Seinecker, und nachdem dieser mit einer Predigt am Christfest 1557 sich in Dres den 2 ) vorgestellt, erfolgte die Berufung. Es lässt sich kaum annehmen, dass man bereits damals für den am 21. Februar 1554 geborenen, also noch nicht vier Jahre alten Kurprinzen einen Gelehrten zur „Studienleitung“ gesucht habe; und ') Vgl. Neubert, Melanchthon und die Stadt Dresden. Dres den 18G0. 2 ) Vgl. Passio. Erklärung der Historien vom Leiden und Ster ben Jesu Christi. 1580. Dort heisst es am Schluss der an die Chur fürstin Anna gerichteten Widmung: „Datum Leipzig am heiligen Christtag. Anno 1580. An welchem Tag vor 23 Jahren für E. C. F. G. Geliebten Herrn, meinem Gnedigsten Churfürsten, und desselben Fraw Mutter, Gottseligen, und für E. C. F. G. und Herrn Brüdern, König in Dennmarck etc. auch Rheten und Dienern, ich die erste Predig zu Dresden gethan habe“.