- 23 - den Schlüssel zum Thurmzimmer, er findet darinnen Möbel vor und einen Ofen. Dürres Holz lässt sich im nahen Walde in Ueberfülle sammeln. Zwei Stunden vor Sonnenaufgang brechen wir auf, gehen ein Stück der Johanngeorgenstädter Strasse entlang bis an die letzten Häuser, dort geht ein Fahrweg links ab nach der Schlucht hinunter, aus der wir bei der Nachtstille die grosse Bockau heraufrauschen hören. Das Nonnenhäuschen, ein verlassenes Wirthshaus, bestätigt, dass wir noch auf rechtem Wege sind. Bald überschreiten wir die Bockau und stehen auf den gewaltigen Abhängen des grossen Gebirgsstockes, den nur der Fichtelberg in Sachsen übeiragt. Der Weg, Bärenweg genannt, hat etwa die Breite einer sächsischen Communiealstrasse und ist von den ändern Wegen, die von ihm aus abzweigen, wohl zu unter scheiden; er windet sich auf den Bergrücken hinauf, der sich vom Gipfel aus nach der Mulde zu allmählich abdacht. Stehen wir auf diesem Rücken, so haben wir auch die grosse Schneusse erreicht, die den ganzen Berg, so lang er • ist, in zwei Hälften theilt, in eine westliche und eine öst liche. Nach etwa 15 Minuten Weg bei gelinder Steigerung richtet sich die Schneusse schnurgerade nach Süden, den Berg hinauf; oben am Gipfel erscheint sie wie ein tiefer Einschnitt in den Berg und mitten in diesem Einschnitt erhebt sich der Thurm. Man erschrickt über die Höhe, die noch zurückzulegen ist, und noch mehr über die Steilheit des Abhanges; man vermeint ihn nur klimmend zu über winden, doch erweist sich die Sache nicht als so schlimm. (Das Auge taxirt bei geradliniger Steigung fast immer die Entfernung zu gering und vertheilt die Höhe auf einen viel kürzeren Raum.) Die frische Nachtluft erleichtert uns die Anstrengung und manche Abwechslung beansprucht unsere Aufmerksam keit und tröstet uns eine Zeit lang, dass unser Ziel kaum merklich näher rücken will. Ein Stück Hochwild, das in einer Lichtung zur Seite ruhig äste, bricht scheu über die Schneusse hinweg in die dunklen Fichten hinein, unser Auge flüchtig entzückend, oder das Ohr wird wehmüthig berührt von dem Jammer geschrei eines Vogels, der eben einem Raubgethier zum Opfer gefallen. Nachteulen ziehen in lautlosem, geister haftem Flug über die Wipfel hin nach ihrer Felskluft, um nach dem nächtlichen Raubzug in ruhiger Beschaulichkeit